Stiff-Man-Syndrom
Was ist das Stiff-Man-Syndrom?

Beim Stiff-Man-Syndrom handelt es sich um eine chronische, autoimmun-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems einhergehend mit motorischen Einschränkungen wie rigider Muskeltonus, tonische und schmerzhaft einschießende Spasmen, wobei hier meistens der Rumpf und die Beine betroffen sind,, Hyperreflexie und Myoklonien. Das Stiff-Man- Syndrom hat nicht selten eine schwere Gangstörung zu Folge mit Blockaden (Freezing) und schweren Stürzen. Dabei stürzen die Betroffenen wie ein „Baum“, weil die Stellreflexe sehr häufig gestört sind. Diese Stürze können zu schweren Verletzungen führen. Diese Stürze kommen durch durch myoklonische Spasmen bei erhaltenem Bewusstsein zustande und sehr oft ohne Abfangreaktion mit erheblicher Verletzungsgefahr. In den meisten Fällen stürzen die Betroffenen unkontrolliert auf das Gesicht bzw. auf den Kopf. Rigidität und Spasmen sind provozierbar. Sie können durch Berührung und auch lärm ausgelöst werden.

Ferner zeigen sich bei den Betroffenen häufig Skelettdeformierungen. Auch sind schwere autonome Dysfunktionsstörungen bei den Betroffenen zu beobachten.

Zu den neuropsychiatrischen Symptomen gehören Angststörungen, hier insbesondere Agoraphobie bzw. Pseudoagoraphobie. Die Betroffenen können weder große Plätze überqueren- noch die Straßen, weil sie Angst haben zu stürzen, was in der Tat auch häufig der Fall ist. Sie ziehen sich daher zurück und damit wird die Teilhabe am Leben nahezu unmöglich. Im Raum bewegen sich die Betroffenen nicht selten entlang einer Wand und versuchen sich an diese festzuhalten. Dabei kommt es trotzdem zu Stürzen, weil auch das Gleichgewicht sehr stark beeinträchtigt ist. Zudem zeigt sich bei den Betroffenen eine gesteigerte Schreckhaftigkeit.
Bei Stiff-Man-Syndrom zeigen sich verschiedene klinische Varianten. In den seltenen Fällen ist nur eine Gliedmaße betroffen („Minusvariante“). Bei der „Plusvariante“ des Stiff-Man-Syndroms sind neben einer progressiven Enzephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonien auch andere neurologische Ausfälle bzw. Symptome zu beobachten wie epileptische Anfälle, Ataxien, Sensibilitätsstörungen, Paresen und eine ausgeprägte Störung des autonomen Nervensystems im Sinne von arterielle Hypertension, Tachykardien, Dyspnoe und Hyperhydrosis.

Die Genese des Stiff-Man-Syndroms ist nicht hinreichend geklärt. Aber es zeigen sich bei vielen der Betroffenen (ca. 70 %) Autoantikörper gegen Glutamat-Dekarboxylase. Ferner eine gesteigerte ZNS-Erregbarkeit. Auch werden Antikörper gegen Proteine inhibitorischer Synapsen wie GAD und Amphiphysin detektiert. Das Stiff-Man-Syndrom zeigt eine Verwandtschaft mit anderen Autoimmun-Enzephalopathien wie Zerebellitis, Epilepsien und der limbischen Enzephalopathie. Die Erkrankung korreliert nicht selten mit Diabetes mellitus Typ 1, Thyreoiditis und nicht selten auch mit Gastritis und B 12-Mangel und Multiple Sklerose.
Das Fehlen von GAD-Antikörpern und anderen verwandten Antikörpern spricht nicht gegen ein Stiff-Man-Syndrom, wenn die klinischen Symptome gegeben sind. Das Stiff-Man-Syndrom ist in erster Linie eine klinische Diagnose.

Die Diagnostik besteht aus einer klinischen Untersuchung, wobei die klinischen Ausfälle prominent sind und auch provozierbar sind. Des Weiteren durch Bestimmung der Antikörper, einer kernspintomographischen Untersuchung vom Kopf, der Untersuchung der Hirnflüssigkeit (Liquor) und der Messung der Aktionspotentiale in den betroffenen Muskelarealen.

Doch auch wenn alle laborchemischen und die apparativen Untersuchungen unauffällig sind, so kann die Diagnose anhand der klinischen Symptome gestellt werden.
Aufgrund einer Korrelation mit Malignome- sollte diesbezüglich eine Abklärung erfolgen.

Differenzialdiagnostisch sind psychogene Gangstörungen, Tetanus, Neuromyotonie, Tumore, Multiple Sklerose und axiale Dystonien auszuschliessen.

Im klinischen Alltag wird das Stiff-Man-Syndrom häufig nicht erkannt und die klinischen Symptome wie u.a. Gangstörung, Schreckhaftigkeit und Ängste schnell als psychogen tituliert. Hier gilt es entsprechende Expertinnen mit ins Boot zu holen. Entsprechende Zentren und Expertinnen sind leider rar in Deutschland.

Eine Spontanheilung ist sehr selten. Eine Heilung durch Therapien ist leider aktuell nicht möglich. Die Therapien zielen auf Linderung der Symptome, um den Betroffenen die Teilhabe am Leben zu ermöglichen.
Aktuell gibt es verschiedene Therapieoptionen. Immuntherapeutisch kann mit Immunglobuline therapiert werden wie auch mit Methylprednislon und in einigen wenigen Fällen mit Plasmapherese und Immunabsorption.

Die symptomatische Therapie ist vielfältig. Neben der Physiotherapie und Botoxbehandlungen- kann auch als Ultima Ratio mit einer intrathekalen Baclofen-Applikation behandelt werden. Medikamentös können Benzodiazepine eingesetzt werden, hier kann es im verlauf zu Toleranzbildung kommen, aber auch mit Pregabalin, Gabapentin, Baclofen kann ein Behandlung erfolgen, die allerdings kaum zu einer Linderung der Symptome führen.

Eine Behandlung mit Rituximab ist ebenfalls möglich. Allerdings ist dieser therapeutische Antikörper hinsichtlich B-lymphozyten, die u.a. die krankheitsverursachenden Antikörper produzieren, nicht selektiv. Rituximab zerstört unspezifisch alle B-Lymphozyten und schwächt damit das Immunsystem der Betroffenen erheblich.

Insgesamt muss zum jetzigen Zeitpunkt konstatiert werden, daß keine wirklich befriedigende Therapie zur Verfügung steht. Die symptomatische Therapie kann allerdings die Symptome reduzieren und den Betroffenen das Leben einigermaßen erleichtern. Entscheidend ist auch, daß entsprechende Expertise vorhanden ist, die diese seltene Erkrankung kennt und erkennt und adäquat behandeln kann- insbesondere auch in Notfällen. Im Falle eines Status spasmodicus ist eine intensivmedizinische Behandlung mit Midazolam-Perfusor dringend indiziert, um lebensbedrohliche Dysautonomie und kardiozirkulatorische Störung zu stoppen und einer Irradiation in die Thorax-Larynxmuskulatur entgegen zu wirken.
In Deutschland gibt es wenige Zentren, die sich auf das Stiff-Man-Syndrom spezialisiert haben. Der Vorteil in den westlichen Industrieländern besteht darin, daß unabhängig von Zentren, in Notfällen dennoch adäquat behandelt werden kann. Es wird davon ausgegangen, daß in Deutschland ca. 350 Menschen betroffen sind. In den meisten Fällen sind es Frauen.

Mimoun Azizi

Autor:

Mimoun Azizi aus Düsseldorf

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