Handwerkskammer: Lehrling des Monats ausgezeichnet
Unter den 20.000 Lehrlingen des Handwerks an Rhein, Ruhr und Wupper gibt es zahlreiche junge Persönlichkeiten, die ihre Ausbilder begeistern: aufgrund ihres manuellen Geschicks und ihrer raschen Auffassungsgabe, weil ihre Fachkunde beeindruckt oder ihr ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein, weil sie innovative Ideen haben oder ein Händchen für den Kunden.
Das gilt umso mehr, wenn ein Auszubildender hervorsticht, der in seinem Leben erheblichen Hindernissen trotzen musste. Einen besonders steinigen Weg hat der Kriegsflüchtling aus Afghanistan Muhammad Saber Auriakhil hinter sich, den die Handwerkskammer Düsseldorf und die Kreishandwerkerschaft der Landeshauptstadt am Mittwoch im Ausbildungsbetrieb SHK Niepmann GmbH als „Lehrling des Monats“ Oktober auszeichneten.
HWK-Präsident Andreas Ehlert und Kreishandwerksmeister Thomas Dopheide würdigten angesichts schockierender Erfahrungen und schwieriger Lebensumstände besonders den Lern- und Leistungswillen des Zwanzigjährigen „Sie haben Unvorstellbares gemeistert und nutzen jetzt ihre Chance vortrefflich. Sie und Ihr Ausbilder Christian Klemm haben beide auf Ihre jeweilige Art besondere Integrationsanstrengungen unternommen. Das Ergebnis ist mehr als überzeugend. Das wollen und müssen wir öffentlich machen. Ihr Beispiel soll viele Nachahmer finden!“
Der heutige Handwerks-Azubi im zweiten Lehrjahr Muhammad Auriakhil hatte als 16-jähriger damaliger Hilfsarbeiter eines Zulieferbetriebs der US-Streitkräfte vor den Häschern der Taliban aus dem nordafghanischen Kundus über Pakistan nach Europa fliehen müssen. Seine mit ihm vertriebene Familie blieb in Pakistan zurück; der junge Paschtune hat sie seit dreieineinhalb Jahren nicht mehr gesehen. Auriakhil, der in der von der islamistischen Miliz kontrollierten Nordprovinz keine Schule besuchen konnte, wollte nach Schweden, als nach einem Jahr haarsträubender Wegstrecke zu Fuß und in Fahrzeugverstecken der Transporter mit mehreren Flüchtlingen in Neuss von der Polizei angehalten wurde. In Düsseldorf war „Saber“, wie ihn seine Freunde und Kollegen nennen, zunächst also einfach nur gestrandet. Inzwischen ist die Landeshauptstadt nach seinen Worten aber „neue Heimat“; und er selbst mit besten Aussichten dabei, sich seinen Berufswunsch zum Klimatechniker zu erfüllen. „Seine Motivation ist unglaublich hoch“, so sein Ausbilder Christian Klemm, „Saber ist mit einer riesigen Lernbereitschaft bei der Sache“.
Die half dem jungen Flüchtling bereits in den sechs ersten Monaten in der Aufnahmeeinrichtung Kölner Straße, schnell passabel Deutsch zu verstehen und am Albrecht-Dürer-Kolleg anschließend auch den Hauptschulabschluss Klasse 9 zu erreichen. Im Rahmen seiner nächsten Station, während einer Berufsvorbereitungsphase in der Jugendberufshilfe, hatte Auriakhil bereits erste Gelegenheit, in einem großen Ausbildungsbetrieb der Kälteanlagenbau-Branche zu hospitieren. Entdeckt hatte Christian Klemm den begabten Asylbewerber kurze Zeit später auf einem Berufsorientierungstag am Franz-Jürgens-Kolleg, wo Muhammad (erfolgreich) auch den Hauptschulabschluss Klasse 10 erwarb, der zur Aufnahme einer Ausbildung berechtigt. Klemm bot Auriakhil eine zweiwöchige Hospitanz im eigenen Unternehmen an – und fällte die Entscheidung, trotz laufenden Anerkennungsverfahren sofort einen Ausbildungsplatz zuzusagen. „Saber macht eine fantastische Entwicklung, vor allem seine Anstrengungen, die Sprachbarriere hinter sich zu lassen, sind bewundernswert“.
Das Bewältigen von so viel Wissensstoff in sehr kurzer Zeit habe auch dazu beigetragen, dass sich der Auszubildende zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik – so die offizielle Bezeichnung des Lehrberufs – auch „rasch eine gute Systematik in seinem Tun und Handfertigkeit“ entwickelt habe, so sein Arbeitgeber. Dass Auriakhils Leistungsvermögen so gut zur Geltung kommt, dazu hat es auch das ausbildende Unternehmen selbst an Mühen nicht fehlen lassen. „Die bürokratischen Hürden waren zahlreich. Da bezahlbarer Wohnraum nicht zu finden war, mietete der Arbeitgeber selbst eine Wohnung an und vermietet sie an seinen Auszubildenden weiter. Zu den zahlreichen Dokumenten, die Klemm inzwischen unterzeichnet hat, um Saber die Ausbildung bei ihm zu ermöglichen, gehörte die Erklärung einer verbindlichen Ausbildungszusage, um die Ausländerbehörde zu veranlassen, eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung auszusprechen, eine Stellungnahme gegenüber dem Jobcenter, um eine Fortführung erweiterten Nachhilfeunterrichts in Deutsch durch die Jugendberufshilfe zu erwirken, damit die Prüfungen für den Gesellenabschluss nicht gefährdet sind. Unbürokratische Hilfe steuerte die gemeinnützige Düsseldorfer Organisation Vision:teilen in Form eines Fahrrades zur Verfügung, damit Saber mobil ist.
Natürlich bereiten Saber speziell die theoretischen Unterrichtsinhalte – etwa Explosionsskizzen von Anlagenteilen im fachtechnischen Zeichnen – immer wieder noch mal Verständnisprobleme. „Wir arbeiten dann in enger Abstimmung mit den Berufsschullehrern und den Dozenten der Überbetrieblichen Lehrwerkstatt in der betrieblichen Unterweisung hier im Betrieb intensiv solche Defizite auf, indem wir das Dargestellte – etwa die Funktion einer Pumpenhydraulik – an der konkreten Arbeitsmaschine zeigen können“, machte Klemm die erweiterte Anforderung an den Ausbilder im Alltag anschaulich. „Aber das ist alles nicht wichtig. Wichtig ist, wie gut sich Saber macht, und wie zufrieden wir mit ihm sind!“
„Erfolgreiche Persönlichkeiten sind aus härterem Holz geschnitzt. Mich hat an Muhammad Saber Auriakhil nicht zuletzt dieser Satz aus unseren Vorgesprächen beeindruckt: ‚Ich bin zufrieden mit meiner Entwicklung‘“, freute sich Kammerpräsident Andreas Ehlert mit dem „Lehrling des Monats“ und seinem Chef mit.
Autor:Lokalkompass Düsseldorf aus Düsseldorf |
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