Alles gesagt (Teil 2)

bloß nicht hinsehen. | Foto: Bildrechte käuflich erworben bei shutterstock
  • bloß nicht hinsehen.
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Gestern bemerkte mein dreijähriger Sohn beim Anblick des schlotternden fifty-fifty-Mannes: „Mama, alle Leute laufen einfach vorbei.“ Während auch ich weitergehe dreht das Kerlchen sich um, geht noch ein paar Schritte mit mir rückwärts weiter und zieht an mir.
Ja. So einfach ist das. Ich bleibe stehen.

Aus dem gegenüberliegenden Geschäft kommt ein ganz Cooler, gibt dem fifty-fifty-Mann“ fünf“ „Hey Mann, wie geht’s?“
„Das sieht man doch.“
denke ich mit meinem Blick auf die geschwollenen, aufgeplatzten Hände und fange an umständlich nach meinem Portemonnaie zu kramen. Mein Kleiner beobachtet derweil weiterhin das Szenario und meldet mit leichter Entrüstung in der Stimme, dass immer noch alle Leute einfach vorbeilaufen. Während ich noch krame überschlage ich, ob dreieinhalb Cent zu viel oder zu wenig für eine angemessene Spende sind.

Meine Einkaufstasche fällt um - die Mandarinen kullern über den hartgefrorenen Schnee - sollte ich ihm lieber etwas zu Essen kaufen? – warum steht der Mann hier in der Kälte – der fährt bestimmt nachher mit dem Taxi nach Hause – deutsch kann er kaum, Roma? nein irgendwas Russisches – ob er Kinder hat – Mama, alle Leute laufen einfach vorbei - der verdient hier bestimmt gar nicht schlecht – WAS WILL DER TYP VON MIR?

Endlich habe ich mein Portemonnaie gefunden und öffne das Münzfach. Alles was ich sehe sind Plastikmärkchen für den Einkaufswagen und goldfunkelnde Bonustaler aus der Apotheke. Ich erwäge einen Schein zu geben. Aber letztens habe ich noch gehört - dass die sich das merken - und dann per handy ihre Sippschaft informieren - damit sie ausfindig macht wo ich wohne - und sie dann kommen - um nachts - während ich arglos in meinem Bettchen schlummere – MEIN HAUS LEER ZU RÄUMEN.

Ich kippe den gesamten Inhalt des Münzfachs in meine Hand, fingere Plastik und Falschgeld heraus und gebe dem Mann das übrig gebliebene Kleingeld, worauf mein Kleiner einen Schreianfall bekommt: „ICH WOLLTE DAS GEBEN!!!“. Ich weiß mittlerweile einmal mehr, weshalb ich normalerweise wie alle anderen Leute auch, lieber ganz einfach vorbei gehe.

Deutsch spricht der fifty-fifty-Mann wie gesagt nicht und ich bin zu anständig, um ihm die paar Münzen einfach wieder wegzunehmen. Außerdem halte ich es aus erzieherischer Hinsicht nicht für richtig, auch wenn ich das nicht näher erklären kann. Ich gebe also meinem Rumpelstilzchen einen Chip für den Einkaufswagen und setze auf seine Unbedarftheit. Freudestrahlend legt er das Märkchen in die blaugeschwollene Hand des fifty-fifty-Mannes und sagt aus tiefstem Herzen: „Bitteschön!“

So einfach ist das.

Hier geht's zu Teil 1

Autor:

Femke Zimmermann aus Düsseldorf

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