Sonderjustiz? Kriminalisierung von Umwelt- und Tierschützern?
Tierschutzpartei: Maßnahmen von Polizei und Justiz gegen Hambi-Aktivisten völlig überzogen
Die Tierschutzpartei Landesverband NRW reagiert mit großer Besorgnis auf die aktuell bekannt gewordenen Verurteilungen und drastischen Strafzumessungen gegen AktivistInnen des Bürgerwiderstandes gegen die Abholzung des Hambacher Forstes.
"Vor wenigen Tagen wurde eine Baumbesetzerin zu 9 Monaten Haft ohne Bewährung nach Jugendstrafrecht verurteilt, bereits 2018 fiel ein ebenso hartes Urteil gegen eine Aktivistin wegen Trommelns," erläutert Sandra Lück, Landesvorsitzende der Tierschutzpartei NRW.
Derart drastische Strafzumessungen gegen BürgerInnen, die sich einer in der Bürgergesellschaft breit diskutierten und kritisierten Umweltzerstörung widersetzen, sehen die Tierschutzpolitiker als äusserst bedenklich an.
9 Monate Haft ohne Bewährung gegen jugendliche Baumhausbewohnerin
Die Umwelt-Aktivistin "Eule", die seit September 2018 nach einer Räumung der Baumhäuser in U-Haft saß, wurde vor dem Kerpener Amtsgericht zu 9 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchte Körperverletzung, da sie bei der Festsetzung um sich getreten habe, nahm der zuständige Richter zum Anlass für ein erstaunlich hoch wirkendes Strafmaß im Falle der nicht vorbestraften, jungen Frau.
"Besonders heikel an dem Urteil von einem 'Richter Gnadenlos', der bereits im vergangenen Jahr eine Aktivistin aus dem Hambacher Forst zu 9 Monaten Haft wegen Trommelns verurteilte, weil sie eine 'versuchte schwere Körperveletzung rhythmisch begleitet habe', ist seine Aussage, dass das Publikum im Gerichtssaal mit seinem Verhalten zu dem Urteil beigetragen habe," staunt Landesgeschäftsführer Reiner Lück von der Tierschutzpartei NRW.
Harte Strafen als Mittel der Generalprävention?
Der urteilende Richter hatte bereits im Falle der Trommlerin explizit erklärt, dass sein hohes Urteil einem "generalpräventativen Charakter" diene.
"Dass ein Richter aufgrund der Solidarität des Publikums bei einem öffentlichen Verfahren eine höhere Haftstrafe verhängt, ist nicht nur bedenklich, sondern mit unseren rechtstaatlich Grundsätzen nicht vereinbar. Die Angeklagte wurde hier quasi in eine Art Sippenhaft für das Verfahrenspublikum genommen. Eine solche Vorgehensweise ist eigentlich ein typisches Mittel totalitärer Systeme und untergräbt unsere Demokratie," so Sandra Lück, Landesvorsitzende der Tierschutzpartei.
Neues NRW-Polizeigesetz in der Kritik
Erst vor Kurzem wurde in NRW erstmals das neue Polizeigesetz gegen vier Baggerbesetzer in Form von verlängertem Polizeigewahrsam angewandt, welches angeblich primär der Terrorabwehr dienen soll. Das besonders harte Vorgehen durch Exekutive und Judikative gegen zivilen Ungehorsam ist nach Auffassung der Tierschutzpartei völlig unverhältnismässig. "Bei schweren Vergehen vermissen wir oft eine so strikte Linie, wie unser Innenministerium sie gegen die Braunkohlegegner fährt," mahnt Landesgeschäftsführer Reiner Lück.
Der Eindruck, dass Konzerninteressen höher gewertet werden, als das Recht auf Versammlungsfreiheit, verhärte sich mit solchen Vorgehen.
Kriminalisierung von Umweltschützern durch Innenministerium:
Bei 1674 behaupteten Straftaten letztlich nur 19 Verurteilungen
Auch die kürzlich vorgestellte Polizeistatistik durch Innenminister Herbert Reul zeige deutlich auf, wie sehr eine Kriminalisierung von Umweltschützern vorangetrieben würde. Zwischen Oktober 2018 und Januar 2019 habe es laut des Innenminister über 1500 Polizeieinsätze im Zusammenhang mit einer gewaltbereiten Straftätergruppe am Hambacher Forst gegeben - behauptete der Innenminister und zementierte so den Eindruck der Notwendigkeit besonderer Härte bei der Bevölkerung.
"Herr Reul hat bedauerlicherweise vergessen zu erwähnen, dass von den über 1500 Einsätzen nur 56 im tatsächlichen Zusammenhang mit den Aktivisten im Wald stehen, die auch genau so gekennzeichnet sind. Die Statistik umfasst jede Streifenfahrt, Verkehrskontrolle oder Verkehrsunfall in den umliegenden Ortschaften. Das ist eine bewusste Desinformation und höchst manipulativ!" So die deutliche Kritik von Landesgeschäftsführer Reiner Lück.
Auch eine zweite Statistik, in der Reul den Baumschützern 1674 Straftaten in nur 4 Jahren unterstellte, ist laut Tierschutzpartei ungeeignet, um die vom Innenminister behauptete Gewaltaffinität der Aktivisten zu untermauern.
"Der Großteil der von Reul aufgezeigten mutmasslichen Straftaten sind lediglich seitens der Staatsgewalt so gewertete Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, also eines grundgesetzlich geschützten demokratischen Rechtes der Bürgerschaft," betont Sandra Lück. Tatsächliche Verurteilungen gab es in den 4 Jahren laut Anhang nur 19.
Falsche öffentliche Darstellung und ihre Konsequenzen
Dass die Umweltschützer per se durch eine solch falsche öffentliche Darstellung stigmatisiert werden, zeige sich nach Ansicht der Tierschutzpartei bereits jetzt deutlich in persönlichen Gesprächen, vor allem aber anhand von Reaktionen in den sozialen Netzwerken.
"Die Wahrnehmung friedlicher Proteste in Teilen der bürgerlichen Gesellschaft erschreckt heute zunehmend. Es wird nicht mehr differenziert. Gelenkte Informationen, wie sie Herr Reul nun erneut gestreut hat, werden von diversen Medien ungeprüft übernommen und schnellstmöglich unter die Bevölkerung gebracht. Die aufgearbeitete Nachberichterstattung kritischer Journalisten findet dann meist kein Gehör mehr, Vorurteile haben sich dann bereits fest verankert.
Das trübt die Akzeptanz von AktivistInnen und NGOs, wie wir es auch aus der Tierrechtsszene kennen, in der beispielsweise Undercover-Recherchen als illegale Stalleinbrüche durch radikal-kriminelle Fanatiker dargestellt werden. Dienlich ist solch eine Abwertung in den Augen der Gesellschaft vor allem der Lobby." ergänzt Sandra Lück.
Fortsetzung friedlicher Proteste - Aufklärungsarbeit
Umso wichtiger sei es, sich durch seltsam extreme Urteile wie gegen Eule u.a. nicht abschrecken zu lassen, friedliche Proteste weiterhin zu unterstützen und vor allem Aufklärungsarbeit in der Bürgerschaft zu betreiben.
Tierschutzpartei im Europawahlkampf - Basisdemokratie stärken
Die Tierschutzpartei NRW verweist daher darauf, dass besonders im einwohnerstärkstem Bundesland NRW bei der kommenden Europawahl das Wahlergebnis und die Stärkung demokratischer Parteien, die sich auch offen zum Recht der Bürgerschaft auf demokratischen legalen Protest und Widerstand bekennen, von großer Bedeutung sind. "Wir als Tierschutzpartei sehen uns im Schulterschluss mit den AktivistInnen im Hambacher Forst, und werden uns auch von Falschbehauptungen, 'kreativen' Statistiken des Innenministers und juristischen Denkwürdigkeiten nicht von unserem demokratischen, bürgerrechtsorientierten Kurs abbringen lassen," so Sandra Lück für den Landesverband. Die Tierschutzpartei steht ausdrücklich für basisdemokratische Abstimmungen und Bürgerbeteilung.
Presseerklärung der Tierschutzpartei Landesverband NRW
Landesvorsitzende Sandra Lück
Die Erklärung gibt die freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG wieder.
Autor:Elisabeth Maria van Heesch-Orgass Tierschutz Essen aus Essen |
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