Hedwig auf dem Weinfest und die Folgen für den langweiligen Freund
Hedwig liebt es, einmal jährlich zum Weinfest in die Altstadt nach Köln zu pilgern. Dort parliert sie mit den Winzern aus der Pfalz, von der Mosel und der Ahr und nach genug Gespräch und entsprechender Weinseeligkeit fängt sie an zu tanzen. Jährlich spielen dort irgendwelche betagten Herren erst recht langweilige Popsongs der sechziger Jahre – so was wie „No Milk today“ - um nach einigen Flaschen Wein überzuwechseln zu vernünftigen Hardrockversionen.
Ihre sonstige Begleitung konnte in diesem Jahr nicht und so fragte sie ihren langweiligen Freund. Jeder hat irgendwo einen langweiligen Freund oder Freundin – geben Sie es zu, Sie haben so was bestimmt auch. Die langweiligen Freunde zeichnen sich dadurch aus, das sie zwar zu allen „Ja“ sagen und auch überall mitgehen, wo man sie mit hin schleppt – aber sie entwickeln keine Begeisterung.
So saß denn auch der mürrische begeisterungsunfähige Freund der Hedwig beim Weinfest neben ihr auf der Bank mit Leidensmiene. Der Wein war zu sauer und zu warm, der Lärm zu laut, die Musik zu altmodisch. Aber am meisten ärgerten ihn zwei ältere Damen mit schlohweißem Haar, die alleine mit hochroten Gesichtern vor der Altherren-Band den Veitstanz bekamen. Er attestierte ihnen eine Geisteskrankheit und meinte, die gehörten ins Irrenhaus.
Hedwig glättete ihr Gemüt mit einem Gewürztraminer und legte ebenfalls einen Veitstanz hin – nicht ohne vorher gehört zu haben „Wenn Du so auffällig tanzt, wie die beiden Omas, gehe ich sofort nach Hause“. Also tanzte sie noch auffälliger, auf das der langweilige Freund nach Hause gehe. Aber er ging nicht, sondern killte weiter die Stimmung mit bösen Blicken, als auch noch alle zu singen anfingen "Oh Du wunderschöner deutscher Rhein, Du sollst ewig Deutschlands Zierde sein...".
Später dann in der Straßenbahn, saß er wieder mit Leichenbittermiene neben ihr und sprach gar nicht. Hedwig spielte derweil ein Schachspiel, das sie auf ihrer Smartmaschine installiert hatte.
Und als der langweilige Freund plötzlich bemerkte, die ganze Welt könne ihm gestohlen bleiben und das Rheinland sei so furchtbar aufdringlich, hatte sie plötzlich eine Idee.
Mit den noch verbliebenen Zauberkräften zauberte sie den langweiligen Freund geradewegs in ihr Schachspiel hinein – auf die Position des schwarzen Königs. Dort hockte er nun und sah als kleiner Winzling im I-Phone gar nicht mal so schlecht aus.
Hedwig stellte die Spielstärke ein auf Null (das ist für Kinder unter fünf Jahren) und nach wenigen Zügen hatte Weiss den schwarzen König schachmatt gesetzt. Er hatte keine Chance und drohte vom Spielfeld zu verschwinden in die Ungewissheit der Leere der verschwindenden Schachkönige. Wo gehen sie hin, wenn sie geschlagen sind ? Ein höchst unklares Schicksal, vor dem sich der langweilige Freund offensichtlich sehr fürchtete.
Seine winzigen Äuglein flehten aus dem Display heraus die Hedwig an, die letzten Züge zurückzunehmen, damit er noch eine Chance habe in diesem Spiel.
Drei Haltestellen ließ sie den kleinen König schmoren, bevor sie ihn wieder zurück zauberte auf seinen Sitz. Verdutzt schaute der langweilige Freund um sich, schüttelte sich und meinte mit sanftem Lächeln im Gesicht, es sei ein wunderschöner Abend gewesen und man könne bei ihm zu Hause noch eine Flasche entkorken, eine Flasche Gewürztraminer, die er beim Weinfest gekauft habe.
Der kleine Aufenthalt im „Schachmatt“ hatte ihn offensichtlich geläutert...
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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