Die Energiewende fängt auf dem eigenen Dach an
Als Walter Joecken den Anlasser betätigt, fährt der Pick-up summend los. Kein Verbrennungsmotor verbirgt sich unter der Haube, sondern Akkus und ein Elektromotor, die das Fahrzeug mit Strom antreiben. Außer den Rollgeräuschen hört man so gut wie nichts. Alle reden von der Energiewende. Walter Joecken, Dachdeckermeister in Düsseldorf-Mörsenbroich, hat sie bereits vor 20 Jahren eingeleitet. Seit 1989 setzt er auf die Kraft der Sonne. Schon damals speiste er Sonnenstrom ins öffentliche Netz ein und fuhr ein Elektroauto. Dafür erhielt er 1989 den Umweltschutzpreis.
Fast autark
Dem ersten E-Fahrzeug sind mittlerweile mehrere gefolgt, Walter Joecken ist damit stets gut gefahren – sprich: er hat positive Erfahrungen mit der E-Mobilität gemacht. Heute erzeugt er zu 80 Prozent seinen eigenen Strom. Möglich wird dies durch die Kombination einer Photovoltaik-Anlage mit einem Akkustromspeicher. Solche technischen Neuerungen passen gut ins Energiekonzept der Bundesregierung, da diese die Stromnetze entlasten will. Denn wird die Sonnenenergie direkt genutzt oder in Akkus zwischengespeichert, muss sie auch nicht abtransportiert werden. Mit allen Solaranlagen zusammen kann Joecken dreimal so viel Strom einspeisen wie er selbst benötigt. Nur wenn nicht ausreichend Helligkeit zur Stromproduktion vorhanden ist und die Akkus nach einigen Tagen entladen sein sollten, muss er noch Strom zukaufen.
Der gebürtige Ratinger führt in fünfter Generation einen Dachdeckerbetrieb. Als sein Vater mit nur 51 Jahren verstarb, musste er, früher als erwartet, den väterlichen Betrieb übernehmen beziehungsweise mit seiner Mutter fortführen. 1958 begann er mit 13 Jahren die Lehre und machte den Führerschein, 1968 war er mit 23 Jahren der jüngste Klempnermeister im Kammerbezirk und legte 1971 die Meisterprüfung im Dachdeckerhandwerk ab.
Im Gespräch merkt man gleich, dass sein Herz für die Natur schlägt, obwohl er weder Mitglied bei Greenpeace oder einer anderen Umweltorganisation ist. „Die Effizienz von thermischen Fahrzeugen liegt nur bei 25 Prozent, der Ausstoß von Schadstoffen ist dagegen gemessen an der Leistung zu hoch. So kam bei mir schon früh der Wunsch auf: Weg vom Verbrennungsmotor, hin zu umweltschonenden Fahrzeugen“, erzählt Joecken. Der ersten Photovoltaik- und Windanlage folgten bald weitere, effektivere Photovoltaik-Kraftwerke auf dem Hallendach – darunter auch ein drehbares Element, das von morgens bis abends der Sonne folgt. Walter Joecken hat eine Vision: „Die Energiewende bietet für das Dachdecker- und Elektrohandwerk eine große Chance. Wenn beide zusammen arbeiten, dann könnte ein Großteil der benötigten Energie vom Handwerker vor Ort geliefert werden. Jeder Immobilienbesitzer hat doch mehr oder weniger große Dachflächen, die man für die Energieerzeugung nutzen könnte. Dafür müsste man noch nicht einmal neue Stromtrassen bauen.“
Ein Konzept, dass so einleuchtend wie einfach ist: Eine dezentrale Energieerzeugung könnte uns von der Abhängigkeit von Stromlieferanten befreien, so Joecken. Frei nach Erich Kästner sagt er: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Solarsysteme und Akkus sind mittlerweile so preiswert geworden, dass es sich wirtschaftlich rechnet Strom nicht nur in die Netze einzuspeisen, sondern zu speichern und jederzeit abzurufen. Bei der Dacherneuerung ist es äußerst attraktiv, Solarsysteme in die Dachflächen zu integrieren. Die Hauptflächen können so gestaltet werden, dass sie zum Haus passen.“ Sein Beruf gibt ihm ein hohes Maß an Zufriedenheit, weil gerade im Dachdeckerhandwerk über die Gestaltung und Ausführung von Dächern langfristige Werte entstehen. „Das Handwerk ist die Wirtschaftsmacht von nebenan, weil viele kleine Schultern etwas Großes ermöglichen“, bekräftigt Walter Joecken.
Autor:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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