Praktikum hilft bei Bewerbung

Im April 2011 führte die Handwerkskammer Düsseldorf unter rund 2.100 Betrieben, die in den vergangenen Jahren ausgebildet haben, eine Umfrage zur Qualifikation der Ausbildungsbewerber durch. Die Umfrage traf den Nerv der Betriebe, denn der Rücklauf der Umfrage war ungewöhnlich hoch: Rund ein Viertel der angeschriebenen Betriebe (501) hat sich an der Umfrage beteiligt. Auf dieser Grundlage kann ein realistisches Stimmungsbild zur Bewerberqualifikation im Handwerk gezeichnet werden. Wichtige Ergebnisse der Umfrage sind:

1. In jedem sechsten Betrieb blieben Ausbildungsplätze unbesetzt

Jeder sechste Betrieb berichtete davon, dass er im letzten Jahr nicht alle der angebotenen Ausbildungsplätze besetzen konnte. In knapp zwei Drittel der Fälle lag dies daran, dass die Bewerber nicht qualifiziert genug waren, jeweils mehr als ein Drittel der betroffenen Betriebe führte an, dass es entweder zu wenige Bewerber gab oder der Lehrling inzwischen die Ausbildung abgebrochen hat. Die größten Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen, werden von den Betrieben des Nahrungsmittelgewerbes und des Gesundheitsgewerbes gemeldet, während die Probleme im Bauhauptgewerbe am geringsten sind.

2. Einstellungsgespräch und Praktikum sind wichtige Grundlagen für die Einstellungsentscheidung

Die Betriebe wurden befragt, was für die Entscheidung über einen Bewerber aus ihrer Sicht wichtig ist. Fast 85 Prozent stuften das Einstellungsgespräch als sehr wichtig ein. Für über 70 Prozent ist auch ein Praktikum eine sehr wichtige Entscheidungshilfe. Nur ein Drittel der Betriebe stuft dagegen die schriftlichen Bewerbungsunterlagen als „sehr wichtig“ ein, aber immerhin über 60 Prozent sehen diese zumindest als „wichtig“ an. Deutlich geringere Bedeutung haben dagegen Einstellungstests oder eine persönliche Empfehlung. Immerhin 43 bzw. 47 Prozent halten diese Informationsquellen für „unwichtig“. Die Betriebe legen demnach Wert darauf, sich ein persönliches Bild von den Bewerbern zu machen, und besonders gute Chancen haben Bewerber, die den Betrieb zuvor durch ein Praktikum bereits kennengelernt haben und wissen, auf was sie sich mit der Bewerbung einlassen.

3. Die meisten Betriebe sind mit den schriftlichen Bewerbungsunterlagen und dem Auftreten der Bewerber in Vorstellungsgesprächen zufrieden, aber sie beklagen die zu geringe Bezugnahme und Informiertheit der Bewerber über ihr Unternehmen.

Die Qualität der Bewerbungsunterlagen wird von Betrieben insgesamt als ordentlich eingeschätzt. Sowohl der optische Gesamteindruck als auch die Vollständigkeit und Richtigkeit werden von rund 90 Prozent der Betriebe als „gut“ oder „in Ordnung“ bewertet. Nur in einer Hinsicht sind die Betriebe nicht zufrieden: Immerhin 42 Prozent klagen darüber, dass die Bewerber zu wenig den konkreten Bezug auf das Unternehmen herstellen. Ein ähnliches Manko förderte auch die Frage nach der Einschätzung der Vorstellungsgespräche zutage. Auch hier klagen rund 46 Prozent der Betriebe darüber, dass die Bewerber zu wenig über das Unternehmen und das Berufsbild informiert sind. Knapp ein Drittel der Betriebe beklagt sich über das Ausdrucksvermögen der Bewerber. Besser eingeschätzt werden dagegen das äußere Erscheinungsbild und das Auftreten. Diese werden ganz überwiegend als „gut“ oder „in Ordnung“ eingeschätzt. Es scheint demnach ein wichtiger Ansatzpunkt für die Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen zu sein, dass die künftigen Bewerber frühzeitig dafür sensibilisiert werden, dass sie sich besser über das für sie in Frage kommende Berufsbild informieren und sich zielgenauer auf die Bewerbung bei einem konkreten Unternehmen vorbereiten.

4. Die Ausbildungsvoraussetzungen der Schulabgänger: Ordentliche „Sekundärtugenden“, Defizite in den Grundlagenfächern

Die Bewertung der Ausbildungsvoraussetzungen der Schulabgänger fällt zwiespältig aus. Die vieldiskutierten „Sekundärtugenden“ der Bewerber werden von den Unternehmen überwiegend als „gut“ oder „in Ordnung“ eingeschätzt. Lediglich zwischen 20 und 30 Prozent der Betriebe schätzen die Leistungsbereitschaft, Fleiß und Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Lernbereitschaft oder Umgang mit Kunden als „schlecht“. Aber immerhin ein Drittel der Betriebe beurteilt die körperliche Belastbarkeit der Bewerber als „schlecht“. Problematischer sind dagegen die Antworten, die auf das schulische Allgemeinwissen der Bewerber abzielen. Zwar werden die Computer-Kenntnisse ganz überwiegend als „gut“ oder „in Ordnung“, aber das Urteil über das Wissen in den klassischen Kernfächern fällt kritischer aus. 58 Prozent der Betriebe klagen über schlechte Mathematik-Kenntnisse, etwa die Hälfte über schlechte Englisch-Kenntnisse, 44 Prozent finden die Deutsch-Kenntnisse schlecht und 37 Prozent die Kenntnisse in Naturwissenschaften und Technik. Angesichts der technischen Innovationen und Herausforderungen in vielen Gewerken und angesichts des wachsenden Bedarf vieler Unternehmen, auch mit ausländischen Geschäftspartnern und Kunden zu kooperieren, deuten diese Antworten darauf hin, dass nicht alle Bewerber die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, um dem einsetzenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

5. Das Handwerk setzt zunehmend auf mittlere Bildungsabschlüsse

Das Qualifizierungsniveau steigt in vielen Gewerken aufgrund technologischer Innovationen an. Deshalb bevorzugen die Betriebe zu 41 Prozent inzwischen Bewerber mit Fachoberschulreife (Mittlere Reife). 35 Prozent setzen nach wie vor auf den Hauptschulabschluss. Hier gibt es allerdings auch branchenspezifische Unterschiede. Im Gesundheitsgewerbe setzt beispielsweise jeder vierte Betrieb auf das Abitur als schulische Qualifikation. Nur im Bauhauptgewerbe und im Nahrungsmittelgewerbe ist der Hauptschulabschluss noch der bevorzugte Schulabschluss.

6. Kopfnoten sind verzichtbar, aber die Betriebe brauchen verbindliche Aussagen über das Arbeits- und Sozialverhalten

Vor kurzem wurden in Nordrhein-Westfalen die umstrittenen Kopfnoten wieder abgeschafft und es den Schulen frei gestellt, schriftliche Aussagen über das Arbeits- und Sozialverhalten in die Zeugnisse aufzunehmen. Dies wurde von den Handwerksorganisationen kritisch bewertet. Die Umfrage ergibt nun ein differenzierteres Bild. Vor die Frage gestellt, was ihnen für die Beurteilung der Bewerber hilfreicher sei, antworteten 36 Prozent der Betriebe, dass sie Kopfnoten bevorzugten, während 54 Prozent sich lieber auf schriftliche Aussagen stützen. Nur knapp 20 Prozent finden weder das eine noch das andere hilfreich. Nur im Bauhauptgewerbe und bei den Gesundheitshandwerken halten sich Befürworter von Kopfnoten bzw. schriftlichen Ausführungen einigermaßen die Waage. Die politische Botschaft der Betriebe an die Landespolitik ist damit eindeutig: Die starren Kopfnoten, wie es sie bisher gab, sind für die meisten Betriebe zwar verzichtbar. Aber die Betriebe sind nach wie vor dringend auf Aussagen über das Arbeits- und Sozialverhalten angewiesen, um sich ein Urteil über ihre Bewerber zu machen. Die Einführung von schriftlichen Ausführungen auf den Zeugnissen ist aus Sicht der Betriebe also durchaus hilfreich. Aber es sollte nicht – wie nach der jetzt geltenden Regelung – den Schulen überlassen bleiben, ob sie diese Ausführungen in die Zeugnisse aufnehmen, sondern es sollte eine für alle Schulen verbindliche Regelung vorgenommen werden.

Autor:

Norbert Opfermann aus Düsseldorf

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