Düsseldorf: Zwischen Birken-, Rethel- und Nordstrasse tobt das Leben

Bei „Oma Erika“ schaue ich versonnen auf das gegenüber liegende Atelier. Das hieß mal „Revolver“. Zu Vernissagen und Atelierfesten war es hier Brauch, das die gesamte Lindenstraße bevölkert war mit Flaschbier trinkenden Menschen.

Auf der Ackerstrasse, ein paar Meter weiter vor dem Waschsalon war es mal Brauch, das die gesamte Ackerstrasse zu bestimmten Zeiten bevölkert war mit Flaschbier trinkenden Menschen.

Die Erstgenannten werkelten nicht und die Zweitgenannten wuschen nicht an jenen Abenden. Aber sie waren da – und das zählte.

Bei „Flingern at night“ ist es ebenso wie bei „Flingern rollt den roten Teppich aus“ - hunderte von Läden sind bis nachts geöffnet und es ziehen Pilgerscharen von Menschen durch den kleinen Stadtteil. Sie erleben Straßenmusik und Häppchen in den Läden umsonst sowie Caipi auf fast jeder Ecke. Dieser Stadtteil groovt manchmal ganz schön vor sich hin.

Früher – vor ca. 20 – bis 100 Jahren – war das völlig anders. Da waren die Ateliers noch kleine Fortuna-Kneipen, wo das Altbier in Strömen floss, wo gesoffen und geraucht wurde bis zum frühen Morgen und da machten schwielige Arbeiterhände noch einen Deckel, wenn das Geld nicht reichte.

Auf der Rethelstraße geht es gesitteter zu. Sie ist ein kleiner Abklatsch der Nordstrasse – oder umgekehrt ? Zwei Supermärkte – bis Mitternacht geöffnet – machen den Büdchen schwere Konkurrenz. Mehrere Bäckereien, ein Eiskaffee, eine Bierschwemme und ein Cupcake-Kaffee im Hinterhof laden ebenso zum Verweilen ein, wie die Bänke auf dem Bürgersteig oder das „Moskito“ am Brehmplatz. Es tobt auch hier das Leben in Vollendung – bis hin zu ALDI, der Großkrönung der Rethelstrasse, weil man hier parken kann und weiß, man kommt auch wieder raus aus der Lücke.

Das ist in der Rethelstrasse eher schwierig. Nimm dort eine Parklücke – und Du wirst unter Garantie in der zweiten Reihe zugeparkt. Du hupst wie der Teufel und irgendwann steht der Dich Zuparkende schimpfend vor Dir, was Dir denn einfalle zu hupen – für die zwei Minuten. Nein, Du hast 20 Minuten gewartet und Deine Stechuhr im Betrieb läuft und der ist das völlig egal, ob Du eingeparkt wurdest.

Das ist auch Leben – der gehobene Mittelstand läuft hier auch mit dem Rotkäppchenkorb durch die Gegend, aber parkt Dich dabei noch zu ! Das geht auf der Nordstrasse wegen der Straßenbahnschienen nicht – aber dafür nerven im Winter die Weihnachtsmärkte und die Leierkastenmänner.

Ach, erzählen Sie mir nichts vom Stadtgewusel ! Ob Nord-, Rethel- oder Birkenstrasse – es bedarf immer wieder einer heiteren Gesinnung, sich dort einzufinden, den Traffic zu riechen, zu erleben, zu spüren – in Augen zu schauen, die vielleicht mal zurücklächeln. Es ist STADT !!!

Es ist das Schwimmen der kleinen Fische im großen Teich. Ist ist dort, wo du ein kleiner Niemand bist. Ein Grund, warum meine Tante aus meinem Dorf niemals weggehen wollte. „In der Großstadt bin ich ein großer Niemand – aber bei mir im Dorf bin ich ein kleiner Jemand“, pflegte sie zu sagen.

In diesem Dorf gibt es kein Gewusel. Das einzige Atelier eines verirrten Städters liegt brach. Es gibt keine Parkprobleme – jeder parkt wo er will und basta ! Rotkäppchenkörbe sind dort bestenfalls zu sehen am Rosenmontagszug, wenn die Helferinnen des Zuges die darin befindlichen Weinflaschen entkorken, um sie plastikbecherweise auszuschenken an die am Rande stehenden Närrinnen und Narren.

Manche Narren gehen in die Stadt und suchen genau dieses Gewusel und den Trend drumherum – und andere kehren zurück in die Dörfer, wo sie einst geboren wurden oder ziehen erstmals dorthin, weil sie die Nase voll haben vom Traffic.

Der Verfasserin des Artikels ist beides suspekt. Sie wird in eine Höhle ziehen. Jawohl: die Höhle ist schon ausgesucht und der Höhlenmann ist schon dabei, die Grottenmolche und die Fledermäuse darauf einzustimmen, das demnächst Gäste kommen. Gäste, die auf zwei Beinen gehen und die die Nase voll haben vom I-Pod, I-Pad, I-Phone, Notebook und Laptop und wie der ganze Kram sich nennt. Zurück zur Natur, zurück zu Hermann Hesse, hin zu Rainer Maria Rilke, zu den Künstlern in Worpswede – zu einer Zeit, wo noch ernsthaft gelebt wurde mit allen zur Verfügung stehenden Sensibilitäten.

Ein Traum, waghalsig hier niedergeschrieben, ein Traum nur – aber was für ein Traum !!!

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

5 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.