Bäcker sind systemrelevant
Bäcker reagieren mit neuen Ideen auf die Corona-Pandemie
Das Düsseldorfer Bäckerhandwerk entwickelt mitten in der Corona-Krise neue Verkaufsideen.
Ohne Brot läuft auf deutschen Tischen nichts. Aber immer öfter stehen die Verbraucher vor leeren Regalen der Discounter und in Supermärkten. Die sonst bevorzugten Toastbrötchen, Aufbackbrötchen, Toastbrot oder abgepackte Brote werden einfach nicht mehr nachgeliefert. In ihrer Not greifen viele Familien selbst zum Brotbacken, aber auch Mehl und Backmischungen sind knapp. So besinnen sich die Verbraucher wieder auf den guten Handwerksbäcker nebenan. Dort gibt es täglich genug frische Brot- und Backwaren. Das Lebensmittelhandwerk ist nicht von den Schließungen betroffen.
Die Düsseldorfer Handwerksbäcker sind als Reaktion auf die Ausgangsbeschränkungen infolge der Corona-Pandemie auf innovative Verkaufsideen gekommen. Die Bäckerei Hinkel bietet beispielsweise einen Drive-in-Verkauf an. Die Bestellung der Waren ist über den Online-Shop möglich. Die Bestellungen gelten derzeit immer zur Abholung in den Filialen am Folgetag nach Bestelldatum. Die kontaktfreie Abholung mit dem PKW ist im „HINKEL DRIVE-IN“, Hohe Straße 31 möglich. Zusätzlich zum klassischen Verkauf bietet Hinkel vorgebackene Hinkel-Brötchen zum Aufbacken für zuhause im 5er-Pack an und das beliebte "Schwarzwälder" Brot als Teigmischung zum Selberbacken an.
Auch die Hercules-Bäckerei in Derendorf, auf der Ulmenstraße 120 bietet demnächst ein besonderes das Brot, ein „GerstenKraft“ zum Selberbacken an. Die Zutaten sind vorgemischt, nur Wasser muss noch hinzugegeben werden. „Mit Gerstenbrei“, so Bäckermeister Johannes Dackweiler, „haben schon die alten Griechen ihre Philosophen klug und die Römer ihre Gladiatoren stark gemacht.“ Deshalb bietet er auch vorgebackene Gerstenbrötchen für Zuhause an.
„Kaufen Sie ihr Brot beim Bäcker, nicht im Regal des Supermarktes“, sagt auch Bäckermeister Thomas Puppe. In Anspielung auf die Hamsterkäufe von Klopapier hat Puppe jetzt einen leckeren Kuchen in Form einer Klopapierrolle im Angebot. Außerdem sind in den Filialen Hefe und Mehl sowie Plätzchenteig zum Selberbacken erhältlich.
Stefan Agethen von der Bäckerinnung Rhein-Ruhr begrüßt diese neuen Marketingideen und wünscht sich, dass noch mehr Innungsbäcker ihr Angebot erweitern: „Wie systemrelevant die Versorgung mit Brot ist, zeigt sich jetzt gerade in der Corona-Krise.“ Für die Bevölkerung sei eine ausreichende Brotversorgung lebenswichtig. Und niemand müsse Hamsterkäufe machen, um täglich sein frisches Brot zu erhalten. Die Grundversorgung mit Bäckerwaren ist gesichert. „Aufbackbrötchen und Brotteig vom Handwerksbäcker können auch eine Alternative für Corona-Infizierte in häuslicher Quarantäne sein. Mit Hilfe der Nachbarn, die beim Einkauf unterstützen, müssen auch Corona-Patienten nicht auf ihr leckeres Handwerksbrötchen oder Zutaten zum Selberbacken verzichten“, sagt Agethen. Unter dem Hashtag #WirBäckerSindSystemrelevant möchte die Bäckerinnung auf die Systemrelevanz des Bäckerhandwerks verstärkt aufmerksam machen.
Ein Bäckermeister schreibt über das
Geheimnis im Brot
Aber warum ist Brot so wichtig für unsere Ernährung? Was unterscheidet Brot von anderen Lebensmitteln? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der pensionierte Düsseldorfer Bäckermeister Georg Kretzschmar, früherer Inhaber der Hercules-Bäckerei in Derendorf, und bietet einen neuen Blick auf das Lebensmittel Brot in seinem Buch „Esst Brot“.
Nur aus Getreide in Ährenform wie Weizen und Roggen lassen sich Laibe formen. Eine jahrhundertalte Rezeptidee formte mit der Zeit eine Vielfalt individueller Brotsorten und Brotformen. Weniger bekannt ist das Geheimnis im Herstellungsprozess, wie Helfer aus der Natur über Nacht (Enzyme, Hefen, Milchsäurebakterien) aus einfachen Rohstoffen, aus Wasser, Mehl, Salz und Hefen etwas Neues entwickeln. Sein Fazit erklärt einen „Mehrwert“, der über das Sattwerden hinausreicht. Frischer Brotteig, über Nacht gereift und frühmorgens frisch gebacken, bewirkt die gute Bekömmlichkeit der Getreideinhaltsstoffe für Magen und Darm. Beim Reifeprozess werden die im Getreide eingeschlossene Sonnenenergie ebenso wie das Licht der Sterne im Brotlaib weiter gereicht. Und genau diese Energie brauchen unsere Darmbakterien, sie geht dann über den Magen direkt in die Energiespeicher des Menschen und ins Gehirn. „Dünger fürs Gehirn“ sagen Neurowissenschaftler zur Brotspeise. Kretzschmar zieht wissenschaftliche Studien heran, die beweisen, dass Teilnehmer, die ein Frühstück mit 80 Prozent Kohlehydraten gegessen hatten, bei Denkaufgaben später besser abgeschnitten haben als die, deren Essen nur 50 Prozent Kohlenhydrate enthielt.
Und warum ist Brot nun systemrelevant? „Das Fehlen des Grundnahrungsmittels hat schon zu Revolutionen geführt“, begründet Kretzschmar und meint damit die Französische Revolution. „Aber auch jetzt, da Familien zuhause in Quarantäne eng beieinander sitzen kann Brot vom Bäcker Frieden schenken, beruhigend wirken.“ Denn es sei erwiesen, dass im fermentativen Herstellungsprozess Auslöser für Magen- und Darmprobleme sowie Allergien abgebaut werden. Damit erfüllten die Bäckereien eine systemrelevante Aufgabe als Hersteller des Grundnahrungsmittels Brot und zu friedvollen Stunden in den Familien, betont Kretzschmar. Und gerade jetzt in der Krise kommen die Verbraucher wieder auf den Qualitätsgeschmack guter handwerklicher Brotwaren. Seine Hoffnung ist, dass „Menschen den Wert des Brotes wieder zu schätzen wissen und nicht nur konsumieren.“
Buchtipp: „Esst Brot! Ein Bäckermeister erklärt das Geheimnis im Brot“. 16,90 Euro.
Bestellung über galerie-kretzschmar@t-online.de
Autor:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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