Depressionen
Depressionen im Alter

Depressionen sind im Alter die häufigsten psychischen Erkrankungen. Die manifesten Symptome unterscheiden sich von dem Jüngerer dahin gehend, dass in erster Linie somatische Beschwerden oder kognitive Beeinträchtigungen beklagt werden. Als Risikofaktoren für eine Depression im Alter sind körperliche Erkrankungen wie Gangstörung, Herzinsuffizienz, Schlafstörungen oder Partnerverlust. Depressionen können den Verlauf komorbider somatischer Erkrankungen erheblich verkomplizieren. Konsekutiv verzeichnen wir eine hohe Suizidalitätsrate im Alter, aber auch eine erhöhte Gesamtmortalität und sie gehen gehäuft mit einer Einschränkung des Funktionsniveaus im Alltagsleben einher.

Depressive Syndrome können in der Regel unter Berücksichtigung der Leitsymptome Herabgestimmtheit, Antriebsstörung sowie Freud- und Interessenverlust gut diagnostiziert werden, aber bei alten Menschen treten nicht selten atypische Symptome auf. Diese können sich z. B. in einem unspezifischen Verlust körperlicher und psychischer Dynamik („allgemeiner Abbau“) äussern, aber auch in einer atypischen psychopathologischen Symptomatik, wie etwa demenzähnlichen Bildern oder durch Dysphorie und Somatisierungstendenzen. Insbesondere gilt es hier auf wahnhaft depressive Syndrome zu achten, die häufig mit Symptomen wie Krankheits-, Verarmungs- oder Schuldwahn einhergehen und nicht übersehen werden dürfen, da sie mit einer deutlich höheren Suizidalität einhergehen.
Studien zeigen, daß die Punktprävalenz behandlungsbedürftiger depressiver Syndrome in der Bevölkerung bei über 75-Jährigen etwa 7% beträgt. Bei alten Menschen mit ausgeprägter somatischer Komorbidität und daraus resultierenden Behinderungen ist von deutlich höheren Prävalenzen in einer Größenordnung von 15–25% auszugehen. Wahrscheinlich ist die Dunkelziffer deutlich höher.

Depressionen sind an sich ein Risikofaktor für andere Störungen, von der Demenz bis hin zur früheren Pflegebdürftigkeit. Noch immer werden Depressionen im Alter nicht erkannt und folglich auch nicht adäquat behandelt. Die Folge davon ist, dass Depressionen bei älterenMenschen in vielen Fällen nicht erkannt oder viel zu spät erkannt werden, wobei die Schwächen der Diagnostik sich vor allem auch in der Therapie auswirken.
Die depressiven Symptome im Alter werden häufig mit somatischen Symptomen verwechselt oder als unbehandelbare Antwort auf unvermeidliche Lebensbelastungen des höheren Alters interpretiert. Dabei ist es sehr wichtig, daß die Symptome einer Depression im Alter erkannt werden, da sie auf medizinischen und sozialen Wegen durchaus behandelbar sind und sogar eine günstige Prognose aufweisen.
Daß das Zusammenspiel zwischen Körper, Geist und Seele wichtig ist, beschrieb bereits die Ärztin und Theologin Hildegard von Bingen. Ihre Auffassung vom Menschen als „Leib ganz und gar“, als „homo corpus ubique“, ist weitgehend unserem Bewußtsein entwichen angesichts der zunehmenden Spezialisierungen in der Medizin. Umso wichtiger ist es, daß wir den Patienten wieder ganzheitlich betrachten.

Therapeutisch wird unter Berücksichtigung des Alters und der Vorerkrankungen medikamentös behandelt. Antidepressiva haben wie alle anderen Medikamente Nebenwirkungen, daher ist eine Aufklärung stets erforderlich, aber sie gehören nicht zu der Medikamentengruppe, die süchtig machen und sie sind wirksam. Die Pharmakotherapie stellt nach wie vor in der Praxis die mit Abstand am häufigsten angewandte Behandlungsmethode dar. Hier insbesondere bei Schlafstörungen, Antriebslosigkeit und Wahnvorstellungen. Aber auch psychotherapeutische Behandlungen im Alter sind wirksam und effektiv. Entgegen einer langen Zeit herrschenden, auf Sigmund Freud zurückgehenden Vorstellung, dass ältere und alte Menschen nicht mehr erfolgreich psychotherapeutisch behandelt werden können, weiß man heute, daß psychotherapeutische Behandlungen im Alter wirksam sind.
Die Behandlung von Patienten mit Altersdepressionen ist eine medizinische Herausforderung, da bei diesen Patienten aufgrund des Alters und der Vorerkrankungen sowie der Biographie sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Verfahren zum Teil erheblichen Begrenzungen unterliegen, daher sind erfahrene Ärztinnen und Therapeutinnen gefragt. Aber leider sind ausreichend psychotherapeutische Behandlungsangebote und entsprechend qualifizierte Therapeuten Mangelware. Hier muss sich in der nächsten Zeit Vieles ändern.

Autor:

Mimoun Azizi aus Düsseldorf

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