Hedwig und ihre sonderbaren Erlebnisse im Schwimmbad
Hedwig geht seit Jahren drei mal wöchentlich schwimmen. Sie ist seit Jahren in allen Schwimmbädern, wo sie je schwamm, immer eine Schwimmerin zwischen den Welten gewesen.
Sie schwimmt zügig auf dem Rücken ihre Bahnen und ist dabei wesentlich langsamer als alle anderen Schwimmer und wesentlich schneller, als die Plaudertaschen, die gerne nebeneinander schwimmen oder schleichend gehen, um sich stundenlang über Alltagsgeschichten zu unterhalten.
Hedwig wird von den sportlichen Schwimmern nicht gemocht, weil sie immer im Weg ist. Die Antipathie beruht auf Gegenseitigkeit. Wenn Hedwig schon sieht, wie die „Kampfschwimmer“ ihre „adrenalingeschwängerten Keulen“ - so bezeichnet sie deren Arme – wütend auf das Wasser schlagen, bekommt sie fast Mitleid mit dem Wasser. Sie stellt sich vor, wie diese aggressiven Muskelmänner irgendwo einen Job verrichten, wo sie zur Abwertung des Euro entscheidend beitragen und das schafft zwischen ihr und den „Keulenschwingern“ den gebührenden psychischen Abstand.
Vor ein paar Wochen schwamm ihr so ein „Keulenschwinger“ zwischen die Beine, als sie rückenkraulend gemütlich das Wasser beiseite pflügte. Er hatte sie im Eifer übersehen und erschrak sich furchtbar, als er den Kopf zwischen ihren Oberschenkeln spürte. Hedwig reagierte schreiend: „Warum schwimmen Sie nicht um mich herum ?“ Der „Keulenschwinger“ daraufhin zynisch wütend: „Dafür ist Ihr Hintern zu breit !“-
Das muß man Hedwig im Schwimmbad nicht zwei Mal sagen. Entrüstet bringt sie sich in die Vertikale und schreit den verduzten Schwimmer an: „Hey, Du adrenalingeschwängerter Wassertarzan – Du bist hier nicht alleine im Bad. Also ein bissken nett !“
Der Schwimmer versucht, Hedwig dazu zu bewegen, doch im Nichtschwimmerbecken weiterzuschwimmen. Hier bei den Bahnen sei sie doch fehl am Platz wie sie sehe. Sie behindere doch nur den „Verkehr“ und solle ein Einsehen haben. Es fiel Hedwig leicht, das Kampfsportbecken zu verlassen – hatte sie doch die Vorstellung, das Wasser sei voller Adrenalin und das könne vielleicht durch ihre Poren in sie eindringen und Streß bei ihr erzeugen. Also begab sie sich ins Nichtschwimmerbecken, um dort ihr Rückenkraulen fortzusetzen.
Hier spazierten die „blonden Trockenschwimmerinnen“ langsam durch das Wasser. Eine Bahn zu schwimmen war demzufolge nicht möglich. Die „Blonden Trockenschwimmerinnen“ können folgendermaßen charakterisiert werden: Es sind meistens Damen mit Lebenserfahrung, die das Schwimmbad nutzen zum Gedankenaustausch – gerne auch mit reiferen oder nicht ganz so reifen Herren. Damit diese zugänglich werden, locken sie mit gewagten Frisuren vom Typ Bretti und einer Schminke auf dem Gesicht, mit der jeder Indianer auf dem Kriegspfad seine Feinde hätte besiegen können ohne weitere Waffe. Natürlich dürfen weder die Gesichter noch die Haare dieser „Amokhennen“ - so nennt Hedwig sie heimlich im Geiste – naß werden.
Hedwig begab sich also mit ihrem alles befeuchtenden Rückenkraulschwimmstil in die Gesellschaft der buntgefärbten Damen und nach wenigen Schwimmzügen waren die Damen in Gesicht und auf dem Haar leicht angefeuchtet. Es entstand ein furchtbarer Tumult – eine Dame rief den Bademeister „Die da, die da, sehen Sie mal – die schwimmt wie ein wildgewordener Dampfhammer und dabei entstehen Schwingungen, die schlimme Auswirkungen haben auf unser Herz. Wir alle haben davon Herzrasen bekommen. Bitte, tun Sie die Frau aus dem Becken !“
So schrien die Damen und der Bademeister zog eine Kollegin zu Rate, weil er diese Entscheidung nicht alleine treffen konnte. Nach längerer Beratung teilte der Bademeister den „Trockenschwimmerinnen“ mit, das es sich hier um ein Schwimmbad handele und da komme es schon mal vor, das das Wasser sich bewege und auch mal durch die Luft spritze und er könne der Dame das Schwimmbad nicht verbieten. Das stieß auf einen so argen Protest, das Hedwig freiwillig den Ort ihrer schlimmen Tat verließ. Sie resignierte, hatte keine Lust mehr und wollte nur noch für sich alleine sein.
Ein paar Tage später kaufte sie sich einen Neopren-Tauchanzug und man sah sie nun hin und wieder gemütlich im nahegelegenen See schwimmen – rückenkraulend, immer gemütlich hin und her, dabei den Himmel betrachtend. Hedwig war glücklich über ihre Entscheidung, nur noch alleine in der Natur zu schwimmen. Mehr und mehr wurde sie zu einem Fischlein, das sich am Wasser erfreute und ungestört seine Bahnen zog.
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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