Badetag

Pack' die Badehose ein ...

Samstag halb zehn in Deutschland ...
... Wo ist mein Badeanzug?

Es regnet.
Ich habe die Wahl, ob ich nahtlos vom Frühstück ins Mittagessen übergehe, oder …
… ja, genau, die Badehose einpacken werde.

Der Badeanzug hat bessere Zeiten gesehen, ebenso wie sein Inhalt, der sich gerade schwerfällig vom Frühstückstisch erhoben hat. In der Bade-Schublade finden sich neben ein paar Gummilatschen noch ein Fläschchen mit zersetzter Bodylotion aus der letzten Saison - oder der davor? - und ein Sortiment an „Eierkneifern“ in den modischen Farben der letzten dreiundzwanzig Jahre. Ich wähle einen zeitlos schwarzen und packe ihn zu den restlichen Bade-Utensilien.

Schwimmenkönnen ist eins der Dinge, die der Mensch frühzeitig lernen und beherrschen sollte, um im Laufe seines Lebens nicht hoffnungslos unterzugehen.
Ich sitze also im Babybecken, Seite an Seite mit fremden, erwachsenen Männern, die nicht mehr, aber auch nicht weniger am Leib haben, als einen winziges Höschen aus einer Mischung aus Polyamid und Elasthan. Die wenigen modernen, die Shorts aus leichtem wasserabweisenden Material tragen sind wahrscheinlich alleinerziehende Teenage-Väter, die an diesem Tag etwas Besonderes mit ihren Kindern unternehmen wollen.
Einige liegen leger im Wasser. Mit jedem Wellenschlag blähen sich die Schwimmhosen der Modernen im Schritt zu großen Beulen, um dann wieder mir nichts, Dir nichts ineinander zu fallen. Eins zu null für die Zeitlosen.

Einer ist ein gefährliches Krokodil, ein anderer hat einen Ausschlag, den ich nicht einmal einem Tier zuordnen könnte.
Gerade hole ich aus, um dem fast Nackten neben mir eine zu scheuern, da bemerke ich glücklicherweise im letzten Moment, dass nicht er es ist, sondern eine Gummiente, die zwischen meinen Schenkeln gelandet ist.
Der Kleine schüttet mir einen Eimer Wasser über den Kopf und ich rufe entsetzt :„Huuuuuiiiääääiiiui“, obwohl ich sowieso schon bis auf die Knochen nass bin.
Er findet es auch noch lustig.

Eine alte Oma im trockenen Badeanzug mit eingenähten Körbchen in eben der Eimergröße hat die Szene amüsiert beobachtet und fragt mit dem Versuch, mir ein positives Gespräch aufzuzwängen: „Wie alt ist denn der Kleine?“
„Jahrgang siebenundsechzig“ antworte ich, als der mit dem Einer-aus-dreiundzwanzig-Eierkneifern mich in eben diesem Moment mit einer Wasserpistole noch nasser spritzt. Jahrgang 09 pieselt durch seine Windel-Badehose.
Die Temperatur des Wassers ist angenehm.

Auf der Flucht vor dem gefährlichen Krokodil gehen wir Richtung große Wasserrutsche. Sie ist für unter Dreijährige verboten. Mit dem Blick auf die vielen eingeweichten Füße über mir, konstatiere ich, dass sie es für jegliches Alter sein sollte.
Wir warten nicht bis die Ampel grün ist, um einen Vorsprung aufzubauen, und kreischen als wäre das Krokodil nun auch hinter uns her. Wir werden von Mal zu Mal mutiger. Ich schiebe den Kleinen voraus, lasse los und hole ihn wieder ein. “Nochmal, nochmal!“ bis der Fußpilz auf den Stufen für mich scheinbar unüberwindbare Größe angenommen hat.

Auf dem Weg zur Dusche sehe ich, wie ein Vater seinem Kind auf dem Sprungbrett stehend einen Stoß gibt, damit es endlich den Sprung ins kalte Wasser bewältigt. Die Schwimmflügel helfen dem Kind hier in der Höhe wenig. Immerhin geht es nicht unter und alle sind froh.
Unter der Dusche treffe ich die ehemalige Klassenlehrerin meiner Großen “Guten Tag, was machen SIE denn hier?“.
Ich nehme mir vor, mich bei passenderer Gelegenheit nach ihrer Coloration zu erkundigen, stelle ich doch erst heute fest, dass ihr Kopfhaar offenbar gefärbt ist.

Dann suchen wir Schrank Nummer dreihunderteinundsechzig. Ab wann muss man nachzahlen?
Bis wir uns der Badesachen entledigt haben, sind die nassen Sachen um den Anteil trockner, den die trocknen nun nasser sind. Am Ende, nach dem Abwischen der Füße ist das Handtuch schwarz.

Noch Tage später, trotz mehrmaligen Duschens, rieche ich nach Chlor.
„Besser als nach Fußpilz,“ denke ich und bemühe mich ernsthaft, nicht im Meer der Gefühle unterzugehen, das über mich kommt, als der Kleine mir guten Mutes seine Schwimmflügel bringt, als Zeichen, dass es bald wieder Samstag ist.

Autor:

Femke Zimmermann aus Düsseldorf

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