In Kolkata (Calcutta) Stadt der Göttin Kali - und weitere Impressionen aus Indien
Im Alter 60 Plus lässt es sich noch gut und interessant reisen, auch ohne Wellness. - Indienreise von Helmuth Haensch. - 1. Januar bis 20. Februar 2013, sieben Wochen.
1. BERICHT / IN CALCUTTA (KOLKATA) / DIE HÖLLE AUF RÄDERN
Der erste Eindruck von Calcutta, heute Kolkata, machte mich - vom Flughafen „Dum Dum International Airport“ auf dem Weg in die City - eine Weile sprachlos, wegen dem furchtbaren Strassenlärm, dem vielen Staub und dem ungewöhnlichen Schmutz sowie den vielen Menschen (14 Mio im Großraum Kolkata / Calcutta) und tausenden Strassenläden und Garküchen. Uberall wird im Freien gekocht, auch mit Lagerfeuer am Strassenrand, neben den rasenden Bussen, alle Autos hupen immer (!) von morgens um 5 bis 12 h nachts, alle laufen über die Strassen, ungeordnet wie Hühner, Leute schlafen auf dem Bürgersteig, auch neben den Schienen der Railway, von meinem Guesthouse „Sona“, Lake Road, nur 200 m entfernt.
Eine Strasse weiter haben Freunde aus Düsseldorf, Gaby und Babu, eine Wohnung. Sie verbringen alle Jahre 3 Monate in Kolkata sowie in einem Haus auf dem Land und haben viele Verwandte und Freunde in der Stadt. Gaby und Babu und ihre Verwandten haben mich mehrmals ins Theater eingeladen zu Tanz und indischer klassischer Musik.
Überraschend nette Menschen sind die Inder, immer freundlich.
Mein Guesthause "Sona" (Pension mit Dusche und TV) in Süd-Calcutta am Rande der Innenstadt befindet sich in der Lake Street am Stadtsee. Unter der Hochstraßenbrücke in der Nähe haben sich eine Ansammlung von Obdachlosen in Bretterbuden einrichtet, die Frauen arbeiten am Strassenrand und spülen Topfe und Teller bis spät nachts an einem Gully mit Brunnenwasser. Einen Brunnen mit Schwengel gibt es überall in den Straßen von Kolkata. Dort wird auch gewaschen und gebadet, d.h. mit einem Eimer und einer Konservendose. Die Männer der Spülerinnen fahren Lastautos, schlafen nachts daneben auf den Strasse auf Zeitungspapier und passen auf, dass niemand an den Laster geht.
Es gibt auch nicht weit weg eine „South Mall“ für Reiche und den neureichen Mittelstand, so ähnlich wie wie die Schadow- oder Bilker-Arkaden in Düsseldorf, für die moderne indische Upperclass. Dort ist Einlass nur mit Policecontrol und Privatsecurity und Handtaschenabgabe, die Reichen und Neureichen kaufen europäisch ein, sehr teuer wie auf der "Kö". Die Kinder und jungen Leute spielen mit ihren Handy und essen Hamburger, viele sind sehr dick, sie haben die modernste Modekleidung an wie in Deutschland oder USA, auf grossen TVs laufen Bollywood-Filme und viel Werbung. Die indischen Girls wollen gerne im Film auftreten und sich romantisch verlieben und reich einheiraten. So wie bei uns auch. Es gibt in der Mall auch einen englischen Supermarkt und 3 Kinos, die teuren Platze sind Liegeplätze, dort verstecken sich die jungen Liebespaare, weil sie sich sonst nicht treffen können ausser tagsüber am Seeufer im Southpark, wo ich wohne und wo nachts jede Menge Hunde herumstreunen.
Diese Woche ist ein grosses Fest für ganz Indien im Bereich der Gangesmundung, wo Ganges und Brahmaputra im Delta zusammen kommen. Es haben sich 100 000 Menschen versammelt, die teilweise nackt ins Wasser gehen mit TV-Ubertragung. Bis dorthin sind es von Kolkata noch 80 km. Gestern waren wir in der City in der St. Pauls Cathedrale und im Schloß der Queen Victoria (Victoria-Memorial), heute ein Museum, sie ist 1901 gestorben. Es ist ein riesiger Palast aus Marmor (Foto), damals war Kolkata (Calcutta) die Hauptstadt bis 1911. Kolkata ist heute die Hauptstadt des Bundestaates Westbengal.
Der Name Calcutta (Kolkata heute ) leitet sich von Kalikata ab und bedeutet „schwarzes Tor“ oder „Tor der Göttin Kali“. In Kolkata gibt es keine Ansichtskarten zu kaufen, ich habe viel herum gesucht, bis mir die Oxford-Buchhandlung in der Parkstreet empfohlen wurde, die von den Touristen aus den Edelhotels im Zentrum angelaufen wird. Es gibt nur wenige Touristen, und auch die Inder senden inzwischen ihre Grüsse per Mobilphone plus Foto.
Am 20. Januar geht es mit dem Nachtzug nach Benares und Sarnath, von wo aus Buddha vor 2.500 Jahren den Buddhismus, die Religion ohne Götter, verbreitete. Ich habe mich nach einer Woche inzwischen an fast alles gewohnt, es lässt sich aushalten, weil alle Inder sehr höflich sind. Essen gibt es hier genug, weil Bengalen sehr fruchtbar ist, ein Essen kostet ca. 70 Rupies, das sind 1 Euro, 1 Flasche Wasser 15 Rupies, Bus 10 Rupies, Taxi 10 km 100 Rupies. Auf den Straßen sind viele Staus, mit dem Auto geht es langsam, es gibt auch Rikschaws mit einem Barfussmann oder einem vorgespannten Fahrrad, aber nur in den Nebenstrassen.
2. BERICHT / KOLKATA IST DIE FRÜHERE HAUPTSTADT / IM KALIGHAT-TEMPEL AM HOOGLY-UFER (GEHÖRT ZUM GANGES)
Hier in Kalkota gibt es ganz wenige Strassencafes, nur Restaurants und recht unansehnliche Kochbüdchen. Man muesste dann z.B. ins "Oberoi" gehen, berühmt mit 5 Sternen, dort werden zuerst die Schuhe angeschaut, mit Schlappen oder Sandalen kommt keiner rein. In der Nähe in der Parkstrasse (die Kö von Calcutta) gibt es eine einzige Buchhandlung mit Ansichtskarten, wobei ich gespannt bin, ob die ankommen, denn die Briefkasten sind verstaubt und kaum erkenntlich (sie kamen an). Wie alles auf den Strassen dermassen verstaubt und auch vernachlässigt ist, dass ich es nur noch schrill finde.
Heilige Kuehe gibt es hier in der City nicht viele, dafür jede Menge "heilige Hunde", die uberall herumliegen, niemand gehören und die Müll fressen, sie sind friedlich und werden sogar im Tempel geduldet.
Es gibt jede Menge leerstehende Hauser oder solche, die so aussehen, selbst in den besten Strassen der City. Der Grund ist - so höre ich - eine englische Gesetzgebung von vor 100 Jahren, wonach jeder machen kann was er will als Eigentuemer, beim Tod wird bis zu 100 Jahren nach Erben gesucht, solange steht alles leer. Es gibt Grundstücke mit ehemals edlen Palasten, die schon so lange leer sind, dass dicke Bäume durch die Hausmauern gewachsen sind. Wenn jemand im Knast sitzt, bleibt sein Haus leerstehen, ob Wohn- oder Geschaftshaus, egal ueber Jahre. Davor wird Müll hingeworfen, wie ueberhaupt uberall Müll liegt.
Jede Menge Leute auf den Strassen gibt es, tagsüber und nachts, die auf dem Trottoir schlafen mit einer Zeitung unten und einer Decke oben. An einer grossen Kreuzung, wo der Verkehr von 5 Strassen tobt (die Hölle auf Rädern) steht am Rinnstein ein ca. 3 Jahre altes nackten Kind, an dem in 1.50 m Entfernung der schlimmste Verkehr vorbei rauscht, den ich je kennen gelernt habe. Dahinter die Mutter mit einem Holzfeuer und einem Kochtopf. Dies ist überall zu sehen, in den Seitenstrassen noch mehr. Obwohl die Leute dabei lustig sind und immer freundlich.
Alle Autos, Busse, Motorräder und Tuktuks tuten ununterbrochen rund um die Uhr. Von meinem Guesthaus hoert sich das an, wie in Deutschland bei Demonstrationen mit Trillerpfeifen, nur lauter. Irgendwie sind die Inder meschugge geworden. Oder waren es immer schon.
Von meinem Guesthouse 100 m enfernt, kommt morgen der indische Prasident Mukerjkee zu Besuch, es ist sein altes Familienhaus, nun werden aus Bambus Absperrungen hingestellt und ein paar Polizisten stehen mit Gewehren herum. Deswegen habe ich eine Kopie meines Reisepasses eingesteckt, falls ich kontrolliert werde.
Direkt gegenueber von dem Haus des Präsidenten( sowas wie bei uns der Gauck) sitzen bis in die tiefe Nacht ca. 5 Frauen mit kleinen Kindern, die im Rinnstein Toepfe und Teller von den Kochbuden und Restaurants waschen. Das Wasser kommt auf einem Schöpfbrunnen wo man so einen Henkel bewegt, der Ausguss ist der Gully. Daneben sind eine Reihe Bretterbuden, in denen die Leute wohnen, die Maenner arbeiten als Tageloehner und Lkw-Fahrer, einige schlafen auf der Strasse. Links und rechts hohe Muellhaufen, auf denen Raben sitzen und Plastiktüten aufpicken.
Gestern waren wir mit dem Privatauto am Ganges, der durch die Stadt fliesst. Mit Chauffeur, denn Gaby und Babu trauen sich nicht selber zu fahren. Wegen Staus brauchten wir 1 Std. Dort ist der „Dakshineswar Kali Tempel“ mit einem Riesenandrang von Gläubigen und Pilgern. Ich durfte die Goettin sehen, eine schwarze Figur mit viel Gold und mit Totenschädeln als Kette um den Hals. Kali ist beliebt, denn sie straft die Bösen. Dort bekam ich einen roten Punkt auf die Stirn und habe 50 Rupies geopfert, ca. 1 Euro, was hier viel ist. Es ist dramatisch, die Leute schreien und weinen und brüllen ihre Wünsche, ringen die Hände und sind völlig aus der Reihe. Es ist so wie in Lourdes, nur urtümlicher. Die Priester schreien: Weitergehen, weiter!
Draussen ist der Opferstein, es wurde zwei kleine schwarze Zicklein getötet, ihre Gedärme und Köpfe lagen danach auf dem Boden. Arme Tierchen... Viele Pilger kommen aus fernen Dörfern und waren tagelang unterwegs, sie schlafen in grossen Freiluft-Hallen auf dem Boden, waschen sich an Ziehbrunnen. Dann gehen die Leute in den Ganges, 3 mal so breit wie der Rhein, waschen ihre Kleidung (das Wasser gilt als heilig) und trinken eine Dose von dem Wasser. Der Fluss heisst Hoogly und ist ein Nebenarm des Ganges.
Alles sehr lustig. Wir haben an einer grossen Kochbude Mehlpfannekuchen (Lutschi) gegessen, sie werden von fast nackten Männern geknetet, die am Boden sitzen mit schmutzigen Füssen. Sie werfen die Kuchen auf 3 m Entfernung in eine Riesenpfanne von 2 m Durchmesser voller heissem Oel. Jetzt habe ich Durchfall („Delhi-Belly“ genannt) – wohl eine Strafe der Göttin Kali fuer ungläubige Touristen wie mich.
In der Nähe am Ganges ist ein Park mit Affen und kleinem Nachwuchs, sehr putzig, sie stehlen gerne Brillen, man soll aufpassen. Dann gingen wir zu den Verbrennungsstätten, dort wurde gerade ein Haufen Holz angezuendet. Es war ein Mann von ca. 50, die Füsse und der Kopf guckten heraus. Die Verbrennung dauert ca. 1 Std. Dann wird eine kleine Menge der Asche in die "Mutter Ganga" geschuettet. Wohlhabende Inder können sich dafur ein Boot leihen.
Ohne die Freundlichkeit der Menschen hier untereinander würde die Stadt sozial explodieren, denke ich manchmal.
Am Sonntag gehe es mit dem Nachtzug nach Bodhgaya und danach nach Benares. Dort soll es ruhiger sein, heisst es, jedenfalls vom Strassenverkehr her. Ich bin gespannt, wie ich das überlebe...
Ich bin schon soweit, dass ich alles eigentlich fast normal finde.
3. BERICHT / KOLKATA, VIELFÄLTIG UND MIT VIELEN ÜBERRASCHUNGEN
Gestern sind wir mit dem Taxi in die City (dauert 1 Stunde, viele Staus), in den Stadtteil, wo die Buecher auf der Street verkauft werden, alles in Englisch, Bengal und Hindi, doch sehr interessant. Ein ganzes Stadtviertel. Dazwischen kleine Druckereien, Esstände, Kokosnuss-Trinkanbieter und Zuckerrohrsaftpressen. Erstaunlich: Ausgerechnet Hitlers "Mein Kampf" wird angeboten in englisch in mehreren verschiedenen Druckausgaben, angereichert mit Fotos. Es gibt kaum Buchhandlungen wie bei uns, so dass die Studenten und andere Leute ihre Sachen an den Strassenbuden bestellen.
In der Nähe befindet sich die groesste Universität der Stadt. Mitten im Gewuehle ist ueber den Bücherständen im 1. Stock eines Hauses das einzige groessere Cafe weit und breit. Dort gibt es echten Cafe, der auch schmeckt (15 Cent). Das Cafe ist eine Seltenheit (abgesehen von ein paar teuren US-Kettencafes). Im Riesensaal sitzen viele Studenten und auch anderen Peoples, es gibt auch preiswert zu essen. Alle sind sehr freundlich, freuen sich ueber die Auslaender, die den Weg zum Cafe gefunden haben.
Dann gingen wir zum "Künstlerviertel", dort werden die Figuren für Feiern etc. hergestellt. In engen Gassen, so gross wie die Altstadt von Düsseldorf, stehen sie: Kali, Ganesha mit seiner kleinen Ratte, Shiwa und alle weiteren, auch Hanuman, der Affengott. Diese Figuren von 10 cm bis 3 Meter Größe werden aus Stroh und Draht gebunden und geflochten, dann mit Gangeslehm beklebt, der dann trocknet, dann kommen die Feinheiten, zum Schluss die Farben und der Flitter. Sehr gut gemacht in dunklen kleinen Werkstaetten. Am Strassenrand stehen in Reih und Glied jede Menge unbekleideter schoener Frauen (Goettinnen), noch unbemalt, aber schon ansehnlich geformt. Ja da macht das Fotografieren Spass!
An einer kleinen Bretterbude haben wir Bethelnuesse gekaut, das schmeckt ein wenig wie Muskat, dazu einen "Rauschtabak" gegessen und ein Blatt, gefuellt mit stimulierenden Gewuerzen verspeist. Dadurch wird man ein wenig Lala im Kopf.
Passend dazu ist das angrenzende Viertel dem Rotlicht gewidmet. Dort stehen an der lärmenden Durchfahrtsstrasse Inderinnen stark geschminkt, aber auch Transvestiten, noch mehr angemalt und lachen jeden an. Oder tun so. Alle im Sari (Saree), ein sechs Meter langes Kleid, dass 90 % aller Inderinnen tragen. Die Transen, sie nennen sich "Hijras" und betrachten sich als das 3. Geschlecht, gehen sogar ans Autofenster im Stau und gucken einem ins Gesicht als wollten sie sagen: Komm du unschuldiger Touri, ich zeige dir was ganz Neues!!
Es gibt erstaunlich viele christliche Kirchen in Calcutta, fast alle sind mit Schulen versehen, in die die einheimische Mittelschicht ihre Kinder schickt, weil sie gut sein sollen. Die Kinder haben Schuluniform, wer kein Geld dafür hat, muss in die öffentlichen oder einfachen Schulen am Stadtrand mit langen Anfahrten. Wenn ueberhaupt.
Uberhaupt ist hier viel Gewese mit dem Mittelstand, d.h. den Neureichen und sozialen Aufsteigern. An die 300 TV-Sender senden im Überfluss Reklamebotschaften aus für Hautcreme und Diamanten und elegante Autos, lange Sendungen ueber Shareholder Values (Aktienkurse) vermitteln den Eindruck, als wuerden alle Europaer und US-Leute Tag und Nacht an der Börse spekulieren und als sei es der Sinn des Lebens, zu wissen, wo die Aktien von Tata (grösster India-Concern) und Mercedes und Apple und Pepsi Cola stehen. Finanzberichte laufen unter dem Titel „Money-Mantra“. Absurd, wenn man bedenkt, dass die Obdachlosen von 20 Rupien (15 Cent) am Tag auf der Strasse leben und sich an einem Gullybrunnen waschen, auch dort kochen und schlafen.
Es gibt auch so eine Art Bildungswahn mit den Schulen und den weiterführenden Colleges. Dies führt dazu, dass Mütter bzw. die Nannys die Kinder wohlhabender Familien in die besseren Schulen bringen, dann gemeinsam mit anderen Müttern oder Nannys vor der Schule im Garten oder an der Straße sitzen und plaudern und stricken und warten, bis die Kinder wieder heraus kommen. Was auch mit den langen Anfahrtzeiten zu tun hat, denn manche Kinder und Mütter sind 2 Stunden unterwegs, allein für eine Strecke. Überall wird auf Plakatwänden wird geworben für Nachhilfeunterricht.
Ja, der Präsident von Indien, Mukerhjee, war in "meiner" Strasse, Lake End Road. 20 Polizeiautos, viele Polizisten in edlen Uniformen standen vor dem Elternhaus des Präsidenten. Auf dem Weg zum Guesthouse "Sona", das 100 m nach dem Haus des Präsidenten liegt, wurde ich am Durchgang einer Sperre aus Bambusstangen pruefend angeguckt, dann wusste der wachhabende Officer sofort: Keine Kontrolle notwendig - er ist ein guter Tourist! Das kann ich mir in Deutschland kaum vorstellen, bei uns würde die Security-Truppe der Polizei im Sechseck springen und meinen Ausweis und meine Schuhe mit dem Röntgengerät durchleuchten auf der Suche nach einer geheimen Todesmaschine ...
Auch die Tellerwäscherinnen zehn Meter gegenueber dem Prasidentenhaus haben derweil fleissig im Rinnstein ihr Geschirr gespuelt, wie immer. Bloss mit dem Unterschied, dass Beamte morgens den ganzen Rinnstein links und rechts in der Strasse mit einem weissen ätzenden Pulver gegen Ungeziefer beschuettet hatten, in dem nun die halbnackten kleinen Kinder lachend herumliefen.
Alle Menschen hier sind durch die Bank gut gelaunt und lässig, auch wenn sie 5 min. an der Ampel warten muessen. Wenn diese auf Grün oder Rot geht, erscheint auf einer 2. Lampe die Zahl 150, die dann langsam runtergeht bis auf Null. Dann wechselt die Farbe und man/frau kann gehen. Soweit die Theorie, aber viele rennen zwischen dem Autogewuehle hindurch, bleiben in der Mitte stehen, gehen weiter. Und alle Fahrzeuge tuten ununterbrochen. manche mit Stakkato: taat taat - tut-tut-tut. Und das total laut.
Die Busse sind furchteregend, sichtlich ramponiert, laut, die Leute springen waehrend der Fahrt ab und auf. Der Conducter (Schaffner) steht in der Tuer und schreit an der Haltestelle, wohin es geht. Laut und schnell. In einer Hand hat er zwischen allen Fingern Rupienscheine, das Kleingeld in einer Ledertasche, innen ist es eng, die Plaetze fur Frauen sind vorne extra, damit sie nicht sexuell angetatscht werden. Will jemand waehrend der Fahrt aus- oder einsteigen, klopft der Schaffner mit der Hand 2-mal an das Tuerblech (die Tuer ist immer offen).
Wegen der Vergewaltigung und Ermordung der Frau in Neu-Delhi gab es einige Demonstrationen in der Innenstadt (Foto), aber auch in unserem Stadtteil Gariahat. Es waren meist junge Leute beiderlei Geschlechts, die mit Megaphonen durch die Straßen liefen, alles ist dann für den Verkehr gesperrt, sehr diszipliniert, auch die Polizei. Die Autofahrer und Passanten mussten warten, wer sich ueber die Strasse zwängte, wurde zurueckgeschubst und ermahnt.
Ich bin mehrmals auch Bus gefahren, aber nur in Begleitung, es ist eigentlich schon praktisch, sie fahren sehr häufig, kosten 5 Cent, ausserdem gibt es drei Sorten Busse: die sehr vollen, dann die, in die nur soviel Passagiere hineingelassen werden, wie Sitzplaetze vorhanden sind, dann die edlen teuren mit dunklen Fenstern und Klimaanlage.
Manchmal denke ich, die Rheinbahn AG in Duesseldorf sollte ihre Fahrer hierher schicken zum Praktikum, hihi - Da koennten sie mal echt Bus fahren lernen.
Die Rikschaws, gezogen von Maennern, meist barfuss, gibt es auch, sind aber nur in den Nebenstrassen erlaubt. Die muss ich auch noch probieren. Die Fahrradrikschaws sind in der Mehrzahl, recht gemuetlich geht es voran, des öfteren muss man sich festhalten am Gestänge.
Es ist eine Kältewell angesagt, die Inder laufen mit Ohrenklappen herum bei 15 Grad Plus. Warum? Gaby sagt, die Inder meinen, dass die Kälte vor allem ueber die Ohren eindringt. So wie wir in Europa meinen, warme Füsse und dicke Schuhe seien vor allem wichtig, so wickeln sich die Inder Tücher und Decken um Kopf und Oberkorper und setzen die Ohrenschuetzer auf sowie einen Schal um Kinn, Ohren und Kopf. Aber die Füsse bleiben nackt in den dünnen Schlappen, very seltsam.
Soweit for today, jetzt gehe ich in mein Zimmer und schau, ob das Licht wieder brennt.
4. BERICHT / MIT DEM NACHTZUG UNTERWEGS
Es geht weiter mit der Reise, die doch überraschender ist, als ich dachte. Vom Himalaya kommt eine Wetter-Kaltfront über ganz Nordindien.
ICH UNTER DEM BODHIBAUM
Acht Stunden von Kalkota Richtung Norden. Im Hauptbahnhof „Howrah“ am Ganges war ein großes Gewimmel. Dann 20.15 h pünktlich Abfahrt nach Goya. Jede halbe Stunde wurde es 1 Grad kalter, von 21 bis dann auf 5 Grad. Es war ein Expresszug, einen halben km lang, aber er hielt ca. 30 mal in kleinen dunklen Orten, wo Leute auf dem Bahnsteig schliefen und andere mit Koerben und Kisten auf dem Kopf ein- oder ausstiegen.
Liegewagen heisst Reservierung, aber mir gegenueber sassen eine Oma und Opa vom Dorf mit ihrem Enkel von ca. 20 Jahren, und die bekamen Aerger. Denn den hatten sie hereingeschmuggelt. Der Schaffner kam mit seinem Gehilfen und pruefte Karten und Ausweise, dahinter ein Uniformierter mit Maschinenpistole. Langwierige Diskussionen folgten, alle lauschten begierig. Die Frau zeterte und schrie erbost immer wieder so etwas wie: "Was wollt ihr denn, er sitzt ja nur hier, er tut ja nichts!" Aber er musste nach langen Verhandlungen blechen. Die Fahrt in der Eastern Railway of India kostet für 800 km nur 154 Rupien, ca. 2 Euro. Was aber für die Bauern viel ist.
Untrennbar – die Inder und ihre Essenkännchen
So um 11 h legten sich alle hin oder in den Schneidersitz. Dann - wie auf Kommando - kamen Plastikdosen und Essenkännchen und Tüten zum Vorschein. Es wurde gefuttert. Ein allgemeines Scharren und Kratzen, die Inder essen nur mit der rechten Hand ohne Löffel. Dann Licht aus und - kalt, kalt, kalt. Alle hatten sich Decken mitgebracht. Der Liegewagen ist ein Blechkasten, alles klappert, überall Ritzen und Löcher, durch die der Wind hereinpfeift. Höllischer Lärm. Wie in einer Maschinenfabrik. Die Schienen rappeln, die Räder klirren, die Bremsen quietschen und stinken nach heisser Luft und Asbeststaub oder sowas. Horrible! Allerhand Händler und Teeverkäufer laufen durch die Gänge.
Ich fing an, gegen Kälte und Lärm zu meditieren, damit ich mein Schicksal ertrage. Morgens um vier war ich ein meditierender Eiszapfen. In Gaya, der Bahnhof voller schlafender Menschen, schlappte ich erschöpft zu den Garkuechen. Hoffnung, Glück und Freude - mein bestellter Reisefuehrer Vikash Kumar war da! Er hatte sich einen Schal um den Kopf gewickelt, vom Kinn über die Ohren und oben rum und sah aus, als hätte er Zahnweh. So sehen Inder aus, wenn es kalt ist oder sie haben eine Wolllmütze auf, jedenfalls frieren sie leicht.
15 km mit dem Dreiradauto durch Nebel und Kälte
Dann die Ernüchterung: Der heilige Ort ist Bodhgaya, 15 km weiter mit dem Tuktuk! Also ins Tuktuk, dem kleinen Dreiradauto ohne Fenster. Boa eyh, was jetzt kam, war selbst fur mich very very unschön. Das Tuktuk pickte sage und schreibe noch 10 Leute auf!! Vorne der Fahrer und zwei Leute, dann ich mit vier Dorfmenschen, dann hinten auf der Ablage 3 Frauen und 2 Kinder. Alle krampfhaft festklammern. Der Reiseleiter meinte entschuldigend, dies ware das "Local-Taxi". Eine Stunde durch die kalte Nacht, 5 Grad, Nebel, Schlagloecher, Lehmhuetten mit Strohdaechern. Die Vorstellung, hier 4 Tage zu verbringen, entsetzte mich.
Aber dann waren die Leute abgeladen, die Sonne ging auf und es erschien plötzlich ein Riesen-Buddha in Weiss, halb so gross wie der Kölner Dom: Bodhgaya, der Ort, wo vor 2.500 Jahren Buddha meditierte und seine Ideen in Sutras zusammenfasste.
Dann plötzlich die Mönche, Hunderte, Tausende - insgesamt 5000 tibetanische Monks waren fur eine Woche angereist fur ein "Warship" (der TV-Sender "phoenix" machte Aufnahmen), was soviel ist wie ein grosser Gottesdienst. Es waren auch viele Nonnen in dem dunkelroten Gewand und sogar Mönchsfamilien dabei - Papa, Mama und Kind, alle den Kopf geschoren und rot gewandtet. Sehr lustig.
Im Zentrum von ca. 100 grossen Tempeln steht der gigantische Buddhatempel mit dem Bodhibaum. Im Herbst 2012 war der Dalai Lama persönlich anwesend mit damals mehr als 100.000 Monks und Pilgern und Touristen.
Auch jetzt im Januar ist ein grosses Festival, ein Warship, uber das ich in der next Mail berichte. Nur soviel: Ein Guru oder Sadhu hat mich gleich am ersten Tag zu sich gerufen (dies sind sehr geachtete Lehrer und Wanderpriester) und sich mit mir auf einer Wiese am Bodhibaum unterhalten ueber Indien und Deutschland.
Sein Name ist Madhu Sudan Foto). Er wies auf eine interessante Verbindung zwischen Indern und Deutschen hin durch die indogermanische Völkerwanderung vor rund 3000 Jahren.
Warum schreibe ich soviel: Weil es keine Cafes zum Ausruhen gibt!
Ein Hinweis zu meinen langen Mails: Dies ist eine Art Schreibmedidation fur mich und eigentlich erholsam zwischendurch, denn was man hier alles erlebt und sieht, ist schon sehr exiting, manchmal auch einfach irre.
Ausserdem kann ich eigentlich nur im Internetcafe einmal ruhig sitzen, wenn auch ohne Kaffee. Was ich als Mail schreibe, ist nur ca. 30 % von dem, was ich sehe.
Ich höre jetzt auf, die PC-Tastatur ist total verstaubt (wie fast alles in Indien) sie streikt und geht nur noch gewaltsam und ich habe Hunger.
5. Bericht / EINE HEILIGE MAIL AUS BODHGAYA: ALLES WIRD GUT
Alles Gute und Grüsse allen Freunden in Deutschland. Ich sage euch, dass meine Mail-Sendung heute nur 100 m entfernt von dem Bodhibaum kommt, unter dem Buddha bzw. damals noch Siddharta, meditiert hat und danach ein neues Dasein begann - also eine heilige Mail today fur euch alle... - Morgen fahre ich nach Varanasi/Benares, dort ist Hinduismus angesagt. Kerzen fur euer Seelenheil und fur Alle habe ich gestern hier am Tempel angezundet - alles wird gut.
Heute war ich in einem Dorftempel, historisch wichtig aus der Zeit Buddhas. Die Tempel haben meist eine Volksschule dabei, wo die Kinder brav auf dem Boden sitzen. Aber vor dem Tempeleingang warten die Bettler, handicaped People, ältere Frauen, auch Kinder, mit krummen Beinen oder blind oder nur einem Arm oder sehr alt oder verkrüppelt – oder alles auf einmal. Erst sind es drei und wenn ich ein paar Rupies gebe, werden es zehn bis 20, so dass ein Getümmel entsteht. Man kann aber auch für die Schule spenden, z.B. 100 Rupies, ca. 1,50 Euro, was dort soviel wert ist wie bei uns 10 Euro. Also habe ich an die Bettler und für die Schule gespendet.
Jedenfalls kann ich schon fur 50 R. ganz gut essen im Internet-Hippielokal zentral in der kleinen City, wo auch Westler hocken mit langen Haaren und deutsche Mädels, die im indischen Kleid und klimpernden Ohrringen die Mala beten, so eine Art buddhistischer Rosenkranz.
Die vielen Hochzeitsfeiern halten mich vom Schlaf ab.
Ich tue bis morgen nur noch relaxen. Dadurch, dass neben meinem Hotel gigantische Hochzeitsfeiern stattfinden, bin ich etwas angemuedet, weil die Musik bis um 4 Uhr geht, volle Lautstärke, mit so kleinen dünnen Stimmchen der indischen Popsängerinnen.
Heute gehts wieder weiter damit, sie haben schon angefangen zu kochen auf Toepfen und Pfannen von 1 m Durchmesser, zehn Frauen schaelen Kartoffeln und zerkleinern Gemuse zu grossen Haufen. Die Maenner ruehren mit Kochloeffeln, so gross wie Besenstiele. - Ich selber esse jetzt meist chinesich, weil das Inder-Essen so unübersichtlich ist und ich den "Delhi Belly" hatte. Aber: Zehn grüne Antibiotika-Pillen aus einer der kleinen Apotheken am Wegesrand - und weg isses! Ohne Doctor und und zum Preis von 50 Cent. Sehr praktisch.
6. BERICHT / ICH FALLE AUF WIE EINE GOLDENE KUH
Es ist hier sehr anstrengend, wenn auch dadurch so interessant, aber jetzt bin ich über alles etwas genervt, und es ist erst die halbe Zeit von 50 Tagen vergangen. Gerade hat der Internet-Cafe-Chef den Generator angeschmissen, laut, weil der Strom weg ist.
Ja freue mich ueber die weisse Pracht von Schnee, die ich im TV in meinem Guesthouse über Deutsche Welle sehe, das ist das schoene romantische Deutschland. Soweit ist es hier noch nicht, aber der Himalaya steht nur 500 km vor der Tür.
Aber erstmal nur erholen - morgen, morgen sagt der erschöpfte Touri. Denn zwei mal Nachtzug in Indien ist ein Superkurs fur Gewichtsabnahme durch Kälte und Stress und grausigen Lärm in dem überfüllten Blechkasten namens Liegewagen, sozusagen ein gesunder Stress, hihi.
Wobei ich gemerkt habe, wie wichtig die passende Kleidung ist. Niemand sagte mir, dass es im Januar kalt sein kann (meine Badehose kann ich vergessen, hier gibt es ueber 1000 Meilen weit kein einziges Schwimmbad - dafur verwette ich mein Badetuch, dass ich nicht brauche). Und der Ganges, so heilig er auch ist, Shiwa habe ihn seelig, hat die Farbe etwa von Dünnschiss (Entschuldigung Rama...).
So bin ich froh ueber meine KIK-Hose fur 12.99 Euro in Khakifarbe mit 6 Taschen, die in Düsseldorf blöd aussah, aber hier genau richtig ist, sogar darin schlafen lässt es sich!
Ich melde mich wieder. Have a nice time!!! - Helmuth, der Krassschreiber
8. BERICHT / DIE HEILIGE STADT VARANASI IST EIN VERKEHRS-KNOTENPUNKT IM NEUEN INDIEN
Also ich werde schon durchhalten. Eben habe ich erstmals in einem einheimischen kleinen Lokal am Wegesrand gegessen. Gegrillten Fisch mit Gemüsereis. Ich esse jetzt meistens Reis, denn die Roti und und Lutschis (gebackene Teigfladen in der Grösse eines Bierdeckels, die Hauptspeise der Inder) sind mir meist zu trocken.
Eben war ich spazieren um die Hotels herum am HBF von Varanasi / Benares. Hier sind einige Herbergen der Mittel- und Unterklasse. Die 5 Sterne sind am Gangesufer und in der City. Mittendrin hier sind Gassen wie auf dem Dorf, eine ganze Kuhherde steht auf einem fussballgrossen Gelaende, die Familien mit kleinen Häuschen dahinter. Die Kühe werden gemolken und sehr gut behandelt, weil wertvoll und heilig. Auch Ziegen sind ebenso wie die Schafe die Sparkasse der kleinen Leute. Es wird an Fleisch nur Schaf, Ziege und Huhn gegessen.
Jede Menge Verkaufsbuden an jeder Ecke, auf der Hauptstrasse der wahnsinnige Verkehr. Familien mit Kindern eilen zwischen Lastern und TUTUTUT ueber die Strasse. An der Tankstelle steht eine Wache mit einem Gewehr, weil nachts schon mal Benzin geklaut wird ohne zu zahlen. Im und um den Bahnhof schlafen oder hocken hunderte Leute mit Körben und Taschen Tag und Nacht, unter sich eine Zeitung. Es ist völlig normal und nicht unbedingt ein Zeichen von Armut.
Die heilige Hindu-Stadt Benares liegt etwa in der Mitte in Indiens und ist ein grosser Verkehrsknotenpunkt mit drei Bahnhoefen und vielen Lastwagen- und Bus-Zentren ausserhalb der Stadt, mit Hunderten von unglaublichen Lastwagen, meist ganz bunt angemalt. Dort sieht es aus wie an der Front, alles aufgewuehlt, die Strassen und Ladeplätze schlammig bei Regen, staubig bei Sonne. Ich meine richtigen Staub, zehn Zentimeter dick. Gestern bin ich mit dem Tuktuk 15 km dort durchgefahren, rumpel, Strassenlöcher so groß wie Fässer, man steckt Eisenbahnschienen hinein und malt sie gelb an, damit die Fahrer sie sehen - Attention please. Sonst Tuktuk verschwunden, hehe. Taxis gibt es hier nicht, wohl Autos zu mieten fur Kurzstrecke.
Nun gehe ich wieder in meine Hütte und ueberlege den kommenden Tag.
8. Bericht SEELENWASCHUNG IM GANGES / 2. Bericht aus dem Hindu-Zentrum
Ich komme gerade von Bahnhof, wo bestimmt ueber 100 Menschen jeden Alters auf dem Boden liegen, aber auf den Bahnhöfen ist dies sowieso normal. Schon jetzt fange ich an, zu gucken wo und wie ich abfahre am 29ten nach Kolkata. Ich habe wieder einen Liegewagen, aber wo? Ist er vorne oder hinten, die Züge sind 800 m lang, einen Einweiser gibt es nicht, 14 Std. bis Kalkota, dann habe ich das schlimmste hinter mir. Rama sei Dank. Dann werde ich in Duesseldorf nur noch Rama zum Fruehstueck essen, hihi
Im Bahnhof gibt es Affenfamilien, die von den Händlern gehasst und verscheucht werden. Ein Affenvater ist gestorben, weil er zwischen Waggondach und Stromleitung kam, er liegt da auf einem Blechdach, Stromschlag, die Muecken sitzen auf ihm, jetzt hat die Affenfamilie Angst, die Kleinen hängen an der Mutter und fiepen.
Nun ist alles schon besser als vor 3 Tagen, als ich aus dem Nachtzug stieg, denn ich habe die Altstadt von Benares entdeckt (heute Varanasi nach dem Varana-River, der in den Ganges fliesst, früher auch Kashi genannt). Und es gibt jede Menge vegetarische Restaurants fur Einheimische, sehe ich, die anderen Speiselokale haben immer etwa die Hälfte vegetarisches Essen. Ayurveda spielt eine grosse Rolle, viele Apotheken haben die Aufschrift "Hahnemann-Chemists", denn er war der deutsche Erfinder der Homeopathie.
Hier herrscht im allgemeinen eine undurchschaubare Bürokratie. Schon das Geld zu tauschen war eine 2-stundige Action, ich musste 6 Seiten Ausdrucke unterschreiben, der Pass wurde kopiert. Wegen Schwarztauschern aus Buthan und Bangladesh. Die Bankmanagerin raunzte mich an, weil ich keine Heimatadresse nachweisen konnte (steht nicht im Reisepass).
Benares alias Varanasi ist nun doch ganz nett und höchst interessant, auf jeden Fall die Altstadt am Ganges, wo die Ghats sind. Das sind etwa 20 grosse Treppenanlagen (so wie in der Duesseldorfer Altstadt), nur jeweils 30mal so gross, dahinter Paläste und Tempel. Das bloede ist, dass es in der Innenstadt keine Cafes gibt, wo man sich mal hinsetzen kann - immer auf Trab oder auf der Rikscha.
Ich war auf einem der Ghats (Gangestreppen), dort ist jede Menge was los, gute Stimmung, endlich hinsetzen und relaxen. Ja sehr schön, bloss die Häuser sind wie überall teilweise zu einem Viertel leerstehend. Wie die Inder es schaffen, in ihren überfüllten Citys sinnlos Häuser, sogar in bester Lage, verfallen zu lassen, ist ein Rätsel, das nur Shiwa lösen kann, hihi. Gabis Mann Babu, selber aus reichem Haus, meinte, dies läge an einer verzopften Gesetzgebung aus englischer Zeit, wonach bis zur Klärung von Erbschaftssachen 100 Jahre vergehen könnten, bevor die Stadt ein Machtwort sprechen kann. - Wie auch immer, vielleicht ist das ja auch indische Demokratie.
Jedenfalls habe ich mich von einem Sadhu und seinem brahmanischen Begleiter (oder Manager) auf indisch mit Gangeswasser taufen lassen, habe Blumen ins Wasser geworfen und bekam einen rot/gelben Punkte auf die Stirn, aber nicht den für verheiratete Frauen, sondern den für Touristen. Für alle meine Verwandten, Freunde, Freundinnen und Freundesfreunde habe ich den Segen aller indischen Götter erbeten. Viele Bettler und Masseure wollen "Donation", die ich gebe und dafur Fotos mache. Die indischen Pilger, ganze Familien, ziehen sich halbwegs aus und gehen in den Ganges, dies gilt als Seelenwaschung. Es geschieht alles sehr lustig.
Ein Wort zu den Verbrennungen an manchen Stellen. Dort sind auch Büros der Stadtverwaltung, das Friedhofsamt, wo die Toten registriert werden. Es werden keine Leichenteile in das Wasser geworfen, sondern nur eine Dose mit Asche. Die Verbrennung ist vollständig, arme Leute bekommen das Holz gratis. Auf dem Rückweg ins Hotel sind 5 Verstorbene an mir vorbeigetragen oder gefahren worden, jeweils mit Blumen versehen.
Heute ist der „Tag der Republik“ in Indien (seit 64 Jahren), Freiheitstag, es sind viele Polizisten mit Gewehren zu sehen, aber alles ist friedlich.
So viel für heute, die Internetkammer, ein kleiner Raum, wird jetzt voll, die Inder wollen sonntags ins Internet, die Frauen gucken meisten gerne Mode, unterhalten sich über eine Netcamera mit Freundinnen oder schreiben Bewerbungen, die Männer gucken gerne Porno, andere erledigen Briefpost per Mail.
Auch hier, noch mehr als in Kolkata, Müll ohne Ende, auf jedem leerstehenden Grundstueck fressen Kühe, Hunde und Ziegen an den Plastikbeuteln herum. Die Strassen haben keine Bürgersteige, also muss ich auf dem Müll gehen, entsprechend sehen meine Schuhe aus, ich werde sie wegwerfen, maybe sie erhalten eine Wiedergeburt, hihi
Meine neueste Theorie ueber Müll ist: Die indische Religion befasst sich ausgiebig mit Werden und Vergehen (bis auf die Seele, die bleibt bestehen und ist dem Karma unterworfen, d.h. sie wird von guten und bösen Taten gelenkt). Nun also zum Müll: Werden und Vergehen ist mehr oder weniger organisch gemeint, also Mensch, Tier, Pflanzen, Natur. Aber dass es eines Tages Materialien geben wird wie P l a s t i k etc., das ohne weiteres 1000 Jahre hält und die Meere und die Flüsse und den Boden verseucht – ja das konnten die alten Inder nicht wissen.
Und nun begreifen sie es langsam, dass der Konsumrausch eine Gefahr werden wird. Aber weg mit solchen Gedanken - mein Bungalow-Hotel ist gut, es hat einen Innenhof, eine Wiese von 10x15 m, es ist ruhig dadurch, ein Luxus in der allgemeinen Lärmbeschallung, ich wohne ja Nähe Bahnhof. - In Benares-Varanasi spazieren im Bahnhof Kühe, Affen und Ratten auf den Gleisen herum, die Affen sind nicht ganz ohne, sie klauen gerne Brillen, alles was glänzt, stürzen sich von oben aus dem Gestänge herunter und weg ist die Brille, wurde ich gewarnt.
Nun bin ich soweit dass ich auch draussen esse in ausgesuchten Restaurants, soweit sie diesen Namen verdienen. Denn: Nicht schon wieder den "Delhi-Belly"!!
Dann ans Meer in Puri, auch eine Pilgerstadt. Hoffentlich kann ich dort schwimmen!
9. Bericht - HALLO IHR STRAHLENDEN SEELEN EINER REINEN WIEDERGEBURT!
Ja ich bin jetzt reingewaschen, fur eine Donation von 250 Rupees hat mich der Meister mit seinem brahmanischen Gehilfen mit Gangeswasser bestreuselt, Farbe auf die Stirn gemacht und einen rot-gelben Faden um das Handgelenk gewickelt. Dafur habe ich die Namen meiner gesamten Familie gemurmelt, auch Freundinnen und Freunde bedacht - man weiss ja nie wie man sie noch mal braucht, hehe. Naturlich seid ihr an erster Stelle mit dabei, und mehrere indische Gottheiten werden sich um euch bemuehen, im Notfall kommt Göttin Kali und reiht die Köpfe erledigter boshafter Wesen an einer Schnur auf. Wenn das nicht wirkt ... was dann?
Nach 14 Std. Fahrt im windigen Nachtzug wieder in Calcutta. Gerade lese ich, dass der antiislamistische Schriftsteller Salman Rushdie, der in London und Schweden lebt, ein Buch gegen Mohammed geschrieben hat und sich international verstecken muss wg. Todesdrohungen, aus Calcutta von der hiesigen Buchmesse verbannt worden ist, damit keine Unruhen entstehen.Vor dem Airport waren bereits Demonstrationen gegen ihn. Er ist auch in Europa sehr bekannt und wird von den deutschen Gutmenschen geliebt.
In "meinem" Abteil sassen gestern Abend drei indische Wandermönche, alle in gelb-rot, zwei hatten jeweils einen kraeftigen Eisenstab 1m lang, der andere eine Art Schwert, daran hatten sie ihre Essenkaenchen aufgehaengt bzw. ihren Schnappsack mit ihrer Habe. Eine zeitlang haben sie uns - denen, die reserviert haben - getrotzt, dann aber hat ihr Anfuehrer aufgeseufzt und sie haben sich an die Eingangstuer des Waggons verzogen und auf den Boden gehockt. Diese Wanderheiligen ziehen durch ganz Indien, sie sind meist hinduistisch orientiert und werden sehr geachtet, sie erhalten Essen oder ein paar Rupies als Donation, dafur liefern sie einen Spruch bzw. rufen eine Gottheit an.
Wieder in Kalkutta, nach 12 Stunden im Nachtzug. Der Stadtregion Calcutta, ca. so gross wie das Ruhrgebiet, 14 Mio. Einwohner, kommt mir nunmehr fast zivilisiert vor bis auf den ätzenden Strassenverkehr. Aber es gibt auch fur uns edle Deutsche EU-Citizen etwas Neues: die Ampelsteuerung; neben der Ampel ist eine weitere, auf der Zahlen erscheinen, rot von 150 bis 0, bei Null kann man/frau gehen. dies finde ich ein gute Erfindung. bei Grün geht es aufwaerts bis 150, dauert ca. 3 min. So weiss man immer, ob es sich noch lohnt, über die Straße zu gehen.
Jetzt gehe ich weiter auf die Hochstrasse, overfly genannt, und werde von oben die Schienenpeoples fotografieren, die neben und auf den Schienen wohnen und leben. Sie haben ihre Waesche ausgebreitet, sitzen auf den Schienen, und wenn die Expressbahn oder die S-Bahn kommt, flitzen sie in ihre Bretterverschlaege, das ist höchst gefaehrlich.
Bald geht es nach Puri ans Meer, heilige Stadt im Bundesstaat Orissa, 800 km suedlich, dort kann ich hoffentlich baden, wir haben ein Hotel am Strand. - Ich sende good vibrations, gluecklich sollt ihr alle sein oder werden, falls dies nicht bereits eingetreten ist.
10. Bericht / IHR ÜBERGEWICHTIGEN AUS DEM WESTEN, KOMMT HIERHER: IM NACHTZUG KANN MAN GUT ABNEHMEN
Im anstrengenden Nachtzug habe ich ueberlegt, dass es sich lohnt, bestimmte Patienten aus Deutschland hierher zu senden, damit sie im Nachtzug nach Benares hin- und zurückfahren, jeweils 12-14 Stunden. Im engen Abteil mit indischen Familien, die plappern, essen und lustig sind. Die Männer, vor allem die Raucher, schnarchen, dass mir die Ohren flattern. Und der schreckliche Zuglärm und die Angst, falsch auszusteigen. Dies wäre eine gute T h e r a p i e bei Kontaktangst im übersättigten Deutschland. Und zum Abnehmen. Denn: Ich muss mir jetzt im wahrsten Sinne des Wortes den Gürtel enger schnallen! Durch Kälte und Stress habe ich abgenommen, rasch und wirksam.
Nun bin ich wieder im Calcutta-Alltag, heute waren wir in der „Metro“ einkaufen (gibt es auch hier), morgen geht es in einen Jain-Temple, Montag mit dem Nachtzug nach Puri, angeblich soll es schon moeglich sein, ins Meer zu gehen, very good.
Danach geht es nochmal nach Shantiniketan, einer Universitaetsstadt noerdlich, dort haben Gaby und Babu ein Haus, es ist dort ruhig und eher beschaulich, eine Art indischer Kurort. Meist esse ich bei ihnen, hier in Kolkata wie dort, sie kochen mit ihrer Cousine indisch mit viel Roties, dies ist ein duenner Brotfladen mit Luftblasen, so gross wie ein Bierdeckel. Aber ich liebe chinesisch, so dass ich jetzt schon mal ausweiche und in eine höherentwickelte Garkueche gehe fur chinesisch zu essen, kostet 50 Rupee. Dies ist vorne an der Strassenkreuzung, wo die Traffic-Hölle losgeht.
Wer hätte das gedacht – die deutsche Metro AG hat auch in Kolkata ihre Kunden
In der Metro habe ich mir einen indischen Rotwein gekauft, er kommt aus dem Bundesland Maharasthra, mal sehen, wie das Zeug schmeckt. Das Bier von 'Kingfisher" hier ist ok.
Gestern abend um 11 h wurde ich beinahe umgefahren: Vier junge Inder versuchten ein Auto zu klauen, wie ich gerade aus dem Haus kam, sie fuhren mit Vollgas los, aber das Lenkradschloss blockierte, so dass sie nach 50 m volle Kanne an einen Lichtmast krachten, ausstiegen und entflohen. Das Auto, ein neuer weisser Tata, sah vorne nicht mehr schoen aus. Schwerer Schaden. Waere ich 3 min vorher aus dem Haus ... wer weiss...
Ja, ein Glas werden wir in Deutschland zusammen trinken, ich bin schon ganz entwoehnt, Alkohol gibt es hier nur in Likoershops, in die man aber nicht hineingeht, sondern vor einem vergitterten Fenster steht und hineinschreit, was man moechte - sehr funny. Da ist nix mit Altbier und Deckel machen, hihi.
11. BERICHT / DIE INDER TRINKEN ALKOHOL GERNE IN CLUBS
Tatsaechlich denke ich ab und zu an Erbsensuppe oder Nackenbraten mit Klössen. Dies haben Ingrid und Peter an der Christmas-Feier mit Sohn und Schwiegertochter verspeist, dazu Rieslingwein, ich habe eine Mail von ihnen bekommen. Mir ist das Wasser im Mund zusammen gelaufen.
Was mir im Moment im Kopp herumgeht: Ich hasse Hochzeitsfeiern!
Überall wo ich hinkomme, sind um das Guesthouse herum diese verrückten indischen Hochzeitsfeiern, die 3 - 5 Tage dauern. Bis nachts um 4 Uhr Gesänge und Schlagermusik und laute Stromgeneratoren, wobei die indischen Frauen beim Singen so duenne Stimmchen haben wie Ameisen. Jetzt auch wieder, ich musste heute morgen plötzlich ausziehen aus dem Guesthouse deswegen, weil eine ganze Hochzeitsbande ankam. Mit einer Braut, die ganz traurig guckte.
Jetzt wohne ich einen Tag lang bei meinen Freunden, morgen dann nach Puri ans Meer. Angeblich in einem echten Hotel on the beach. Gestern waren wir in der Metro (Cash und Carry) und da haben wir eingekauft. Ich selber habe mir Rotwein in der Metro ausgesucht, aus Indien, und er ist ganz ordentlich. Von "Kingfisher" gibt es Bier, das recht gut schmeckt, wird auch probiert, es hat 8 % Alc.
Gestern waren wir in einem Jain-Tempel in Nordkalkota, sehr huebsch mit vielen Verzierungen, so eine Art Rokoko in Marmor. Die Jains, eine hinduistische Nebenlinie, sind meist wohlhabende Leute und essen nur vegetarisch. Dann haben wir im ADAC-Club Halt gemacht, Babu kann mit der deutschen ADAC-Karte mit Gaesten dort essen gehen. Preiswert, gut und - mit viel Alkohol.
Alkohol in der Öffentlichkeit ist hier selten und geht nur in Clubs oder Edelhotels. Das kommt noch aus der englischen Zeit. Es waren eine Menge Leute im ADAC-Club, vor allem Männer aus der Mittelschicht, die wenig verspeisten, aber umso mehr tranken. Ich habe gesagt, wenn ich dort in der Gegend leben wuerde, waere dies mein Stammlokal und ich wuerde das Bierdeckel-Machen einfuehren, haha. Sollte witzig sein...
Ich habe jetzt aber eine Fressbude entdeckt, wo es eine chinesische Reistafel gibt zum Mitnehmen, so ca. fast 1 Kilo fur 50-70 Rupeen, weniger als ein Euro. Das schmeckt im Notfall immer. Denn das indische Essen ist mir zu unübersichtlich und alles verkocht oder mit viel Bratfett (Gefahr!).
Ja ich freue mich auf Sonne und Meerwasser. Ich gruesse aus C. und dann ab Dienstag aus Puri, 800 km weiter suedlich.
12. BERICHT / AM STRAND AUS DER KOKOSNUSS TRINKEN
Hier in der Pilgerstadt Puri ist es 800 km weiter südlich und heiss, Sonnenbrand droht, aber jeden Tag im Meer baden erfreut mich. Der Tsunami von 2004 kam aber hier nur leicht an, eine Straße wurde überschwemmt. Puri hat eine lange Beach mit mehr als 200 Hotels, meistens sind hier Besucher aus den Grosstädten, dann kommen noch zahlreiche Busse sogar Traktoren, mit Inderfamilien vom Land. Diese stehen morgens um 6 h am Strand und beten das Meer und die Sonne an. Werfen Blumen hinein und Kokosnuesse und murmeln Gebete. Dann trauen sich einige hinein, danach auch andere. Sie gehen in voller Kleidung ins Wasser, also Saree und Glitzerkleidchen und wenn die Kinder Spass haben, lachen alle und huepfen in den Wellen hin und her. Schwimmen koennen nur einige.
Verbrennungsstelle fur Verstorbene gegenüber der Fischbraterei
Der Strand ist voll mit Garküchen und anderen Ständen, an einer Stelle geht es zu wie auf dem Oberkasseler Jahrmarkt, dort sind auch noch Zelttempel installiert und grosse Glocken aufgehaengt. Dann kommt die Uferstrasse mit Händlern und vielen Fischbratereien. Dahinter, ca. 50 m, ist eine grosse Verbrennungsstelle fur Verstorbene (Crematorium). Dort waren gestern abend 5 Feuerstellen mit viel Rauch und Qualm in Betrieb. Gaby meint, man koenne die Totenverbrennung nicht riechen, das stimmt, die Fischbraterei riecht man stark, das "andere" nicht. Angeblich wird zu dem Holz viel Räucherwerk und Duftöl gegeben. Aber es ist schon sehr seltsam.
Überall jede Menge Verkaufsläden mit Kleidung, Heiligenbildern und Messingfiguren. Aber auch sehr schöner Silberschmuck. Vor allem schöne Textilien, sehr preiswert. Es gibt 3 Hauptheilige, wegen denen alle nach Puri kommen, ihre Namen sind „Jagannath“, „Subhadra“ und „Balabhadra“. Sie gelten als Trimurti (Dreiheit). Jagannath residiert dort mit seinem „Bruder“ Balabhadra und seiner „Schwester“ Subhadra, bekleidet mit Seide und behängt mit goldenen Schmuckstücken. Drei aus dem Holz des heiligen Niembaumes geschnitzten Statuen stehen im großen Jagannath-Tempel.
Es soll in Indien weit ueber 1000 Gottheiten geben, fast jede Region hat ihre eigenen Favoriten. Das Land hier heisst Orissa (früher: Odesha) und hat eine eigene Schrift und auch eine andere Sprache als in Kolkata, Westbengal.
Babu kennt den Hotelkönig hier, sein Schulfreund, er hat an die zehn Hotels in guter Lage, in einem der Hotels direkt an der Beach haben wir zwei Zimmer mit Meeresblick, der Chef hat uns mit dem Auto vom Bahnhof abholen lassen. Wir fallen als einige wenige "Weisse" stark auf, die jungen Leute am Strand fragen, ob ich mit auf ein Foto kommen, damit sie es ins Internet stellen für ihre Freunde.
Sehr gut sind auch die Kokonsnussanbieter – also Trinken direkt aus der Nuss (Foto). Und dazwischen stehen immer die Kühe, grosse und kleine und die Hunde, freilebend im Rudel, die überall sind und im Schatten der Kühe in der Hitze pennen.
Dauernd sind Hochzeiten, die laut durch die Strassen ziehen, dann wieder wird ein toter Mensch am Hotel vorbeigetragen.
Jetzt bin ich froh, dass ich einen Internet-Raum an einer Colabude gefunden habe, so dass ich wieder etwas schreibe. Ich habe mit Maria in Kerala telefoniert (2000 km weiter südwestlich), sie sitzt an der Beach und guckt Delphinen zu.
13. BERICHT / IM TEMPEL VON KONARK, KAMASUTRA IN STEIN
Bekannt ist ja, die moslemischen Staaten bieten ihrer Bevölkerung wenig oder nichts an Freuden, wg. denen es sich lohnt zu leben. Sagt man so. In Indien ist es ein wenig besser. Bei dem Thema Erotik, Sex und Liebe aber kaum.
Die Inder wirken so prüde, als stammten sie alle persönlich von Jesus ab.
Die Frauen wickeln sich in ihre Sarees ein, der Mann wartet das halbe Leben, bis die Familie ihm eine Frau liefert, dann wird s i e ausgepackt und beide sehen sich an ... und dann ... Scheidung und Trennung ist zwar gesetzlich erlaubt, aber eigentlich doch verboten. Bleibt manchmal nur noch Auswandern ... Und dann gibt es auch noch die Kasten und den Zugehörigkeitszwang. Eigentlich seit 1947 nicht mehr, aber frage einen Inder, er sieht dich schweigend an, und man kann erahnen, dass die Kasten in den Familien, je reicher umso mehr, weiterleben.
Um auf das Thema Sexualitat zurückzukommen - oder die jungen Leute können zur Tempel-Anlage nach Konark fahren und sich dort informieren. Mittels erotischer Steinarbeiten, die – wie soll es anders sein – noch heute „aktuell“ sind. Dort waren wir gestern und haben uns am Sonnentempel die unschicklichen Figuren angeguckt. Im 12. Jahrhundert muss Indien wunderschön gewesen sein, es hiess "Barathi" und bestand aus vielen einzelnen Laendern, Fürstenstaaten (heute Bundesstaten). Nun heisst das die Indische Union nach dem Fluss Indus eben Indien. Es ist aber eher so unterschiedlich wie die EU. Bis auf die Sexualmoral - ist sie bei uns ziemlich saumässig, so ist sie dort streng.
Viele Touristen, auch indische, pilgern zu der Anlage in Konark, umkreisen sie und machen Fotos. Die Kameras laufen heiss, meine auch. Kamasutra in Stein, sehr gut anzuschauen, manche Figuren sind schon in den Jahrhunderten geklaut worden oder verunstaltet. Der Tempel wird schon seit 60 Jahren restauriert, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Gerade sind englische Fachleute am Werk. Es gibt weitere Tempel der Art in Indien, die besucht werden wg. erotischer Darstellungen, die bei uns im „freien“ Westen unter Pornographie (griechisch: Dirnenkunst) abgelegt werden.
Nach diesem erotischen Schock fuhren wir zur Abkühlung weiter zu einem Berg mit Höhlen von Einsiedlern, die dort gelebt und meditiert haben. Aber dann kam in den 50er Jahren die moderne Zeit mit Touristen, mit Lärm und Geschrei, auch mit einheimischen ungebetenen Besuchern, und die Mönche haben sich verzogen. Es waren Mönche mit Gelübden, schweigsam sein, immer nur sitzen, wenig essen, auf dem Nagelbrett ruhen und vieles mehr, sehr verschiedene Leute. Oben auf dem Berg hatten sie eine Art Schwimmbecken in den Fels gemeisselt fur Regenwasser zu sammeln.
> Pause.
Eben kam draussen eine grössere Prozession vorbei mit Trommeln, Glocken und Gesang, ich weiss nicht warum. Bestimmt eine religiöse Feier oder der Transport eines Verstorbenen. By the way: Gestern kam der fur das Hotel zuständige Priester (Hindu) in unsere Hotelzimmer und bot an, fur uns eine Pooja in seinem Tempel nearby abzuhalten, ganz preiswert, oder gerne auch im Hotelzimmer. Das ist eine tolle Idee!!! Warum machen das die Kirchen in Deutschland nicht? Der Pfarrer kommt ins Haus und segnet alle. Ja das würde die Kirchen wieder fuellen, oder?
Unsere Fahrt gestern wurde gesponsert vom Hotelchef, der uns seinen neuen Chevrolet-Gelaendewagen mit Fahrer stellte und uns für Sonntag in sein Haus eingeladen hat. Wir fuhren durch Bhubaneswar, Haupstadt von Orissa (Odesha), das Land ist halb so gross wie Deutschland, hier beginnt Südindien. Es gibt Erze und Kohle, die von den Japanern gekauft werden, dafür haben sie einen riesigen Buddhatempel vor der Stadt gebaut.
Unterwegs im reichen Bundesland Orissa
Diese Stadt ist erstaunlich sauber, macht einen wohlhabenden Eindruck, und es gibt sowas wie Disziplin im Strassenverkehr. An den grossen Kreuzungen stehen Schilder: "Zero Tolerance Zone", die Polizistinnen in ihren Häuschen mit Sonnendach sehen aus, als wuerden sie nicht lange verhandeln ueber Strafmandate. 500 Rupee kostet es, am Zebrastreifen nicht anzuhalten etc. - Eine Stadt, an der man sieht, wie Indien auch sein kann, sauber, ordentlich. Aber es hat seinen Preis - in der Zeitung steht, dass gerade 400 Verkaufsbuden abgerissen worden sind, weil sie nicht genehmigt waren. Ob diese Menschen jetzt Hartz IV bekommen als Ausgleich fur Existenzzerstörung – eher nicht.
Und wer hält sich nicht an die Verkehrsregeln?
Richtig, es sind die Kühe, die überall herumlaufen, auch hier. Sie sitzen auf den Mittelstreifen der Schnellstrassen, die eine oder andere auch auf dem Fahrstreifen. Die Inder fluchen dann nicht, nein, sie fahren sauber und vorsichtig um das Tier herum, das sich auf dem Asphalt wärmt, und schweigen, weil es ganz normal ist, denn die Kuehe sind Abgesandte Gottes und erhalten hohen Respekt. Sie sind aber auch sehr lieb und machen wenig Unfug. Es gibt ganze Rinderfamilien: Kuh, Bulle und Kalb. Ich stelle mir dies vor auf der Berliner Allee - haha, das gäbe einen Aufstand der Duesseldorfer Autofahrer.
Was noch für Inder wichtig ist, wäre das Essenkaennchen. Es gibt 2-, 3- 5- und 7-stoeckige Essenkannen in allen Grössen, in denen das Essen herumgetragen wird. Denn die Inder essen gerne den ganzen Tag lang, im Auto und im Zug, überall wo sie sind, fangen sie an zu essen. - Nun ist auch fur mich Zeit essen zu gehen, aber erst noch ein Sommerhemd kaufen, kostet nur 3 Euro.
Das Landleben sieht harmonisch aus hier, sehr grün, Reisfelder und Kokoswaelder, Bananen, herrlich, die Menschen lachen oft und sind freundlich.
14. BERICHT / DIE NACKTE DAME AUF DER STRANDPROMENADE
Es geschehen die seltsamsten Dinge im Land der Inder (hiess frueher Bharati). Gestern, Sonntagmorgen, gab es eine Ueberraschung: Beim Blick vom Balkon vor dem breakfest gewahrte ich eine Erscheinung der besonderen Art. Mitten auf der Strasse, zwischen dem Gewühl der Menschen und Pilger, die zur Beach oder zum Tempel gehen oder kommen, der Autos, die ununterbrochen tuten und hupen, den Kühen und Hunden und den Rikschafahrern, sah ich eine Frau heranschreiten, die tatsächlich n a c k t auf der Straße ging.
Sie hatte nur einen grün-gelber Schal um den Hals, den sie mit den Armen ausbreitete, sie blickte verzückt in die Sonne und war ansonsten total nackt. Ich war natuerlich höchst erstaunt, traute meinen Sinnen nicht, alarmierte meine Reisebegleiter Gaby und Babu gegenueber im Zimmer: "Eine nackte Frau, echt, da unten!"
Beide stürzten ans Fenster, guckten mich an, ob ich einen blöden Witz mache, und erstarrten dann sprachlos. Die Frau, keineswegs betrunken, war eine Inderin ca. 25-30 Jahre alt, huebsch und schlank und gut gebaut, kürzere Haare als üblich, und sah fast elegant aus. Aber unbestreitbar total ohne jede Bekleidung bis auf den Schal. Eigentlich angenehm anzusehen. Ja, doch. Und das weitere Irre: Alle auf der Strasse taten so, als wäre sie ueberhaupt nicht vorhanden!!! Die Frau blickte in die aufgehende Sonne und wir blickten auf sie, als wäre sie die aufgehende Sonne, bis sie nach einiger Zeit in der Menge verschwand.
"Die hat einen Hau weg, psychisch", meine Gaby und klärte mich auf, dass sie noch niemals (!) in 30 Jahren Indien so etwas - fuer Inder ungeheures - erlebt haette. Heute morgen war die schoene nackte Dame nicht da, schade.
Es sind immer viele Leute unterwegs, denn ab morgens um 6 h versammeln sich an die 2-3000 Inder am Strand, um zu beten zum Meeresgott und zum Sonnengott und dann noch zu einer dritten Gottheit. Diese drei (ich nenne sie die 3 Fuzzys, weil sie so lustig aussehen) sind hier in der Pilgerstadt angesagt, schon seit zehn Jahrhunderten. Sie heißen Trimurti (Dreiheit), es sind Jagannath als Herr es Universum mit seinem „Bruder“ Balabhadra sowie seiner „Schwester“ Subhadra.
In der City gibt es einen riesigen Hindutempel mit dem Namen „Jagannath-Tempel“, der dem Petersdom ein wenig ähnlich sieht, dazu noch einige Dutzend weitere Tempelanlagen, ganz zu schweigen von den Hunderten kleinen und kleinsten Tempeln überall in jeder Strasse. Aber in den grossen duerfen nur echte Hindus hinein, angeblich wurde sogar Sonia Gandhi, Chefin der Congresspartei, nicht hineingelassen, weil sie mit einem Moslem verheiratet ist und selber eine Italienierin ist.
Dafür haben wir das Privathaus vom Hotelchef besucht, ein edles Teil am Ende der 3 km langen Beach, die Familie ist natürlich reich. Ihr Haus wurde im schweizer Chalet-Stil errichtet. Gerne hat er uns auch die neue Küche im Haupthotel gezeigt mit einer teuren Abluftanlage fur Braten und Kochen, aus Deutschland importiert. Zudem hat er eine Abwasser-Reinigungsanlage installiert und für seine Mitarbeiter eine Pausen-Kantine eingerichtet, damit ist er einzigartig in Puri.
Nun geht es heute abend mit dem Nachtzug wieder zurueck nach Kolkata, ich mit leichtem Sonnenbrand.
15. BERICHT / AUF ZUM BERÜHMTEN TANTRA-YOGA-TEMPEL IN TARAPITH
Von Puri zurueck, weiter nach Santiniketan und Tarapith, hier der Bericht vom 17.02.13. Nochmal die nackte Frau auf der Uferstrasse in Puri, dies war keine Filmkulisse, sondern wahrscheinlich eine der leichten psychischen Faelle, die in Indien nicht in Kliniken landen wie bei uns, sondern manchmal auf der Strasse als "unangepasst" auffallen. Meint Gaby mit 30 Jahren Indienerfahrung.
Die Inder hier, ueberall wo ich war, in den Bundeslaendern Westbengal, Uttar Pradesh, Bihar, Orissa, essen an Fleisch nur Schaf, Ziege, Huhn, keine Rinder wg. Hinduismus, keine Schweine wg. Islamisten. Obwohl genug Schweine und Kühe herumlaufem, hehe. Vegetarisch ist traditionell vorrangig, weil auch nicht so teuer.
Inzwischen sind wir nach 1 Woche Seebad, mit Pilgertempel gemischt, dann kurz in Kolkata gewesen, weiter in Richtung Nordosten gefahren mit dem Zug, in die Nähe der Grenze zu Bangladesh (das frühere Ostbengal). Also rund 1000 km von Puri entfernt. Dort ist Santiniketan, eine Uni-Stadt, die vor 100 Jahren von dem Philosophen und Sozialreformer Rabindra Tagore gegündet wurde. Dort hat Babu studiert, er und Gaby haben ein Ferienhaus, eher eine Villa. Diese Uni ist sehr grossflächig, hat ca. 8000 Studenten (und Schueler, die dort bereits früh in die Schule gehen und in Internaten wohnen) und ist - so meine Einschätzung - anthrosophisch orientiert, so wie in Deutschland und in der Schweiz die Waldorf-Schulen von Rudolf Steiner.
Die Universität wird von der Zentralregierung in Delhi gefördert und gilt als Vorzeigeobjekt, sogar Busse mit indischen Touristen sind dahin unterwegs. Für mich ist sie nicht ganz so interessant, weil meine Schwester bei den Antroposophen arbeitet und ich dadurch die Anthrosophie kenne, z.B. Herdecke-Krankenhaus etc. Jedenfalls ist diese Uni frei von religiösen Konfessionen und kastenlos, aber nicht klassenlos - der finanzkraeftige Mittelstand schickt gerne seine Kinder dahin.
Ueberhaupt die Kasten, es gab 4 Hauptkasten mit zahlreichen Unterteilungen, sie sind seit 1976 gesetzlich abgeschafft, existieren aber weiter. Die 5. Kaste sind die Dalith oder Parias, früher die Unberührbaren, sie sind zwar benachteiligt, aber sie kämpfen sich in der modernen Zeit nach oben. Vielleicht vergleichbar mit unseren Hartz-4-Mitbürgern. Die Heiratsannoncen in den Zeitungen sind voll mit Hinweisen, dass bei der Partnerwahl die gleichartige Kaste erwünscht ist oder eben Uppercast. Einige Annoncen begnuegen sich mit der Angabe General Caste, also egal welche.
Im Tantratempel von Tarapith
Aber dann das Highlight zum Abschluss meiner Rundreise: Auf zum Tantra-Tempel, 160 km weiter in Tarapith, nahe der Grenze zu Bangladesh. In dieser mittleren Stadt steht dieser Kali- bzw. Tara-Tempel mitten in der City am Fluss. Jede Menge Besucher und Pilger kommen das ganze Jahr zum „Maa Tara Temple“, Tausende, wenn es um Kali geht, Goettin der Gerechtigkeit und der Rache und mehr. Jedenfalls ist immer Blut im Spiel von den Opfertieren, die im Tempel umgebracht werden, Schafe und Ziegen, das Blut fliesst aus einem Rohr nach aussen, schwarze Fliegen stuerzen sich darauf. Viel Laerm und Geschrei, Gedraenge, glitschiger Boden, Schuhe ausziehen ...
Die Tempelanlage hat ausser dem magischen Bildnis der Kali, dort muss man/frau Schlange stehen, weitere Betstellen, wo Poojas (kleine und groessere Feiern bzw. Andachten) angehalten werden. Ein grosse Anzahl gelb-rot gekleidete Sadhus und heilige Frauen sind dort immer in Bewegung und helfen den Pilgern bei der Pooja. Es brennen auch Feuer an etlichen Stellen mit viel Gemurmel und Arme hochwerfen. Ausserhalb der Mauern ist die Pilgerstrasse, voller Verkaufstaende mit religiösen Utensilien, wie Glöckchen, Bilder, Raucherstäbe, Garküchen und Süssigkeiten (die Inder essen gerne Misti, das sind süsse Sachen), dort kann man sich verlaufen. Überall auch die Bettler, die durchaus geachtet werden, denn wer ein wenig mehr als 1 Rupee gibt, dem wird auf die Stirn getupft, also eine Weihegabe.
Nun zum Tantra, das ist Yoga, verbunden mit Sexualitaet ... Boa Eyh!
Die Theorie ist, wenn Mann und Frau sich vereinigen, wird Energie freigesetzt, geistige oder kosmische Kraefte. Um diese zu nutzen, damit sie nicht einfach so verpuffen, wird der Beischlaf (blödes deutsches Wort) nicht vollendet, sondern Frau und Mann hören damit auf und fangen an zu meditieren. Beide zusammen. Dies soll sehr erfolgreich sein auf dem Weg zur Erleuchtung. Und die heiligen Maenner und Frauen dort machen dies, allerdings leider nicht vor aller Augen, sondern in einer Kolonie von kleinen Hausern und Bretterbuden hinter dem Tempel. Und meistens nachts. Babu meinte abschaetzig, die machten das wohl fast jeden Tag, aber der Erfolg sei eher mager, nur so ca. 2 % würden die hoheren Weihen bzw. heilige Zustände erreichen.
Wir spazierten durch die Kolonie, wenig Leute zu sehen, unter einem Dach sassen einige Rotgewandtete und schwiegen vor sich hin. Die Frauen sind dort in der Tantra-Zeremonie schwarz gekleidet mit allerhand Flitterkram. Ein Tantra-Paar, so um die 30 Jahre alt, konnten wir sehen, sie sassen vor ihrer Hütte mit Raucherstäbchen und vielen heiligen Bildern der zahlreichen Götter. Die Frau kämmte sich und sah recht glücklich aus, der Mann blickte wesenlos in die Ferne und war sichtlich mit kosmologischen Fragen befasst, sage ich mal locker. Und 50 m in Sichtweite war die Verbrennungsstätte am Flussufer, wo zwei Verstorbene verbrannt wurden, drei weitere wurden in der halben Stunde, die wir dort waren, unter Gesängen und Trommeln heran getragen. Wir entfernten uns, weil bei der Entkleidung der Leichen wollten wir nicht dort herumstehen.
Ja, es ist schon etwas komisch oder seltsam und beeindruckend, manche Gedanken gehen einem durch den Kopf ... Wobei Tantra auch heisst, sich von Anhaftungen während des irdischen Lebens zu befreien, also von dem rein biologischen Drang nach Sexualität, von Sucht ueberhaupt, aber auch von Emotionen wie Hass und auch von Liebe, die in manischen Besitzdrang ausarten kann. Um vorzeitig in das Nirwana zu gelangen, müssen Geist und Koerper frei werden. Das ist der Hauptgedanke. Sexualität als stärkste Kraft soll gelebt und zugleich überwunden werden. Oder so ähnlich ... Aber wer schafft das schon.
Übrigens war die Fahrt nach Tarapith sehr anstrengend, mit dem Mietauto und Fahrer (30 Euro) fur einen Tag. Die Strasse geht weit nach in Richtung Norden ueber Sikkim und Buthan bis in den Himalaya und nach China, dementsprechend sind jede Menge Laster unterwegs, die Strassenverhältnisse sind rappelig. Ausserdem ist diese Route auch der Zubringer zur Autobahn nach Delhi.
Ein Schlagloch kommt selten allein, meist sind es hintereinander ein Dutzend. Die Riesenlaster brettern Tag und Nacht darueber und bumms, ist der Reifen zerfetzt oder die Achse. Dann schrauben sie mit den blossen Händen mitten auf der Strasse. In den Dörfern am Rande stapeln sich die kaputten Reifen. Für die 160 km brauchten wir 3 Stunden. Staub, Staub, Staub – ich am hinteren Fenster, oben offen, der Fahrtwind blies den Staub und den Diesel an Ohr und Haare, abends war ich zweifarbig, mein Ohr und meine Haare fast schwarz und ich musste duschen.
Nun wieder in Calcutta, es regnet erstaunlicherweise um diese Jahreszeit. Jetzt muss ich meinen Koffer und meine Gedanken aufrauemen. Neun grosse Zugreisen mit mehr als 5800 km liegen hinter mir. Gestern waren wir wieder bei Bekannten eingeladen, alles reiche Leute. Es wird viel Whisky getrunken, das ist das Nationalgetränk der Inder, sie stellen nach den Schotten und den USA und Canada die meisten Whiskysorten her. Haette ich nicht gedacht. (17.02.13)
21.02. 2013
Hallo, ich bin wieder hier in Deutschland, dem Land, in dem kaum jemand lacht, so scheint es mir nach dem ersten Kulturschock.
Nun bildet sich langsam eine Bilanz bei mir, und ich meine, die Reise hat sich gelohnt, vor allem weil sie anders war als ich erwartet habe. Da ich kein "normaler" Tourie war, sondern in der indischen Gesellschaft, von arm bis reich, gelebt habe, ist mein Einblick in dieses Land recht groß gewesen.
Gottseidank bin ich nicht nach 1 Woche geflüchtet, solche Anwandlungen hatte ich ... Ich bin 9 mal Zug gefahren, davon 5 mal nachts, 5800 km, war in 4 Bundesstaaten und 6 Städten, Kolkata, Varanasi, Bodhgaya, Puri, Santiniketan und Tarapith. 15 Reiseberichte habe ich gemacht, 1500 Fotos. Gefroren hatte ich und Sonnenbrand.
Wie kommt das, dass in Deutschland alles so müde ist und in Indien alles so lebendig?
Autor:Helmuth Haensch aus Düsseldorf |
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