Mädchen mach dir Locken, dann bleibst du auch nicht hocken...
Kennen Sie noch die Zeit, als sich die Frauen die Haare auf Lockenwickler drehten ? Ich wurde hineingeboren in diese Zeit und würde mich nicht wundern, wenn meine Mutter bei meiner Geburt gerade mal Lockenwickler im Haar gehabt hätte.
Bei uns im Dorf an der Mosel gab es das obligatorische Bad am Samstagabend nach der mittäglichen Beichte. Und nach dem Bad wurden die Haare der Frauen aufgedreht auf Lockenwickler. Sehr geschickte Frauen konnten das alles selbst – die etwas armlahmeren Damen bekamen Besuch aus der Nachbarschaft und dann wurde die hintere Partie von der Nachbarin aufgedreht. Die Nachbarschafts-Lockenwickler-Eindrehungen hatten eine unendlich soziale Funktion. Hier wurde im höchst intimen Setting über ALLES geredet, was absolut geheim zu halten war und was dann spätestens ab Montag die Runde durch das Dorf machte. Wer fremd ging, wer schwanger war, ohne es zu wissen und wer demnächst bauen würde. Ob der Bäcker weiter macht mit seiner Backstube oder ob er vom Metzger aufgekauft wird – ob der Dorfschellen-Bote, der die Neuigkeiten laut ausrief auf der Strasse, es weiter machen würde, oder ob die Verbandsgemeinde seine Tätigkeit einstellt und stattdessen Aushänge über die neuesten Geschehnisse des Dorfes in drei Kästen aushängt.
Ich bin mit Lockenwicklern groß geworden und im Teenageralter durfte ich mir erstmals die Haare aufdrehen lassen. Mutter machte das und das tat, zugegebenermaßen, recht weh. Denn es sollte doch „ordentlich“ sein. Ich frage mich heute, ob es ordentliche Locken überhaupt gibt, oder ob das nicht ein Widerspruch in sich ist. Nein, es ist kein Widerspruch ! Der Sinn der lockenaufgedrehten Haare war die „Ordnung“ auf dem Kopf. In einer stets gleichen Reihenfolge wurden die Haare aufgedreht. Oben auf dem Haupt nach hinten und an den Seiten nach unten. Ein ordentlicher Kopf mit fest sitzenden Locken, gestärkt mit Taft, war das Ergebnis. Das konnte kein Windsturm zerstören.
Es gab diverse Lockenwickler. Die schönsten hatte natürlich der Dorffriseur, der „Ferd“. Ich träumte immer davon, solche Lockenwickler zu besitzen, wie der „Ferd“. Selbstverständlich gab es die nirgendwo zu kaufen.
Der „Ferd“ hatte große bunte Lockenwickler in allen Farben, die mit einem kleinen Spieß befestigt wurden – später hatten die so eine Art Klettverschluß und hielten von alleine. Aber wir zu Hause hatten Lockenwickler von „Woolworth“, die ich im nachhinein ziemlich doof fand. Aber: man konnte darauf schlafen, weil sie nachgaben und weich waren.
Das waren Lockenwickler, die sahen aus, wie geflochten, waren aus Plastik und hatten an einem Ende ein befestigtes Gummiband, das man am anderen Ende mit einem Knopf in den offenen Wickler befestigen konnte. Die gab es in allen Größen. Je größer, desto teurer. Da meine Familie arm war, reichte es immer nur bis zur mittleren Größe und ich träumte davon, einmal eine Tüte voll von diesen Wicklern zu haben, die alle mächtig groß waren.
Je größer die Wickler, desto sanft lockiger war das Ergebnis am Sonntagmorgen. Ja, am Sonntagmorgen ! Nach dem Bad am Samstagabend wurden die Haare aufgedreht und nachdem ein Netz oder ein Kopftuch darüber gezogen wurde, damit es nicht verrutscht, ging man damit ins Bett. In der Nacht geschah auf geheimnisvolle Art und Weise das Wunder der Trockung und der Lockenentstehung und wenn man die Wickler morgens rausnahm, tat zum einen der Kopf nicht mehr weh und zum anderen sah man aus, wie aus der Fernsehsendung „Dallas“.
Mit diesen herrlichen Haupthaaren ging man dann sonntags morgens in die Kirche – eingesprüht mit Drei-Wetter-Taft und es hielt manchmal sogar noch bis Montagabend.
Selbstverständlich hatten meine Freundinnen die besseren Lockenwickler, die bunten, großen, von denen ich immer geträumt hatte. Aber meine Familie blieb den „Woolworth-Lockenwicklern“ treu und es gab kein Erbarmen – bis ich endlich in die Lehre kam und vom ersten selbst verdienten Geld mir auch diese großen bunten Wickler kaufen konnte. Ja, ich sah danach wirklich besser aus auf dem Kopf !
Der Vorläufer all dieser herrlichen Wickler waren die Papilotten – damit wurden die Haare auf Papier gedreht – auch mit einem Gummi, der oben reingesteckt wurde in das leere Papilottenloch. Aber diese ordnen wir mal schnell den Französinnen und Luxemburgerinnen zu, die ohnehin immer schöner waren, als wir Dorfbewohnerinnen. Meine persönliche Vision – vergessen Sie es schnell !
Es gab auch noch die Wellenreiter-Klammern. Die habe ich noch viele Jahre benutzt, um so eine Elvis-Schmachtlocke über der Stirn zu haben. Früher hatte meine Tante die über das gesamte Haupt verteilt – und wenn ich heute Fotos von ihr sehe, denke ich „Donnerwetter, die sah aus, wie Greta Garbo“. Ob Greta Garbo die auch benutzt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
In meinem Dorf klingelten regelmäßig drei unterschiedliche Herren an der Tür. Das waren die Zeugen Jehova, der Stromableser und der Vertreter von „Vorwerk“. Sie erinnern sich an die Staubsauger mit dem grünen Beutel ? Klar doch ! Nun hatte „Vorwerk“ ein Novum erschaffen: eine aufblasbare Trockenhaube ! Vom Staubsauger wurde das Saugteil abgeschraubt, es wurde was anderes drangeschraubt und dieses Etwas mündete in der aufblasbaren Trockenhaube. Fortan mußten alle Koboldbesitzerinnen nicht mehr nachts auf den Wicklern schlafen – die Trockenhaube vom Staubsauger sorgte dafür, das die Damen schon am Samstagabend frisch frisiert ausschauten. Damit das bis zum andern Morgen bis zum Kirchgang hielt, wurde in der Nacht fein säuberlich ein Netz über die Lockenpracht gezogen. Einer nach dem anderen saß unter der Staubsaugertrockenhaube am Samstagabend, zog sich sein Netz über das Haar und Papa mußte den Fernseher mit „Wim Tölke-Show“ lauter drehen, damit er gegen das Staubsaugertrockenhaubengeräusch noch was hören konnte. Die Gemütlichkeit war dahin !
Aber sie kehrte alsbald zurück, weil pfiffige Fabrikanten den elektrischen Lockenstab erfunden hatten. Mit diesem Lockenstab war alles möglich – man konnte ihn gar als Tauchsieder benutzen – aber umgekehrt war es nicht möglich !
Der gute alte Tauchsieder ! Aber das ist eine andere Geschichte und so soll die Geschichte der Lockenwickler hier enden.
Nicht ohne nochmal eine Erinnerung zu beschreiben an die wunderschöne Insel Kuba, die ich in den achtziger Jahren bereiste. Hier liefen den ganzen Tag über die Frauen mit Lockewicklern herum, so wie damals in meinem Moseldörfchen. Und abends, zur Dancing-Time in absolut dunklen Diskotheken, ja, da waren sie dann ohne diese Pracht auf dem Kopf eher schwer zu sehen, weil es so dunkel war.
Heute denke ich manchmal, das wir Frauen mit Lockenwicklern auf dem Kopf hübscher aussahen, als mit der „Bretti-Frisur“, war doch das Gesicht befreit von der „entstellenden“ Haarpracht, was ja wieder ein Beweis dafür sein könnte, das ein kurzer flotter Haarschnitt uns Frauen von der Idee „Hoffart muß Zwang leiden“ befreit und uns auch wesentlich besser kleidet. Fragen Sie mal den Udo Waltz !
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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