Zwischen Rationalität und Emotionalität

Ein weißer Bildschirm, Leere im Kopf und ein übervolles Herz....wo fängt man da an und wo hört man wieder auf? Schreibe ich einen Brief an meinen Lieblingsverein und an wen adressiere ich ihn? Oder poste ich in irgendwelchen sozialen Netzwerken meinen ständig wechselndes Gemütszustand, werde vielleicht ungerecht oder gar polemisch?

Schweige ich?

Leide ich und lebe strikt nach dem "Glaube-Liebe-Hoffnung"-Motto weiter in meiner kleinen rotweißen Welt?

Oder schreibe ich einfach so runter, was derzeit an Gedanken in mir rotiert wie ein böser Magen-Darm-Virus?

Schwere Entscheidung.

Sich nicht zu entscheiden, ist letztendlich auch eine Entscheidung.

Und der blütendweiße Bildschirm vor mir fordert mich dann doch heraus: schreib!

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Meine stark limitierte Fangeschichte fing irgendwann mit zarten 14 oder 15 Jahren an. Das ist also gut 35 Jahre her. Block R36 mit den ganzen halbwüchsigen Nimmermüden, die das Stadion dazu nutzten, sich selbst zu finden und zu verwirklichen, indem sie für einen Verein ihre Seele aus dem Leib brüllten, der damals noch durchaus dazu in der Lage war "die Großen zu ärgern".

Auf den Ausflug in die Superlativen verzichte ich jetzt. Sepp Meier vor einer Anzeigetafel, die ein 7:1 für Fortuna anzeigt.....geschenkt...kennt jeder...also zumindest dieses Bild. Was man selbst empfunden hat, als man das live und in Farbe miterleben durfte...geschenkt....alle, die sich im Vollblutalter um die 50 befinden wissen das auch so.

Fange ich also damit an, wie es sich anfühlte am Radio zu sitzen und darauf zu hoffen, dass man irgendeinen Spielmitschnitt der Fortuna erlauschen durfte. Mal ging es um was. Mal nicht. Meistens ging es nur darum, ein kleines bisschen Freude zu empfinden oder doch wieder zu der Erkenntnis zu gelangen, dass man nur traurig die Schultern zucken konnte und zu denken "bleibt eben doch ein Scheißverein".

Und dabei dieses kleines Zwicken im Herzen zu empfinden.

Bis dann der Tag kam als ich einen alten Weggefährten wieder traf, der meinte "die Altmeister müssen wieder ran".
Das erste Mal nach langer Zeit wieder im Stadion.
Risikospiel.
Gegen Rotweiß Erfurth.
September 2008.
Block 36.
Drei zu null gewonnen.

Und da war es wieder: dieses Gefühl, dass es nur eine große Fußball-Liebe in deinem Leben geben kann. Da war sie wieder: die lang verschüttete, aber niemals gestorbene rotweiße Liebe.

Und mit ihr auch direkt wieder diese Affinität zu einem ganz bestimmten Spieler, der nicht unbedingt mit einer herausragenden spielerischen Finesse glänzte, sondern mit seiner Leidenschaft, mit seiner Bereitschaft, jeden Zweikampf bedingungslos anzunehmen,, um damit Herzen im Sturm zu erobern.

Damals war es Egon Köhnen. Ich trug das Baumwollleibchen mit der Nummer Vier auf dem Rücken mehr oder weniger Tag und Nacht. Meine Mutter schüttelte entsetzt ihr weises Haupt und konnte nicht nachvollziehen, was ein Mädel im Teenageralter so sehr für einen Mann mit Halbglatze und überdimensionierten Oberschenkeln schwärmen ließ. Heute würde sie sich wahrscheinlich darüber wundern, was so ein altes Mädchen für einen 30-Jährigen Mittelfeldakrobaten schwärmen lässt, der manchmal so über den Platz rennt als wenn er Schwimmflügelchen tragen würde.

Mama, ich kann dir nur eins sagen: Fußball-Liebe kann man nicht erklären! Jeder Versuch ist einfach nur zum Scheitern verurteilt. Entweder man spürt das selbst in der letzten Falte seines Herzens oder man lässt es besser ganz sein.

So ging es also mit mir und meiner wieder gefundenen Liebe stetig bergauf. Alle, die so wie ich vor vielen Jahren gegangen sind...die waren irgendwie plötzlich wieder da. Und alle, die über die Dörfer gereist waren, die waren immer noch da. Ich werde niemals den Tag des Aufstiegs in die 2. Liga vergessen. Traumwetter, Bier am schönsten Büdchen am Rhein...und das Gefühl, dass quasi die ganze Stadt rotweiß war. Ausverkauftes Haus. Wann hatte es das zuletzt gegeben? Gefühle, die niemand beschreiben kann als Marco Christ die Bananenflanke völlig unverhofft im Tor versenkte. Platzsturm, den außer den Beteiligten niemanden interessierte. Zwei Stunden nach dem Abpfiff völlig erschöpfte Gespräche mit Axel Lawarée im Block. Glückstrunken in der Altstadt Karneval feiern. Karneval in rotweiß.

Alles, was danach kam....das kennt jeder Fortune. Stetiger Wachstum, immer begleitet von Niederlagen, von Serien des Misserfolgs. Trotzdem ging immer irgendwas. Trotzdem standen wir immer hinter Vereinsführung und Trainer.

Unvergessen der Tag in Osnabrück. Dicht gedrängter Gästeblock. Sieben Niederlagen in Folge zum Saisonauftakt. Frust pur. Aber immer mit der Hoffnung im Herzen: da geht noch was!

"Norbert Meier!!!" skandiert über 90 Minuten lang.
Keine Zweifel, dass er der beste Mann an der Seitenlinie ist.
Keine Kompromisse.
33. Minute, Freistoß Christ, Tor durch Fink.
Osnabrück legt noch nach.
Zitterpartie.
Es reicht!

ES REICHT!!!

Ein ganzer Block explodiert.
Der beste Freund zieht mit Ansage bei schlechtestem Wetter blank.

Fortuna heißt Glück.

Fortuna heißt Liebe.

Immer!!!!

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Cut

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Und heute?

Wieder Frust pur. Obwohl wir uns im gesicherten Mittelfeld befinden. Obwohl die Hinrunde recht gut gelaufen ist. Und obwohl wir letztendlich nach einer desaströsen Rückrunde wohl ein Abstiegskandidat wären.

Kann man das erklären?

Nein, das kann man nicht. Ein stinknormaler Fan wundert sich, warum ein so großartiger Lauf bis in das Oberhaus der Bundesliga an so einem Punkt wie er sich derzeit abzeichnet endet. Natürlich sucht man für sich selbst nach "Schuldigen".

Aber ist das wirklich so einfach?

Sind da Ansprüche und Erwartungen hoch geschaukelt worden, die einfach viel zu überzogen sind?
Liegt wirklich Missmanagement vor?
Ist es so?
Ist es nicht so?

Ich bin viel zu weit weg von Vereins-Internas, als dass ich das beurteilen könnte.

Ich kann nur aus meinem rotweißen Herzen heraus berichten und urteilen: ich war schon lange nicht mehr so lethargisch wie heute. Ich möchte nicht wie kürzlich wieder mitleidig gefragt werden, ob ich wirklich noch Fortuna-Fan bin.
Natürlich bin ich das.
Allein diese Frage ist schon ehrlos und unwissentlich genug.

Und dann stellt sich mir natürlich die Frage: wissen die Verantwortlichen denn, was es bedeutet, diese Frage überhaupt gestellt zu bekommen?
Was macht ihr in eurer Freizeit?
Lauft ihr auch im Fortuna-Shirt durch die Gegend und lasst euch bemitleiden oder schlimmstenfalls beleidigen?
Und was sagt ihr dann?

Wisst ihr, was es heißt, durch die Hölle des Niemandslandes gegangen zu sein? Und wisst ihr wirklich, was es bedeutet eine lebende Legende namens Lambertz in eurem Verein beschäftigen zu dürfen?

Wenn ihr es (immer noch) nicht wisst, dann startet noch mehr Umfragen an die Fortuna-Fans.

Wenn ihr es wirklich wissen wollt, dann mischt euch unter´s Volk und fragt persönlich nach und scheut auch keine unangenehmen Fragen.

Und falls ihr es schon wissen solltet: macht wat!

Macht et Jungs!

Autor:

Annette Kallweit aus Düsseldorf

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