Handwerk erwartet Masterplan für die Energiewende

ZDH Präsident Otto Kentzler | Foto: ZDH
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Einen Masterplan für die Umsetzung der Energiewende fordert ZDH-Präsident Otto Kentzler im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd (2. März 2012). Moniert wird vor allem die ausbleibende Förderung der Gebäudesanierung. Kentzler erwartet für den Rest der Legislaturperiode von der Bundesregierung eine Fortsetzung der Strukturreformen in der Steuerpolitik, Fortschritte beim Bürokratieabbau, der Bewältigung des demografischen Wandels - ob beim Arbeitsmarkt oder in den sozialen Sicherungssystemen - und die Sicherstellung einer mittelstandsgerechten Kreditfinanzierung.

Die Spitzen der schwarz-gelben Koalition treffen sich am 4. März, um über ihren Arbeitsplan für 2012 zu beraten - welche Themen halten Sie für vordringlich?
Kentzler: Vordringlich ist das Ziel, dass die Energiewende endlich an Fahrt gewinnt! Weitere Schwerpunkte setzen wir bei der Fortsetzung der Strukturreformen in der Steuerpolitik, beim Bürokratieabbau, der Bewältigung des demografischen Wandels - ob beim Arbeitsmarkt oder in den sozialen Sicherungssystemen - und bei der Sicherstellung einer mittelstandsgerechten Kreditfinanzierung.

Wie bewerten Sie die Umsetzung der Energiewende?
Kentzler: Wo bleibt der Masterplan? Die energetische Gebäudesanierung verkommt zum Stiefkind der Politik! Dabei kann sie am meisten Energie sparen helfen und die Förderung lohnt sich unter dem Strich für alle. Doch die Mittel für das CO2-Sanierungsprogramm sind nicht gesichert, die steuerliche Förderung wird im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern weiter blockiert. Dazu kommt: Der Netzausbau stockt. Die dezentrale Energieerzeugung reizt ihre Potentiale noch längst nicht aus. Die Politik muss jetzt die Blockade lösen. Richtschnur müssen Verlässlichkeit, Planbarkeit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung sein.

Unternimmt die Bundesregierung genug zur Reform der Sozialversicherungen?
Kentzler: Die für 2012 geplante Ergänzung des Umlageverfahrens bei der Pflegeversicherung durch ein staatlich gefördertes kapitalgedecktes Element ist ein erster richtiger Schritt, um sie demografiefest zu machen. Die Pflegekosten sollten jedoch grundsätzlich vom Lohn abgekoppelt werden. Eine Beitragsanhebung verteuert die Personalzusatzkosten und bedroht so Beschäftigung.

Das Handwerk hat sich ein Ziel gesetzt: "Arbeit bis 67". Wir beraten die Betriebe intensiv, damit alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, Mitarbeiter so lange wie möglich zu beschäftigen. Nur wo das nicht möglich ist, müssen Politik und Sozialpartner gemeinsam Wege für einen möglichst gleitenden Ausstieg finden. Teilrenten werden im Rahmen des Rentendialogs diskutiert. Wichtig: Die Regelungen müssen für kleine Betriebe und die älteren Mitarbeiter verständlich und leicht umsetzbar sein.

In der Steuerpolitik hat die Koalition zwar den Abbau der sogenannten kalten Progression beschlossen, kommt dabei aber wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nicht voran - welche Forderungen haben Sie bei diesem Thema?
Kentzler: Das Feilschen um den beschlossenen kleinen Einstieg in den Abbau der kalten Progression ist für mich unverständlich. Gerade die kleinen und mittleren Verdiener sollen wieder mehr Netto unter dem Strich sehen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber einigen sich doch nicht auf mehr Brutto, um dann den Löwenanteil des Mehrverdienstes dem Staat zuzuschieben.
Die Politik - Bundesregierung und Opposition - muss auch endlich, und zwar dauerhaft, Transparenz schaffen, wie hoch die zusätzlichen Steuereinnahmen aus der kalten Progression sind. Dann kann jeweils entschieden werden, ob weitere Korrekturen im Tarif notwendig sind.

Wäre eine Senkung oder Abschaffung des Solidaritätszuschlags sinnvoll?
Kentzler: Das ist eine weitere Baustelle. Das Handwerk hält an seinem Vorschlag fest, den Soli schrittweise abzuschaffen. Die Einnahmen liegen längst weit über dem Betrag, der aktuell für die Aufgaben des Aufbaus Ost aufgewendet werden müssen.

Wie bewerten Sie insgesamt das Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition? Ist das Bündnis trotz des Umfragetiefs der FDP in ausreichendem Maße handlungsfähig?
Kentzler: Die Koalition selbst legt Vorschläge vor, die wir positiv bewerten. Etwa zur steuerlichen Förderung der Energiewende, oder zur Rückführung der kalten Progression. Die Blockade dieser Gesetze erfolgt im Bundesrat - unabhängig von der politischen Farbe.

Ist zu befürchten, dass die Reformfreudigkeit der Bundesregierung wegen der bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen abnimmt?
Kentzler: Deutschland braucht Fortschritt - in der Steuerpolitik, bei Bürokratieabbau, bei der Energieeffizienz, bei der Beschäftigung des demografischen Wandels. Wir haben in der Vergangenheit die Standortbedingungen so verbessert, dass die aktuell besser dasteht als in den meisten anderen Ländern. Doch jeder Unternehmer weiß: Stillstand ist gefährlich. Ohne Innovationen beginnt heute schon der Rückschritt. Das gilt auch für die politischen Rahmenbedingungen.

Welche konjunkturelle Entwicklung erwarten Sie im weiteren Verlauf des Jahres in Deutschland - auch mit Blick auf die Euro-Schuldenkrise?
Kentzler: Bei der Bewältigung der Herausforderungen der Staatsschuldenkrise hilft natürlich der gute Konjunkturverlauf. Aber den müssen wir verstetigen. Die Binnennachfrage muss dafür gestärkt werden, sie ist unser Stabilitätsanker. Wenn das gelingt, bleiben wir im Plus, auch im Handwerk.

Welche weiteren Schritte halten Sie beim Vorgehen gegen die Euro-Schuldenkrise für notwendig - oder sehen Sie bereits einen Anlass zur Entwarnung?
Kentzler: Die deutsche und die europäische Politik müssen die EU nachhaltig zu einer Stabilitätsunion entwickeln - ohne zu einer Transfersunion zu werden. Schuldenbremse und die Stärkung der wechselseitigen finanzpolitischen Stabilisierungsverpflichtungen sind dafür der richtige Weg.
Wie bewerten Sie die Entwicklung beim Thema Fachkräftemangel?
Kentzler: Die gute Arbeitsmarktlage und die demographische Entwicklung bewirken, dass die Handwerksbetriebe immer größere Probleme haben, freie und Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerben zu besetzen. Erforderlich ist deshalb eine vom Handwerk begleitete Qualifizierungsoffensive - angefangen von den Schulen bis hin zu Langzeitarbeitslosen, die möglichst individuell für die Aufnahme einer Arbeit gefördert, aber auch gefordert werden müssen. Dabei sind es gerade die Handwerksbetriebe, die bereit sind, leistungswilligen und –leistungsfähigen Arbeitssuchenden eine Chance zu geben.

Interview: Jörg Säuberlich

Quelle: ZDH

Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://malerdüsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de

Autor:

Heiner Pistorius aus Düsseldorf

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