Dolmetscher-Typen und ihre Ausprägungen
Dolmetscher im Gesundheitswesen
Dolmetscher-Typen und ihre Ausprägungen
Mg. Dr. med. Mimoun Azizi, M.A.
Dolmetschen ist ein hochkomplexer Prozess. Der Einsatz von Laiendolmetschern oder sogenannten Fachkräften, die im Dolmetschen nicht fortgebildet sind, ist nicht selten eine Gefahr für den Patienten und kann, wenn eine Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Patienten vorliegt,auch juristische Konsequenzen zur Folge haben. Die meisten Laiendolmetscher verfügen nicht über ausreichende sprachliche Deutsch-Kenntnisse. Hinzu kommt, daß es sich im Gesundheitswesen umein hochsensibles Gebiet handelt mit einer eigenen Terminologie und Sprachverständnis. Die hiertätigen Dolmetscher müssen über entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um in der Übersetzung dem Arzt und Patienten gerecht zu werden. Ein Dolmetscher muss in der Lage sein eine Transparenz herzustellen. Zudem ist Verschwiegenheit, Sachlichkeit und die Fähigkeit auch unterschiedliche kulturelle Färbungen der Schilderung des Patienten wahr zu nehmen und richtig zuübersetzen, eine fundamentale Voraussetzung, um dieser Tätigkeit ausüben zu dürfen.Unparteilichkeit, Würdigung und professionelle Distanz zum Patienten sind für eine adäquate Übersetzung in der Anamneseerhebung seitens des Arztes unabdingbar. Auch die Dolmetschertätigkeit verfügt über entsprechende ethische Grundsätze. Diese beinhalten u.a. Unparteilichkeit, Würdigung , Empathie und professionelle Distanz zum Patienten. Diese sind für eine adäquate Übersetzung unabdingbar. Unethisches Verhalten seitens des Dolmetschers, wenn auch aus subjektivem Wohlwollen gegenüber dem Patienten, im Sinne von Vorenthalten von wichtigen Informationen, verdrängen von diesen, relativieren oder gar unterschlagen bis hin zu bewußtem Verfälschen von Informationen, können für den Patienten lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.Hierzu gehören Fehldiagnosen, unnötige Mehrfachuntersuchungen, die für den Patienten schaden können wie Röntgen-Untersuchungen sowie eine erhöhte Gefahr der Chronifizierung von Erkrankungen. Für das Gesundheitssystem bedeutet es zusätzliche Kosten.Angesicht der Multikulturalität, die sich auch bei den Patienten im Gesundheitswesen bemerkbar macht, müssen Dolmetscher, insbesondere, wenn es sich um professionelle Dolmetscher handelt,zum einen über medizinisches Hintergrundwissen verfügen und zum anderen die Sprache des Patienten sehr gut können wie auch kulturelle Unterschiede verstehen und ohne sie zu werten zum Arzt verbal transportieren. Weder dürfen sie etwas auslassen noch hinzufügen und schon gar nicht kommentieren. Die Erfahrung der letzten Jahre jedoch zeigt, daß die Dolmetscher diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Vielmehr konnte über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren beobachtet werden, welche Fehler seitens der Dolmetscher gemacht wurden und darauskonnten auch verschiedene Typus von Dolmetschern eruiert werden.
Der Interpret:
Dieser übersetzt nicht die vom Patienten beschriebene Symptomatik, sondern interpretiert sie. Ergibt zum Beispiel nicht wieder, dass der Patient Ganzkörperschmerzen hat, sondern dass dieser Patient ein psychisches Problem habe. Ein Patient, der über akustische Halluzinationen klagte, wurde vom Dolmetscher als von Jinn besessen beschrieben. Auf die akustischen Halluzinationen ging er nicht ein. Dabei hatte der Patient eine paranoid-halluzinatorische Psychose. Anstatt mir die Symptome zu beschreiben, die ich auch abfragte, interpretierte er die Aussagen des Patienten theologisch. Der Dolmetscher war im Vorstand einer Moschee.
Der Lehrer:
Dieser Dolmetschertypus versucht während des Gesprächs auf die Patienten belehrend einzuwirken.Er gibt dem Patienten vor, wie dieser sich zu verhalten habe. Er verhält sich dem Patienten gegenüber so wie Eltern ihren Kindern gegenüber und schüchtert mit seiner Verhaltensweise diesePatienten ein. Ein relativ junger Dolmetscher begleitete einen alten Mann, der aus dem Irak floh und seit dieser Zeit unter Schlafstörungen und Alpträume leidet. Während der Patient erzählte unterbrach ihn der junge Dolmetscher mehrfach, um ihn zu sagen, was in Deutschland ein Arzt hören will und was nicht. Als der Patient anfing zu weinen, forderte ihn der Dolmetscher auf, aufzuhören,denn man sei nicht im Orient. Der Dolmetscher entschuldigte sich bei mir für das Verhalten des Patienten und ergänzte:“Ich werde ihm noch beibringen wie man sich in Deutschland bei Ärzten zu benehmen hat!“
Der Reformer:
Der Reformer-Typus hat es sich zur Aufgabe gemacht den Patienten die Moderne zu erklären. Erschreibt ihnen strikt vor, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Während des Gesprächs werden Patienten angegangen, wenn sie von der Gestik oder Mimik oder bei ihren Antworten nicht seinen Vorstellungen des westlichen Verhaltens und Benehmens entsprechen. Dabei werden die Patienten mit durchaus sehr unangemessenem Vokabular eingeschüchtert. In den meisten Fällen sind es Dolmetscher, die die Kultur der Flüchtlinge als rückständig ansehen. Eine Dolmetscherin begleitete ein Ehepaar aus dem Irak mit zwei Kindern in meine Ambulanz. Als ich sie bat in mein Sprechzimmer zu kommen, kam die Dolmetscherin alleine mit der Ehefrau in den Therapieraum mit der Bemerkung,dass die Frauen in Deutschland keine männliche Begleitung brauchen. Es war die Dolmetscherin, die von sich aus entschied, daß die Kinder und der Ehemann nicht miteinbezogen wurden. Meine Bitte auch die Kinder und den Ehemann zu holen, lehnte sie mit der Bemerkung, daß es den Mann nichts angehe, was die Frau mir zu sagen habe. Dabei ging es gar nicht um die Ehefrau, sondern um den Ehemann, der mehrmals versucht hatte sich mit Tabletten zu suizidieren. Die Ehefrau und die Kinderbegleiteten ihn aus Angst, daß er sich etwas antue.
Der Koalitionspartner:
Dieser Typ solidarisiert sich mit dem Patienten. Die Solidarität kann allerdings so weit gehen, dass sich dieser Dolmetscher berufen fühlt, in einem normalen Gespräch den Patienten verteidigen zu müssen. Dies ist darauf zurück zu führen, dass dieser Typ von Dolmetscher schnell das Gefühl hat,dass die Patienten, aufgrund ihrer Sprache und ihrer religiösen Ausrichtung benachteiligt werden.Mit anderen Worten, dieser Typus versetzt sich unbewusst, aufgrund der gemeinsamen Herkunft und der religiösen Gemeinsamkeit in die Rolle des vermeintlichen Opfers und versucht dessen Rechte zu verteidigen. Hier kann die Situation rasch eskalieren. In Begleitung eines relativ jungen Dolmetschers kam ein älterer Patient aus Syrien in meiner Sprechstunde, der in erster Linie unter starken Schmerzen am ganzen Körper klagte. Es stellt sich rasch heraus, daß der Patient zum einen an einer Polyneuropathie leidet, die ihre Ursache in einem sehr schlecht eingestellten Diabetes mellitus hatte.Zudem litt der Patient unter einer Niereninsuffizienz. Gleichzeitig äußerte der Patient den Wunsch im Ramadan, der in einigen Wochen beginnen werde, zu fasten. Schließlich sei das seine Pflicht als gläubiger Muslim. Ich erwiderte, daß bei einer Niereninsuffizienz und einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus, der Verzicht auf die Medikamente und Flüssigkeit tagesüber tödlich enden kann.Der alte Mann bestand darauf zu fasten. Ich erklärte ihm, daß er Fasten befreit sei, weil der Koran Kranke und Schwangere wie auch schwer arbeitende Menschen und Kinder vom Fasten befreit hat.Der junge Dolmetscher schritt ein und warf mir vor den Patienten negativ zu beeinflussen und diesen dazu zu verführen seine Religion zu verraten. In Rage warf er mir Respektlosigkeit gegenüber seiner Religion vor und daß ich ein Ungläubiger sei. Er bat den alten Mann aufzustehen und zu gehen.Was dieser auch tat. „Wir werden einen muslimischen Arzt suchen, der unsere Religion respektiert und nicht uns von dieser entfernen will“, sagte der Dolmetscher zu mir bevor er zusammen mit dem alten Mann den Raum verließ.
Der, der den Patienten selber nicht versteht:
Dieser Typ beherrscht entweder die Sprache des Patienten nicht ausreichend oder er kommt aus einem anderen arabischen Land mit durchaus unterschiedlichen Akzenten und Dialekten, aber auch mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten und deren Deutung. Hier kommt es zu Missverständnissen zwischen Patient und Dolmetscher, welche sich massiv in der Übersetzung auswirken können. Ein
Flüchtling aus Nordafrika bekam einen Dolmetscher zugewiesen, um bei mir in der Sprechstunde zuübersetzen. Bevor ich mit der Befragung begann, merkte der Dolmetscher an, daß er den Patienten manchmal nicht ganz richtig verstehen könne. „Wissen sie Herr Doktor, der Patient spricht kein Arabisch, sondern nur Tamazight. Ich wiederum spreche sehr gut arabisch, aber nur wenig Tamazight, aber ich kann grob fast alles verstehen und wenn ich etwas nicht verstehe, dann ist es nicht schlimm, weil ich denke, daß sie schon wissen , was er hat und warum er hier ist.“Der „Verräter“:Der Verräter-Typus gewinnt zunächst das Vertrauen des Patienten, weil er ihm das Gefühl gibt, dass er ihn aufgrund der gemeinsamen kulturellen und religiösen Gemeinsamkeiten sehr gut versteht und mitfühlt. Der Patient erzählt, basierend auf diesem Vertrauensverhältnis, intime Details. Zum Beispiel erzählen Frauen häufig solchen Dolmetscherfrauen von familiären Problemen, die sie einem Arzt bewusst vorenthalten würden, weil bestimmte Themen in deren Kulturkreis tabuisiert werden und niemals an Dritte weitergegeben werden würden. In der Annahme, dass man diesen Typus von Dolmetscher vertrauen kann, werden sehr intime Details Preis gegeben. Im Arzt-Patienten-Gespräch gibt dieser Typus, ohne Zustimmung des Patienten, dem Arzt diese Details preis. Dies ist hauptsächlich auf zwei Gründe zurück zu führen. Die Einen glauben durch die Weitergabe dieser Informationen, die sie ohne Zustimmung an den Arzt weitergeben, dem Patienten besser helfen zu können. Andere Gründe sind unter anderem die Verachtung dieser Traditionen, nicht wenige dieser Dolmetscher geben diese Informationen an den Arzt wieder, weil ihnen ähnliches wiederfahren ist. In allen Fällen kommt es zum Vertrauensbruch zum einen zwischen Patient und Dolmetscher. Aus Scham kann dies zu einer gestörten Patienten-Arzt-Beziehung führen. Dabei kann es dazu kommen,dass trotz großen Leidensdrucks der Patient keinen Arzt mehr konsultiert. „Herr Doktor, der Patient hat ihnen nicht die Wahrheit gesagt. Er hat mir in Vertrauen und unter vier Augen berichtet, daß er erektile Dysfunktionsstörungen hat, daher ist er depressiv und traurig. Der Unsinn von psychischen Problemen durch die Flucht ist nur vorgeschoben. Jetzt kennen sie die Wahrheit, Herr Doktor.“
Der selbsternannte Therapeut:
Nicht selten habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Dolmetscher versuchen den Patienten zu therapieren. Häufig kommt es vor, dass dieser nicht das übersetzt, was der Arzt empfiehlt, sondern das, was er selbst für richtig hält. Notwendige, aber vom Dolmetscher skeptisch gesehene,Untersuchungen und Behandlungen werden dem Patienten so übersetzt, dass dieser die Empfehlung ablehnt. Insbesondere im Hinblick auf die medikamentöse Therapie habe ich die Erfahrung machen müssen, dass die Dolmetscher sogar so weit gehen und dem Patienten, entgegen den Empfehlungen des Arztes die Dosierungen und die Häufigkeit der Einnahme der Medikamente, nach eigenen Vorstellungen den Patienten empfehlen. „Lass den Arzt reden und nicke ihm zu. Von den Medikamenten, die er dir vorschlägt brauchst du nur drei. Ich werde dir sagen welche und wie die du einnehmen musst. Ich kenne mich damit aus. Habe viele Flüchtlinge zum Arzt begleitet mit dergleichen Erkrankung“, sagte ein etwas älterer Dolmetscher zu einem älteren Patienten aus Marokko während meiner Sprechstunde.Für die Dolmetscher selbst ist die finanzielle Entschädigung häufig ein willkommener Anreiz. Daher melden sich viele für die Dolmetschertätigkeit. Mir sind dabei mehrere Aspekte aufgefallen, die ich als das „Dolmetscher-Phänomen“ bezeichnen würde. Hierbei ist der Hinweis wichtig, dass die meisten hier erwähnten Infektionskrankheiten in vielen Herkunftsländern als eine gesellschaftlich nicht akzeptable Infektionskrankheit verstanden werden und dem Patienten vorgeworfen wird, sich durch sein unsittliches Verhalten infiziert zu haben. Dies gilt insbesondere für Infektionskrankheiten,die über den Geschlechtsverkehr übertragen werden. Dabei wird wiederum unterschieden. Hepatitis B und C werden ja bekanntlich u.a. auch über den Geschlechtsverkehr übertragen. Wenn Männer betroffen sind, dann wird das ethisch –moralisch selten hinterfragt. Sind jedoch Frauen betroffen,dann ist schnell der Vorwurf im Raum, daß sie sich amoralisch verhalten haben und sich diese Infektion außerehlich zugezogen haben oder es sich um leichte Mädchen handle. Männer und Frauen, die sich mit dem HIV-Virus infiziert haben, sind solange akzeptiert und beschützt, solangeniemand von dieser Infektion erfährt. Im Falle, daß die Infektion bekannt wird, werden die Betroffenen stigmatisiert und gesellschaftlich bewußt isoliert. Sie leben fortan am Rande der Gesellschaft. Anlaufstellen gibt es kaum. In einigen Ländern droht diesen Menschen sogar die Todesstrafe, wenn zum Beispiel der Verdacht aufkommt, daß sie auch homosexuell sind. Nicht Wenige Menschen in diesen Ländern sehen in diesen Infektionskrankheiten eine Strafe Gottes für amoralisches Verhalten.
Die Definition des unsittlichen Verhaltens sowie Gegenkultur und Norm sich aufführende Lebensformen werden in Teilen drakonische bestraft. Hiervon sind insbesondere betroffen die Syphilis, Hepatitis Erkrankungen, HIV Infektionen, und sämtliche venerische Erkrankung. Bei der Auswahl eines Dolmetschers bzw. Kulturvermittlers aus bestimmten Regionen muss die Differenzierung der möglichen Stigmatisierung zwischen Patienten Dolmetscher, Scham besetzte Themen innerhalb der Kulturen, fehlende kulturelle Emanzipation beim Übersetzer mitberücksichtigt werden. Ein Dolmetscher sollte über sehr gute sprachliche Kenntnisse verfügen, die mittels eines Zertifikats nachgewiesen werden müssen und auch dem Arzt vorgelegt werden muss. Das Zertifikat muss der staatlichen Kontrolle unterliegen. Medizinische Fachkompetenzen, Erfahrungen und Verständnis im Hinblick auf medizinische Fachbegriffe. Diagnosen, Symptome müssen gut verstanden werden, denn nur dann ist eine adäquate Übersetzung gegeben. Genaue Wiedergabe der Symptome und Schilderung des Patienten, so daß der Arzt diese richtig einordnen kann. Interreligiöse Kompetenzen sowie Kenntnisse über religiöse Eigenheiten und Erfahrungen im Umgang mit Spiritualität und Religiösität sind sehr hilfreich. Würdigung und Wertschätzung des Glaubens des Anderen. Wiedergabe der Schilderung des Patienten ohne Interpretation seitens des Dolmetschers. Interkulturelle Kompetenzen und Verständnis für andere Verhaltensweisen bezüglich Sprache, Verhalten, Denkweisen. Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen. In der Zukunft wäre eine Zusatzqualifikation „Transkulturalität“ wünschenswert.
[Fallbeispiel Start]
Eine junge Frau wird in der Sprechstunde vorstellig. Sie ist 25 Jahre alt und stammt aus dem Sudan. Sie spricht ausschließlich Arabisch und erscheint in Begleitung einer aus dem Sudan stammende Dolmetscherin. Die Frau ist sichtlich nervös. Sie ist kaum in der Lage sich zu artikulieren und in ihrer nonverbalen Sprache wirkt sie stark verängstigt. Sie hat Hepatitis C und auch eine HIV-Infektion wird nicht ausgeschlossen. Die Dolmetscherin ist während der Übersetzung in der Körpersprache der Patientin gegenüber ablehnend und herablassend sowie in einer dominanten Position. Die behandelnde Ärztin ist selbst in der Lage die arabische Sprache zu verstehen und einigermaßen zu sprechen. Sie schritt während der Übersetzung ein und wies die Dolmetscherin daraufhin, dass die Patientin auch eine Würde habe und dass sie ein solches Verhalten der Patientin gegenüber nicht dulden würde.Daraufhin reagierte die Dolmetscherin erbost und kritisierte die behandelnde Ärztin dahingehend, dass sie ihr vorwarf, Menschen zu unterstützen, die erkrankt sind aufgrund
moralischer Verfehlungen. Schließlich sei die Patientin selber daran schuld, daß sie an Hepatitis und womöglich auch an HIV erkrankt ist. Beide Infektionen sind Folgen von Missachtung der moralischen Gesetze, so die Dolmetscherin.[Fallbeispiel Start]Hierbei wird deutlich, dass die Dolmetscherin nicht nur mit der Übersetzung während der Sprechstunde beschäftigt war, sondern vielmehr in einer belehrenden verurteilenden Position ging und damit auch jegliche zur Sprache kommen der Symptombilder der jungen Frau nicht zuließ. Die Dolmetscherin wurde in Folge verabschiedet und die restliche Untersuchung verlief in einer sympathischen und vertrauensvollen Atmosphäre mit sprachlichen Barrieren weiter. Der Compliance der Patientin verbesserte sich um einiges und eine neue Dolmetscherin wurde veranlasst. Ein signifikanter Unterschied zwischen Einheimischen und Flüchtlingen ist die Zeitdauer, die zwischen dem Beginn der Symptomatik und dem Erstkontakt mit einem Arzt vergeht. Während Einheimische mehrheitlich bei Auftreten eines Symptoms ärztlichen Kontakt innerhalb von Tagen suchen, dauert es bei über 90 % der Flüchtlinge mehr als einen Monat, bis ärztlicher Rat bei Auftreten eines Symptoms gesucht wird (14). Dieser Sachverhalt ist dadurch zu erklären, dass in den Herkunftsländern ein Arzt erst dann aufgesucht wird, wenn alle anderen Systeme wie Heiler, Gurus, Imame in ihren Bemühungen erfolglos geblieben sind. Die Behandlungen in den Krankenhäusern sind im Vergleich zuteuer und die Kosten müssen vollständig übernommen werden. Die wenigsten Familien in diesen Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan aber auch in Nordafrika können sich folglich einen Arztbesuch leisten. Zudem ist das Misstrauen gegen staatliche Krankenhäuser und den dort tätigen Ärzten sehr groß, weil das Gesundheitssystem in diesen Ländern korrupt ist. Zudem ist der Ausbildungsstand der dort tätigen Ärzte sehr mangelhaft. Folglich sterben sehr viele Menschen in diesen Ländern nach Behandlungen und Eingriffen an Komplikationen. Diese Ängste und dieses Misstrauen werden mitimportiert, daher ist das Verhältnis von Flüchtlingen zu Ärzten in den Ankunftsländern wie Deutschland zunächst von Angst, Scham und Misstrauen geprägt. Es bedarf der Aufklärung und neuer Erfahrungen mit dem hiesigen Gesundheitssystem, um Vertrauen aufzubauen. Dieser Prozess benötigt Zeit, die erkrankte Flüchtlinge aber nicht haben. Daher ist es umso wichtiger, daß die Behandler sich über diese Tatsachen im Klaren sind und entsprechend sensibel- kultursensibel-vorgehen.[Merksatz Start]In vielen Ländern stehen für generische Erkrankungen, Erkrankungen welche insbesondere durch sexuelle Kontakte übertragen werden, hierzu zählen Syphilis, HIV-Infektion,Chlamydien, Gonnorhoe, und sonstige sexuell übertragbare Erkrankung, drakonische Strafen.Todesstrafen in diesen Länder sind meist durch Scharia Gesetze gedeckt und damit auch Ärzte in ihrer Ausübung stark eingeschränkt. Betroffene Patienten werden ausschließlich in gesonderte Einrichtungen, welche von der Sittenpolizei geführt werden, untergebracht und notdürftig ärztlich versorgt. Im Vordergrund der Behandlung steht die sogenannte Bestrafung und Wiedergutmachung im Sinne der Scharia. Die Wiedergutmachung ist die Wiederherstellung der moralisch-religiösen Ordnung.Merksatz Ende]Diese Erfahrungen und die fehlenden Sprachkenntnisse wie auch die neue kulturelle Umgebung führen dazu, dass Flüchtlinge wesentlich seltener Ärzte aufsuchen, auch dann, wenn sie unter einem erheblichen Leidensdruck stehen.Die erschwerte Anamnese und die kulturellen Unterschiede können eine entsprechende Diagnostik erschweren und hinauszögern mit fatalen Folgen. Im Rahmen solcher Missverständnisse können
Intoxikationen nicht erkannt werden oder Symptome, die zum Beispiel auf einen entzündlichen ZNS-Prozess hinweisen, übersehen werden oder nicht ernst genommen werden. Professionalisierung von Dolmetschern, die insbesondere im Gesundheitswesen tätig sind. Mit Kritik wächst man, heißt es im Volksmund. Kritik und neue Erkenntnisse müssen zur Optimierung der vorhandenen Wege führen oder gar neue Wege schaffen. Im Falle der Dolmetscher müssen verschiedene Maßnahmen greifen. Zunächst muss eine Sensibilisierung sowohl der Auftraggeber als auch der tätigen Dolmetscher hinsichtlich dieser Problematiken und den daraus resultierenden Folgen für den Patienten erfolgen. Vielen Dolmetschern sind diese Problematiken nicht wirklich sichtbar, weil sie auf einer unbewußten Ebene erfolgen. Daher ist es umso dringender und wichtiger,daß diese Problematiken ins Bewußtsein gerückt werden. In der Ausbildung von Dolmetschern muss explizit auf Berufsethik, Sprach-, Fach-, Kultur- sowie psychosoziale Kompetenzen eingegangen werden. Eine Berücksichtigung der Dolmetscher im Gesundheitswesen wäre wünschenswert sowie Supervisionsangebote für die beteiligten Dolmetscher. Gleichwohl muss auch eine Qualifizierung des medizinischen Fachpersonals für die Arbeit mit Dolmetschern erfolgen. Dolmetscher, die im Gesundheitswesen tätig sind, sollten und müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Diese sollten u.a. auch von der Ärztekammer mit festgelegt werden und kontrolliert werden.
In den von Bischoff & Loutan, 2000) und den „god tolksed“(Niska, 2004) erarbeiteten Leitlinien , kann entnommen werden, wie professionelle Dolmetscher-Tätigkeit zu erfolgen hat„Mit anderen Worten“ (Bischoff & Loutan, 2000) und den „god tolksed“, (Niska, 2004).
Aber auch die Perspektive des Dolmetschers ist zu berücksichtigen. Viele der Laiendolmetscher sind auf das zusätzliche Einkommen angewiesen. Des Weiteren müssen wir berücksichtigen, daß sich Dolmetscher mit widersprüchlichen Erwartungshaltungen konfrontiert sehen. Viele Patienten erwarten von den Dolmetschern, die aus denselben Kulturkreisen stammen, „Loyalität“ und Hilfe. Die Dolmetscher sind aber auch dem Auftraggeber gegenüber loyal bzw. haben loyal zu sein. Somit befinden sich die Dolmetscher nicht selten in einem Loyalitätskonflikt zwischen den eigenen „Landsleuten“ und den Auftraggebern. Von Dolmetschern erwartet man einerseits Professionalität und Loyalität wie auch fachliche Verantwortung, aber Andrerseits übersieht man die emotionale „Falle“ in der sich viele befinden. Sie sollen verlässliche Experten für soziale Kommunikation sein und zugleich Loyalität gegenüber „Landsleuten“ und „Auftraggebern“ ausüben, also fachliche Verantwortung übernehmen. Als „kulturelle Brücke zwischen Majorität und Minorität“ sollen sie zwischen den Fachkräften auf der einen und den Migranten auf der anderen Seite zu sprachlicher und zugleich kultureller Verständigung sowie effektiver Hilfeleistung verhelfen, also individuelle Verantwortung übernehmen. Sie sollen institutionell vermitteln und so Interessenausgleich und Integration ermöglichen, also gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Die Anforderungen an die Dolmetscher sind gestiegen, aber die Ausbildung und Betreuung dieser läßt zu wünschen übrig. Referenzen:
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Autor:Mimoun Azizi aus Düsseldorf |
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