Bitte eine Portion - aber so, als wären es zwei Sorten...

Hungrig streife ich durch die Feinkostabteilung im Keller des Carschhauses in der Düsseldorfer Altstadt. Nach italienischer Pasta steht mir der Sinn mal wieder. Im Keller des Carschhauses befindet sich seit fast dreißig Jahren eine kleine Nudelbar. Dort duften den hungrigen Gourmet verschiedene Pasta an aus stets schnell ausgewechselten Metallbehältern, die über Wasserdampf heiß bleiben. Links stehen die Lasagne mit Spinat, Hackfleisch oder sonstigen Ingredienzen gefüllt und rechts stehen die Schalen mit den Pasta.

„Was gibt es denn heute“ - lautet die erste Frage und der Finger zeigt auf die Pastaschalen. Es ist immer das gleiche Ritual – aber mit stets wechselnden Pasta:

„Ravioli, Pasta mit Zuccini, Pasta Bolognese, Pasta Paprika, Pasta Tomata mit Oliven, Pasta, Pasta – Basta !“

Man kann drei, zwei oder eine Sorte wählen. Wenn ich drei Sorten wähle, ist es mehr als wie wenn ich zwei oder eine Sorte wähle. Denn der Preis ist gestaffelt – 8,00, 7,50 und 7,00 Euro sind je nach Wahl zu zahlen.

Ich nehme meist drei Sorten, weil ich viel kosten will. Aber einmal beobachtete ich, wie ein italienischer Bauarbeiter auf eine grandiose Pasta zeigte und er verlangte „Einmal für drei Sorten“.

Maria hörte nicht mehr auf zu schaufeln und er bekam einen riesigen Teller Spaghetti von der gleichen Sorte. Sehr appetitlich und zufriedenstellend sah das aus – besser als wie von jeder Sorte so ein bisschen.

Heute komme ich nach tagelanger Abstinenz völlig ausgehungert in den Spaghettitempel und verlange „Einmal für zwei Sorten“. Maria ist nicht da. Der Koch versteht mich nicht. „Zwei Teller mit die gleische Sorte ?“ fragt er und ich verneine. „Nein, eine Sorte mit grünem Spargel auf einen Teller aber so als wären es zwei Sorten“.

Der Koch bekommt große Augen: „Sie wollen zwei Sorten auf die gleiche Teller ?“ „Nein, die Dame möchte eine Sorte auf den gleichen Teller – aber doppelt“, mischt sich eine mondäne Geschäftsfrau mit rotem Hut auf dem blonden Haupthaar ein – freundlich mir zulächelnd.

„Also doch doppelt“, sagt der Koch und befüllt zwei Teller mit jeweils einer Sorte.

Es mischt sich ein Herr ein mit einem Haupt wie Telly Savallas – er läßt eigens dafür sein I-phone sinken und versucht die Lage ruhig zu klären. „Was möchten Sie ?“ fragt er mich. „Ich möchte eine Sorte für zwei – das heißt, eine essen und zwei bezahlen.“ „Das können Sie nicht machen“, sagt Telly Savallas „da legen Sie drauf – essen Sie doch eine Sorte und bezahlen Sie eine und danach essen Sie das gleiche nochmal und bezahlen nochmal“. Dann zahle ich aber doch 14,- Euro, statt 7,- Euro, denke ich und fange an zu verzweifeln. Gleichzeitig muß ich aber herzhaft lachen über die komische Situation der Mißverständnisse. Das Lachen steckt an und alle lachen plötzlich, so als habe man soeben eine geheime Kamera entlarvt.

Zwei Schülerinnen mischen sich ein, indem sie mir anbieten, es dem Koch zu erklären: „Die Dame möchte eine Sorte Pasta essen, aber mehr auf dem Teller haben und dafür möchte sie 7,50 Euro bezahlen“.

Der Koch, seinerseits leicht genervt, fängt plötzlich an, mit dem Spaghettigreifer an die vier Kilo Nudeln auf den Teller zu scheppen und fragt spitzzüngig in meine Richtung, ob das so in Ordnung sei ? Ich glaube, er fühlt sich ausgelacht, was allerdings nicht der Fall ist – wir lachen ja mehr über die Situationskomik. Aber sagen Sie das mal einem Italiener. Er fühlt sich sichtlich unwohl, schaut unwirsch, als ich mich wieder zu Wort melde: „Nein, nein, halt, bitte nur eine Sorte !“ Völlig entnervt schüttet der Koch nun alles zurück in die Schale und eine lebhafte Diskussion entwickelt sich zwischen Telly Savallas, den beiden Schülerinnen, der Geschäftsfrau mit dem roten Hütchen und einem sich nun auch einmischenden älteren Ehepaar, das bis daher still zuhörte. Ich werde nicht mehr gefragt, weil mir alle beteuern, das sie mich verstanden haben – es ginge nur noch um die richtige Formulierung. Allerdings findet niemand die richtige Formulierung, für das was ich möchte. Und Maria, die einzige Köchin, die das versteht, ist nicht da....

Aber plötzlich – sie ist doch da ! Maria, die Reinkarnation einer italienischen Mama kommt aus der Küche auf mich zu: „Du hast Hunger ?“ „Ja“. „Schau – dann iß jetzt das hier“, sagt sie und stellt mir einen Teller Pasta, eine Sorte, vor meine Nase. Der Teller ist gut gefüllt, so als hätte ich zwei Sorten drauf -– und ich zahle am Ende 7,50 Euro.

Während ich die Nudeln gekonnt nur mit der Gabel esse, immer schön drumherum gewickelt ohne Löffel zur Hilfe zu nehmen, habe ich den Eindruck, das alle mich beobachten. Ja, einige fragen auch, ob es mir schmecke. Andere lächeln still vor sich hin und ein tiefer Frieden kehrt ein über der kleinen Nudelbar in der Delikatessenabteilung des Carschhauses.

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

12 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.