Die Samstagsreinigung
Welch eine Gnade ist es doch, katholisch aufwachsen zu dürfen. Alle Sünden werden stets vergeben und so kann man sich dem Wechsel des Lebens in vollen Zügen hingeben. Dem Wechsel insofern, das man auf dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse nach beiden Seiten hin kräftig ausrutschen darf.
Früher war bei uns im Dorf samstags immer Beichttag. Ein ganz besonderer Tag, ging er doch einher mit dem obligatorischen Bad am Samstag abend in der häuslichen Wohnung.
Nachmittags konnten ab 14 Uhr die Kinder beichten gehen und ab 16 Uhr die Erwachsenen. Mein Bestreben war es immer, kurz nach 16 Uhr zu erscheinen, um zu lauschen, was die Erwachsenen erzählen. Man konnte nämlich ALLES hören, was die Beichtenden mitteilten, weil der Pastor schwerhörig war und immer wieder nachfragte „Hä ?!“
Man war ohnehin schon auffällig anhand der Strafen, die er als Busse verhängte. Bei dem Herunterleihern des 6. Gebotes: „Du sollst nicht unschamhaftiges treiben“ - erzählten wir dem Pfarrer denn schon mal von schamlosen Handlungen. Die Frage lautete dann immer: „Alleine oder mit anderen ?“.
Lautete die Antwort: „Alleine“ - gab es zur Buße sieben „Gegrüsset seist Du Maria“ zu beten, lautete die Antwort: „Mit anderen“ - mußte man den ganzen Rosenkranz herunterbeten. So konnten die, die schamhaft weghörten bei dem Beichtgebrüll, letztlich am Beten der langen Rosenkränze dann doch erkennen, wes Geistes Kind das sündige Schaf war, das hier Abbitte leistete.
Gereinigt und seelenweiß traten wir dann den Weg nach Hause an, wo es samstags nachmittags immer eine Kaffee-Tafel für die Familie gab. Denn samstagsmorgens fuhr der Bäcker durch das Dorf mit frischen Kranzkuchen und der wurde traditionell mittags nach der Beichte mit Butter, Marmelade oder Honig im Kreise der Familie verzehrt.
Danach wurde im Badeofen das Feuer entfacht für das obligatorische Bad am Samstag Abend. Das Bad am Samstag Abend reinigte den Körper porentief mit Hilfe der Fichtenadel-Brausetabletten und dem Schwarzkopf-Produkt für das Haupthaar. Kam man dann aus der Badewanne, um sich vor dem gemeinsamen Funkaltar mit der Familie zu versammeln für Peter Frankenfelds Show, glänzte man wie eine Speckschwarte. Ein Teil des Glanzes kann durchaus auch der Nivea-Creme zugeschrieben werden, die meine Pfirsischhaut bis zum heutigen Tage zart erhielt.
Und sonntags morgens konnte man dann seelen- und körpergereinigt im Hochamt den Leib Christi empfangen in Form einer Oblate und fühlte sich mächtig stolz, weil jetzt alles wieder „gut“ war.
Ab Montag ging es allerdings wieder bergab. Man liess wieder Frechheiten aus sich heraus, machte sich beim spielen schmutzig, ärgerte die Eltern und die Lehrer und hatte Schwierigkeiten, die für Kinder zuständigen Gebote des Katechismus streng einzuhalten. Aber das war weiter nicht schlimmt. Denn die Samstagsreinigung machte ja alles wieder gut.
Schön war sie die Zeit der Kindheit bei den Nachfahren der Kelten.
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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