Nicht nur zur Karnevalszeit

Nach diesem Tag gehen sie auf dem Zahnfleisch. Davon reden sie lautstark hinter ihrer Theke und man sieht es ihnen, trotz ihrer lustigen Aufmachung auch an. Die eine hat sich ein paar rosafarbene Öhrchen, die bunt blinken, an einem Haarreifen aufgesetzt, die andere hat sich schwarzrotgoldene Devotionalien, vermutlich Überreste der Fussball WM 2010, umgehängt.

Als Februarkind habe ich, wie in diesem Jahr, hin und wieder an Karneval Geburtstag. Aus diesem Anlass habe ich für Sonntag die Nachbarn eingeladen. Da mein Vorgarten an Pflege nicht dem Standard entspricht, will ich die Gelegenheit nutzen, um einmal wenigstens die allgemeinen Erwartungen zu erfüllen: Ich brauche Berliner.

Aus dem Kabuff für die Mitarbeiterinnen der Bäckerei scheppert Karnevalsmusik. „Zeig mir mal die Möpse“ höre ich und frage: „Stimmt es, dass Sie am Sonntag geöffnet haben?“ Als die schwarzrotgoldene Dame meine Frage bejaht, setze ich an zu einer Bestellung.
Nein, ein Partyrad gebe es sonntags nicht. Nein, Zwiebelbaguette gebe es sonntags auch nicht. Nein, Stuten …

Naja, eigentlich will ich ja auch vor allen Dingen Berliner.
Während ich noch rechne, wie viele mein Portemonnaie wohl hergibt, fällt mein Blick auf die „Jeckenpalette“ - ein Rundumschlag an Berlinern und sonstigem Karnevalsgebäck für den Vorteilspreis von schlappen 10 Euro.
Die aufmerksame Verkäuferin kann Gedanken lesen: Die Jeckenpalette gebe es sonntags eigentlich nicht. Ich klammere mich an den Funken Hoffnung, der in ihren Worten steckt. „Eigentlich nicht, oder auf gar keinen Fall nicht?“
Dank meiner guten Argumente schafft es die Jeckenpalette auf die Bestellliste. Immerhin. Der momentane Inhalt meiner Geldbörse würde jedem eingeladenen Nachbarn einen dreizehntel Berliner gewähren. Meine persönliche Todo-Liste wird um den Punkt „Vorgarten in Standardzustand versetzen“ erweitert.

Es hat sich mittlerweile eine beachtliche Schlange hinter mir gebildet.
Der Mann neben mir gibt ein lautes „Grmpft“ von sich. Er will wohl auch langsam mal einen Blick auf die Möpse werfen. Ich äußere Zweifel, dass er auch in Zukunft Kunde sein wird, doch die Damen beruhigen mich: „Der kommt schon seit Jahren immer wieder.“ Trotzdem stöhnt die Verkäuferin mit den Blinkeohren unüberhörbar. Ich sage: „Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an, Sie feiern doch hier nur den ganzen Tag.“
„Auf welchen Namen, bitte, geht die Bestellung?“
„Zimmermann.“
„Du Ei! Na, das passt ja heute.“
Die Hände zum Himmel, weil ich ihren Sinn für Humor offenbar richtig eingeschätzt habe.
„Ja, sehen Sie, ich darf mich nie anstellen, bei mir ist jeden Tag Karneval."

Wir flachsen noch eine gute Weile. Als ich das Bäckereigeschäft verlasse, bleibt mir nur zu hoffen, dass ich die allgemeinen Erwartungen in Sachen Backwaren auch nur ansatzweise erfüllen werde. Ansonsten ziehe ich aber glücklich und zufrieden von dannen, habe ich doch heute geschätzte dreiundzwanzig neue Freunde in Erkrath gefunden: Zwei freundliche Bäckereiverkäuferinnen und ihren Laden voller Kundschaft.

NACHWORT:
Es gehört schon Einiges dazu, um sich als erwachsener Mensch ein albernes Krönchen aufzusetzen und sich unter ein Volk zu mischen, das noch viel albernere Kopfbedeckungen trägt.
ABER: Das Leben ist es wert, hin und wieder gefeiert zu werden. Nicht NUR, aber auch an Karneval!

Oder am eigenen Geburtstag: Mit das schönste Geschenk an diesem Tag war für mich, das Geburtstagsständchen ”lang zal ze leven”, zu dem ich die Kapelle, die extra aus Amsterdam (meinem Geburtsort:-) zum Unterbacher Karneval angereist war animieren konnte.