Gänsehaut allover

Wussten Sie schon, dass so ein Torschrei zusammen mit dreißigtausend anderen Fußballverrückten ungemein glücklich machen kann? Und wussten Sie weiterhin, dass ein ganz normales Fußballspiel an einem Freitagabend in der Esprit-Arena eine Dauer-Gänsehaut erzeugen kann?

Falls Sie das noch nicht wussten, dann sollten Sie mal eins der nächsten Heimspiele von Fortuna Düsseldorf besuchen.

Am Freitag gegen die Dresdner war es nämlich für mich mal wieder so weit. Das mit der Gänsehaut ist bei mir immer so. Egal zu welchem Spiel ich gehe, egal ob es in der heimischen Arena ist oder bei einem Auswärtskick. Sobald ich mich einem Fußballstadion nähere, tanzen meine Körperhärchen Samba. Die Aufregung der anreisenden Fußballfans ist vor dem Spiel schon körperlich spürbar. Alle freuen sich, diskutieren schon mal die mögliche Aufstellung durch, lassen das letzte Spiel innerlich Revue passieren und steuern erwartungsfroh ihre Blöcke an.

Das Spiel gegen die Dynamos hatte diesmal eine besondere Brisanz. Schließlich hatte sich die Presse vorher schon viel Mühe gemacht, vor eventuellen Ausschreitungen der Dresdner Fans zu warnen und es war mit einem massiven Polizei-Aufgebot zu rechnen. Letztendlich hat sich aber heraus gestellt, dass auch die Dynamos ganz normale Fans haben, die diesmal nur ein paar Klopapierrollen auf das Feld haben regnen lassen und der Böllerschuss, der kurz nach dem Anpfiff aus deren Block zu vernehmen war, wurde von den Düsseldorfern gnadenlos ausgepfiffen. Danach war Ruhe! Also, was man so Ruhe nennt. Denn die über dreißigtausend Düsseldorfer feuerten ihre Mannschaft mit einer Vehemenz an, als ginge es um die deutsche Meisterschaft. Und das ist fast bei jedem Spiel so. Es geht immer um alles, es geht immer darum, die eigenen Jungs auf dem Rasen anzufeuern. Und zwar mit allem, was die Stimmbänder hergeben.

Und das war letzten Freitag besonders nötig. Irgendwie hatte man das Gefühl, es wären mehr Dresdner auf dem Platz als Fortunen. Die gegnerische Mannschaft machte die Räume so dicht, dass kaum ein Durchkommen war. Kein schönes Spiel, sondern eher ein zähes Spiel, das nicht besonders schön anzuschauen war. Aber das tut der Stimmung im großen Stadionrund merkwürdigerweise keinen Abbruch. Diesmal wurden wieder Fähnchen auf den Sitzplätzen verteilt und das ganze Stadion erstrahlte in dem allerschönsten Rotweiß, das man sich so vorstellen kann.

Nach dem Ausgleich der Dresdner hatten wohl alle das Gefühl, dass es diesmal vielleicht nicht klappen würde, dass es im Gegenteil passieren könnte, dass es die erste Heimniederlage nach sehr langer Zeit werden könnte.

Als Norbert Meier den Lumpi vom Platz nahm und dafür Jovanovic einwechselte, guckten wir uns alle etwas irritiert an. Zockt der jetzt wieder? Ausgerechnet den Jova? Jetzt? Wo vielleicht doch noch in den letzten Minuten des Spiels etwas drin wäre?

Zwei Minuten Nachspielzeit.
Unentschieden.
Die Stimmung in der Arena kurz vor der Explosion.
Keiner verlässt das Stadion.
Alle stehen.
Alle sehen genau hin.

Und alle brüllen sich die Seele aus dem Leib, als der Jovanovic DAS Tor schlechthin schießt. In der letzten Sekunde.
Der Jova!
Nach dreiundzwanzig torlosen Monaten, netzt der Junge endlich mal wieder ein.

Meier explodiert, rennt über das Feld, schmeißt sich auf den Haufen seiner Spieler.

Die Arena kocht, alles brüllt, alles tanzt, jeder fällt irgendwem in die Arme und küsst wild um sich. Am liebsten würde man den großen Zocker Meier über das Feld tragen und dem Jova die Füße küssen. Dreißigtausend Menschen sind nicht gewillt, das Stadion zu verlassen. Wir würden jetzt hier gerne einfach mal einziehen, die Nacht zum Tag machen und nie wieder aufhören 95-olé zu singen.

So.
Und jetzt wissen Sie, dass so ein Torschrei unheimlich glücklich machen kann.
Oder etwa nicht?

Wir sehen uns.
In der Arena.

Autor:

Annette Kallweit aus Düsseldorf

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