Nippes im Büro

Wie viel private „Kunstgegenstände“ verträgt die Nüchternheit des Büroalltags?

Wo liest Frau von Welt die einschlägig unwichtigen Magazine und Zeitschriften, für die sie sonst keinen Cent ausgeben würde?
Genau: im Wartezimmer oder beim Friseur.
Ich fange bei diesen Petras, Brigittes, Buntes und wie sie alle heißen meist von hinten an.
Da orakel ich in meinem Horoskop herum (und in denen von mir nahestehenden Personen), ich bekomme Appetit bei den leckeren Rezeptvorschlägen, spiele Voyeur bei den Inneneinrichtungen sehr interessant lebender Menschen und verreise ans andere Ende der Welt. Dumm wird es dann immer nur, wenn aus dem Lautsprecher „Frau K. bitte in Zimmer 4“ ertönt oder die Friseuse meines Vertrauens jetzt dringend die Spülung aus den Haaren waschen will. Das passiert immer dann, wenn es spannend wird.

Gestern konnte ich mich zum Beispiel drüber schlau machen, was pornografische Träume so im Einzelnen bedeuten. Ganz spannend! Wenn ich zum Beispiel eines Tages von Gruppensex träumen würde, wäre ich sexuell nicht ausgelastet. Und wenn ich ausschließlich im erotischen Nirwana mit meinem eigenen Mann rummache, dann soll ich mir mal keine Sorgen machen, sondern wilde Sachen mit ihm ausprobieren. Aha. Gut zu wissen.

Ein paar Seiten weiter Richtung Titelbild geblättert ging es um Privates im Büro.
Wie viel Facebook steht einem zu? Und was ist mit dem Sekt zum Jubiläum? Tötterrunden in der Teeküche waren da Thema, aber auch private Gegenstände in der nüchternen Büroatmosphäre. Da wurde dann darauf hingewiesen, dass so ein heißes Bikinifoto aus dem letzten Urlaub durchaus Anlass zu Lästerein unter den Kollegen führen könnte. Und kleine Bärchen sogar schon mal zu Mobbingattacken geführt haben sollen.

In der Regel vergisst man solche Artikelchen ja recht schnell.
Doch heute war das irgendwie anders.
In der kurzen Pause zwischen zwei Telefonaten, ließ ich meinen Blick durch meine kleine Kemenate schweifen. Vielleicht um zu prüfen, ob hier irgendwas Stein des Anstoßes für Mobbing oder Lästereien sein könnte.

Vor mir hängt ein San-Francisco-Poster, schwarz-weiß, irgendwann in den 50-iger Jahren fotografiert. Hat schon viel Gesprächsstoff mit Kollegen geliefert, die diese Stadt auch mögen. An der hinteren Wand eine Weltkarte, irgendwann mal für kleines Geld samt Rahmen bei diesem großen schwedischen Möbelhaus erstanden. Hier verreisen sämtliche Kollegen gerne mit mir zusammen durch die Weltgeschichte. Diese Weltkarte ist immer wieder eine Einladung an die Kollegen, mal eine Stippvisite in meinem kleinen Büro abzuhalten.
„Stell´ dir vor, was ich soeben gebucht habe. Da fahre ich nächsten Monat hin, ist das nicht fantastisch?“ Kommt nicht gut in solchen Momenten, wenn man selbst noch ein paar Monate auf seinen eigenen Urlaub warten muss. Aber wie sagt der Rheinländer?
Man muss auch jönne könne!

Am Fenstergriff hängt die Medaille meiner ersten Marathonstaffelteilnahme mit den Kollegen. Das war am 08. Mai 2005 und damals war diese ganze Staffelgeschichte nicht besonders gut organisiert. Dieser Holzklöppel in der Hand, der wurde bei jedem Kilometer schwerer. Und der liegt direkt daneben auf der Fensterbank. Mit den Unterschriften aller Staffelteilnehmer, dahinter die Einzelzeiten der Streckenabschnitte. Dieses Teil würde ich niemals hergeben.

Neben dem Staffelstab hockt ein kleiner grüner Plüschfrosch. Geschenk einer Freundin, die gesagt hat, dass ich den küssen soll, wenn ich mal im Büro von einer Kussattacke heimgesucht werde. Das habe ich schon ziemlich oft gemacht, es ist aber kein smarter Prinz draus geworden.

Zwei Postkarten habe ich an die Wand gepinnt.
Auf der einen steht „blond, blauäugig und sauschlau“. Ich weiß noch genau, dass ein alter Kumpel von mir meinte, dass er sofort an mich gedacht hat, als er die Karte sah. Und deshalb hängt die da, denn das ist ein Kompliment, das jede Frau gerne hört. Falls sie denn blond und blauäugig ist.

Daneben die Karte der Allerbesten aus dem letzten Urlaub. Ein lila Schaf verkündet mir mit drolligem Blick „if friends were flowers, I´d pick ewe!“

Nicht zu vergessen der Bilderrahmen mit den beiden Buben meiner Freundin, kleine Feuerwehrmänner neben großen Feuerlöschern. Jeder, wirklich jeder, der dieses Foto sieht, schmilzt mit einem süüühhüüüß dahin.

Und dann ist da noch der kleine Baseball, den mir ein Freund geschenkt hat mit den Worten:
„Wenn es dir irgendwann mal schlecht geht, dann wirf mir diesen Ball zu. Ich schnapp ihn.“

Irgendwie alles kleine und wertvolle Gegenstände.
Und die bleiben an Ort und Stelle.
Mir doch egal, wenn der Chef oder die Kollegen vielleicht doch heimlich darüber lästern sollten. Es macht mein Büro wohnlicher, gibt ihm einen gewissen Anstrich von Wohlfühlwollen. Schließlich verbringe ich hier vierzig Stunden und mehr pro Woche.

Und Sie?
Welcher Nippes befindet sich bei Ihnen ganz diskret in der linken Schreibtischecke?
Oder darunter?
;-))

Foto: meins, das ist nämlich der Kussfrosch und den mag ich

Autor:

Annette Kallweit aus Düsseldorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

13 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.