Dazwischen gefunkt !
Es war ungefähr um 1899 herum, als der 25jährige Kokaii-Nari am Hafen von Alu-Noafa anlegte, einer winzigen Insel im Pazifik, nahe den Fidschi-Inseln. Er war auf der Heimreise von Papeete mit seinem Einhandsegler und brauchte frisches Wasser und Nahrung.
In dem kleinen Einkaufsshop am Hafen bediente ihn Sula-Inaa und als er in ihre Augen schaute beim Bezahlen, war ihm, als sei er gerade in diesem Moment erst auf die Welt gekommen. Es durchschlug ihn wie ein Blitz. Er hatte sich auf den ersten Blick verliebt.
Sula-Inaa lächelte ihm offen ins Gesicht und schaute etwas länger als sonst gewöhnlich in seine Augen. Auch sie spürte eine leichte Glut in ihrem Herzen, das jetzt etwas schneller schlug als sonst.
Die beiden tauschten ihre Adressen aus. Postboote fuhren damals sehr selten vorbei und so einigten sie sich, über Funk zu kommunizieren. Jeder von ihnen hatte die Möglichkeit, auf seiner kleinen Insel zur Funkstation zu gehen und dort sollte der örtliche Funker die Liebesbotschaften morsen.
Zwei Wochen später kam Kokaii-Nari auf seiner Heimatinsel Tugattu nahe den Salomon-Inseln an und lief als erstes zur Funkstation. Er ließ Sula-Inaa funken, wie schön er sie fand, das er nur an sie denke und das sie die Heldin in all seinen Träumen sei. Ihr seidiges Haar sei wie das Fell einer Raupe und ihre matt-schimmernden Augen so glitzernd wie die Perlmuttmuscheln aus der tiefen See.
Als diese Botschaft ankam auf Alu-Noafa, waren im Funkraum einige Bewohner der Insel zu Gast und lauschten alle gespannt dieser Botschaft. Sie riefen Sula-Inaa, die diese Botschaft mit leicht errötetem Gesicht entgegen nahm und schnatterten aufgeregt durcheinander. „Nun mußt Du ihm aber auch Deine Liebesbotschaft senden – er schreibt schön, er hat es verdient“. „Nein“, mischte sich die Großmutter des Funkers ein „sie ist ein Mädchen und muß sich zurück halten. Sie muß ihn zappeln lassen und darf nur Stück für Stück ihre Gefühle zeigen.“
Nach zwei Stunden lebhafter Diskussion hatte sich die muntere Schar in der Funkstation auf einen kollektiven Text geeinigt. Der lautete: "Wenn Du mit Deinem Einhandsegler bald wieder hierher kommst, werde ich Dich umarmen“. Ja, das war gut ! Alle freuten sich und warteten darauf, was nun kommen würde.
In der Funkstation von Tugattu hatte sich mittlerweile ebenfalls eine kleine Gruppe um Kokaii-Nari versammelt, um die Botschaft entgegenzunehmen. Entgegen der auf Alu-Noafa gemeinsam verfaßten Botschaft lautete diese aber: „Wenn Du auf einem Delphin reiten kannst, so können wir über weitere Pläne sprechen“.
Die Menschen tanzten und lachten als sie die Botschaft lasen und unterstellten der jungen Sula-Inaa einen gesunden Humor. Lange diskutierte die muntere Truppe, wie die Antwort lauten könnte und da sie sich nicht einigen konnten, wurden noch andere Inselbewohner hinzugezogen. Nach drei Stunden hatten etwa die Hälfte aller Bewohner den neuen Text entwickelt: „Nichts ist leichter für mich, als auf einem Delphin zu Dir hinzureiten. Für Dich würde ich das Meer ausschöpfen und daraus einen großen Regen hernieder fallen lassen.“
In Alu-Noafa hatte sich mittlerweile das gesamte Dorf in der Funkstation eingefunden, um die neue Botschaft zu vernehmen. Alle lachten erfreut, als sie lasen, das der verliebte Kokaii-Nari mit einem Delphin anreiten wolle. Sie betrachteten es als einen verliebten Scherz und ließen sich viel Zeit für die Antwort.
Wie bereits erwähnt: es legten seinerzeit nur selten Postschiffe an mit der Überbringung der neuesten Nachrichten und die Funkmeldungen zwischen dem jungen Liebespaar – so weit voneinander entfernt – waren für alle eine große und spannende Abwechslung. Nach Ankunft des Funkspruches applaudierten alle und es wurden die ersten Tänze aufgeführt. Kawa-Kawa wurde getrunken, ein Schwein im Erdloch gebacken unter Bananenblättern und der ein oder andere Palmenschnaps drehte die Runde.
Der Schnaps trieb die Phantasie in höchste Höhen und am Ende des Abends funkte der Funker eigenständig nach Absprache mit der Dorfbevölkerung „Schöpfe nicht das Meer leer – das ist übertrieben. Das kannst du nicht. Aber reite auf Deinem Delphin so schnell Du kannst hierher !"
Glücklich über diese nach Stunden gefundene Formulierung klatschten die am großen Spektakel teilnehmenden Inselbewohner in die Hände und Sula-Inaa freute sich, das alle ihr so tapfer bei Seite standen bei dieser schwierigen Kommunikation.
Auf der Insel Tugattu war man indes auch nicht untätig gewesen. Ein großer Festplatz war errichtet worden mit Bänken, Tischen, Trommlern, Erdlöchern für die gebackenen Schweine und jeder Menge Kawa-Kawa und Palmschnaps. Als die Botschaft aus Alu-Noafa spät am Abend ankam, strahlte der verliebte Kokaii-Nari über das ganze Gesicht und wollte es nun wissen. Bei dem großen anstehenden Fest sollte nun das ganze Dorf unter Hinzuziehung des Weisen Rates der Stammesältesten beraten, was zurückzufunken sei.
Es wurde getrommelt, getanzt, gegessen, getrunken und um Mitternacht als der Mond riesenrund und rot am Himmel stand, entschied sich Kokaii-Nari für die entscheidende Meldung. Kollektiv schritten alle zum Gerät und der Funker funkte „Ich will Dich nicht als Frau. Eine Frau, die von mir verlangt, ich solle mit einem Delphin über das weite Meer zu ihr reiten, ist rücksichtslos. Wie viele Gefahren lauern dort in der Tiefe der See ? Wenn sie es nicht weiß, ist sie dumm. Und eine dumme Frau möchte ich ebenso wenig wie eine rücksichtslose“.
Erleichtert nahm die Bevölkerung von Alu-Noafa diese Botschaft entgegen. Es war den Bewohnern dieser wunderschönen Südsee-Insel nicht entgangen, das bei den Zusammenkünften am Funkgerät der Funker ein Auge auf Sula-Inaa geworfen hatte. Glücklicherweise konnte sie sein Interesse an ihrer Person ein klein wenig erwidern. Glücklicherweise – denn er hatte den ersten Funkspuch ein wenig seinen eigenen Interessen angepasst und daraus ergab sich diese irreführende Kommunikation. Aus Sula-Inaas erster Antwort „Wenn Du mit Deinem Einhandsegler bald wieder hierher kommst, werde ich Dich umarmen“ hatte er gemacht „Wenn Du auf einem Delphin reiten kannst, so können wir über weitere Pläne sprechen“.
Der Funker hatte dazwischengefunkt und Sula-Inaa und Kokaii-Nari sahen einander nie wieder. Aber manchmal dachten sie noch einander – und zwar ein Leben lang...
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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