Hardjob - Hardrock !
Es ist Freitag. Der ultimative Tag des Glücks. Der letzte Arbeitstag der Woche. Ein Grund, sich ohne Ende zu freuen – zwei freie Tage liegen vor mir und: ein freier Freitagnachmittag. DER GEHÖRT GANZ ALLEINE NUR MIR !!! Ich bin frei, verlasse das Büro, habe Hunger. Fasten wollte ich – aber doch nicht heute !!! Mein erster Weg geht an die Nudelbar ins Carschhaus und ich geniesse langsam, als wäre es das letzte mal in meine Leben, einen Teller voller dampfender Spaghetti mit Zucchini und Paprika. Klar hätte ich mir die auch selber kochen können. Und genau deshalb, weil es ja eigentlich aus Sparsamkeitsgründen verboten ist, schmecken sie umso besser.
Es ist der Tag der Schlemmerei. Danach gehe ich an die Kuchenbar zum Italiener. Der hat immer diese Waldbeerentorten auf Mascarponecreme. Und wie immer bestelle ich ein solches Stück mit Sahne ! Und wie immer sagt der Italiener: „Da ist schon eine Creme drin !“ Und wie immer sage ich: „Das macht nichts – ich hätte es trotzdem gerne mit Sahne.“ Weil, die Italiener machen das gleiche wie die Luxemburger: sie süssen die Sahne mit Zucker.
Das darf ich alles nicht, weil es kostet viel Geld und ich möchte schlank werden -aber die innere Katze miaut kläglich in mir und sagt mit leiser Stimme, hypnotisch und unüberhörbar:“Duu hast die GANZE Woche sooo schwer gearbeitet und du gönnst Dir ja sonst nichts – also: SCHLAG ZU !!!!“
Das ist eine sehr böse Katze. Die lenkt mich danach doch tatsächlich noch nach meinem Schuldspaziergang am Rheinufer in den „Weissen Bären“ in der Altstadt von Düsseldorf. Wissen Sie eigentlich, wie schön es im "Weissen Bären" ist am frühen Freitagabend um 18 Uhr ? Man kommt vom Einkaufen herein mit den wichtigen Mitbringseln, die man endlich die Zeit hatte, zu erstehen und dann sitzt man dort in dieser Lasterhöhle des Hardrock und das Gehirn wird AUSGEPUTZT !!!
So ist das im „Weissen Bären“. Es ist um diese Uhrzeit wenig Betrieb – aber die Musik dröhnt einfach hinreissend in beide Ohren. Ich schreie der Kellnerin zu „Eine Bionade !!“ Um mich herum sitzen Japaner, Russen, Engländer – alles Ärzte, die auf dem MEDICA-Kongress verweilen und sich ein Herz bewahrt haben für HARDROCK ! Zwischen AC/DC, Rammstein, Metallica und den Toten Hosen wippen wir still vor uns hin – im Alter zwischen 30 und 70 und können RAUCHEN !!! Das Lokal ist noch ein Raucherlokal. Ich habe mir das Rauchen schon lange abgewöhnt – bin nur noch Gelegenheitspafferin – aber als mir der neben mir sitzende Doktor Krassimir aus Bulgarien eine Fluppe anbietet, sage ich nicht nein und geniesse den blauen Dunst zum Altbier, das mir eine unauffällige Seele auch noch vor mich hinstellt – zur Bionade.
Wir prosten uns zu, schreien uns an auf englisch und mit den letzten Kräften meiner Stimmbänder gelingt es mir, den Kollegen aufzuzeigen, wo sie im besten Brauhaus der Altstadt echtes frisch gebrautes Düsseldorfer Bier trinken können. Ansonsten wünsche ich mir, nun bei „Rammstein“ schweigen zu dürfen und nur zu lauschen. Der Sound lässt mich in den Hüften wippen.
Der „Weisse Bär“ am frühen Freitagabend, bevor die Action losgeht – einfach nur wunderbar. Ich beobachte, wie von jungen Junggesellinnengruppen mit Anführerin im Hochzeitskleid mit Taschenlampe auf dem Kopf bis hin zu langhaarigen alten Künstlerpaaren sich alle möglichen Leute in diesem Lokal niederlassen und nun zu BAP hin und her wippen.
Dann kommt „Alex“ von den Toten Hosen und macht ein bisschen Horrorshow. Na, ja, das nächste Bier von der Ärztegruppe aus Bulgaria muss ich ja nicht unbedingt ablehnen und deren Zigarette auch nicht – es wird gemütlich. Die laute Musik tut ihre Wirkung.
Full Metallsound zieht durch meine Seele und ich bin in Trance. Bin weit weg – reflektiere die letzten Monate, Wochen, Tage meines Lebens und stelle fest, das ich sehr glücklich bin.
Glücklich, noch zu leben, glücklich noch gesund zu sein, glücklich, gleich heimzugehen in die Ruhe meiner Burg, glücklich, nicht mehr so jung zu sein, das ich bis morgens hier sitzen meinen zu müssen.
Ja, vor ca. 30 Jahren bin ich in den „Weissen Bären“ nicht vor Mitternacht gegangen und nicht vor fünf Uhr morgens hinaus gegangen, wenn es denn mal wieder so weit war, mal auszugehen.
Und heute sitze ich da als erfahrene Person, düdele auf meinem I-phone herum, wie alle anderen hier, empfehle gleichaltrigen Messebesuchern seriöse Brauhäuser und sehe im Geiste vor mir, wie ich mir gleich nach Ankunft zu Hause ein Rosmarienbad einlasse, um beizeiten im Bett zu liegen.
So ändern sich die Zeiten. Gute Zeiten – schlechte Zeiten ? Nein: Schlechte Zeiten – Gute Zeiten !!!
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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