Hedwig, die Kampfschmollerin

Beim allgemeinen Kampfschmollen im Club der stets beleidigten Frauen trug eine stets den Sieg davon. Das war Hedwig. Hedwig konnte so sehr schmollen, das selbst Kampfhunde zu zittern anfingen, wenn sie in ihre Nähe kamen.

Warum nur sind Frauen stets so schnell beleidigt. Die leiseste Ahnung davon, nicht geliebt zu werden, läßt viele Frauen schon in den Beleidigungsmodus abdriften nach dem Motto „Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt“. Frauen können beim Schmollen so weit gehen, das sie trotz ausgeprägter Lust auf Erotik, die selbige dem Partner verweigern, damit er endlich mal sieht, was er von seinen Vernachlässigungen hat.

Hedwig war anders. Sie schmollte anders. Sie verweigerte sich auch nicht erotisch. Im Gegenteil, wenn sie in eine Situation kam, die Lysistrata* alle Ehre gemacht hätte, forderte sie den Mann erst recht zum Äußersten heraus und sättigte sich erstmal emotional. Danach packte sie wortlos Tasche, Koffer oder auch einen Umzugswagen, je nachdem was gerade am naheliegendsten schien. Und dann war sie weg und ward meist lange Zeit nicht mehr gesehen. Sie war eine echte Kampfschmollerin, die die Regeln des Schmollens in allen Facetten so gut beherrschte, das die, die sie liebten, ständig auf der Hut waren, sie nicht zu verletzen.

Ihrem jetzigen Partner Sven war das allerdings zu anstrengend. Nachdem man ihn ausdrücklich gewarnt hatte, Hedwig nicht zum Schmollen zu bringen, dachte er lange nach. Da er sie liebte, wollte er den Kampf aufnehmen und überlegte sich Strategien, wie er sie vom Schmollen abbringen könnte.

Er konfrontierte sie dann schließlich mit ihren eigenen Waffen. Als sie ihm eines Abends einen Kuß versagte, weil sie sich gerade die Lippen schminkte, schmollte er und sagte traurig zu ihr „Du liebst mich nicht mehr. Ich bin für dich nur einer von vielen“. Hedwig kam das komisch vor und sie spürte eine leichte Verachtung für ihn, weil er sich so klein machte. „Würdest Du bitte unten im Wohnzimmer auf mich warten, bis ich fertig bin !“ herrschte sie ihn an mit kaltem Blick. Sven warf sich weinend auf den Boden, krümmte sich und schluchzte laut „Wie kannst Du mich so ablehnen. Ich habe Dir doch gar nichts getan“. Und er weinte so bitterlich, das Hedwig noch wütender wurde und ihm schreiend deutete, er möge das Zimmer sofort verlassen. Aber Sven blieb liegen und weinte weiter. Nach einer Weile schritt er zur Hausbar, goß sich einen Martini on the rocks ein und trank ein Glas nach dem anderen leer mit den Worten „Du liebst mich nicht, Du hast mich nie geliebt und ich kann ohne Dich nicht leben“. Schluchzend leerte er die gesamte Flasche, drehte dabei die Musik laut auf und es lief immer wieder von Demis Roussos die Platte „Goodby my Love goodby...“.

Fassungslos stand Hedwig in der Tür und konnte nicht schmollen. Sie konnte auch nicht ihre Tasche packen und gehen. Sie konnte gar nichts. Sie konnte nur eine so tiefe Wut empfinden, das sie den CD-Player aus dem Fenster warf, die Martini-Flasche in den Spülstein donnerte und den mittlerweile stockbesoffenen Sven vom Boden hochzog auf die Couch, wo er sich mehrfach übergab. Das putzte sie denn auch noch weg.

Als sie den armen Sven dann so in seiner Misere liegen sah, kam plötzlich Mitleid hoch, was immer der Anbeginn von Liebe sein kann. Mit feuchtem Lappen putzte sie ihm den Schweiß von der Stirn und murmelte immer wieder „wird ja schon gut, wird ja schon gut“. Dann wurde sie sich ihrer Verantwortung bewußt und brachte ihn ins Bett, auf das er sich ausschlafe.

Geschmollt hatte sie in dieser Beziehung danach nie wieder. Sven hatte ihr gedeutet, das es für ihn leichter gewesen sei, wieder Alkoholiker zu werden nach 10 Jahren Abstinenz als sie zu verlassen – weil er sie doch so sehr liebe.

*Lysistrata forderte im antiken Griechenland die Frauen auf, sich den Männern sexuell zu verweigen, damit diese aufhörten Krieg zu führen (das würden die Frauen heutzutage besser auch mal tun).

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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