Teilweise Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2012 – ein richtiger, aber ungenügender Schritt
Arbeitsmigration
Teilweise Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2012 – ein richtiger, aber ungenügender Schritt.
- Text von Vesela Kovacheva. -
Am 7. Dezember 2011 hat die Bundesregierung beschlossen, auch von der dritten Phase der Übergangsregelungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer Gebrauch zu machen. Das bedeutet, dass bis Ende 2013 eine Arbeitserlaubnis für die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung in Deutschland erforderlich ist.
Gleichzeitig werden Erleichterungen für bestimmte Zuwanderergruppen angekündigt, die ab dem 1. Januar 2012 gelten sollen. Die Arbeitserlaubnispflicht entfällt für bulgarische und rumänische Staatsbürger mit einem Hochschulabschluss bei qualifizierter Beschäftigung, für Saisonbeschäftigte und Personen, die eine Ausbildung in deutschen Betrieben aufnehmen. Darüber hinaus wird bei Beschäftigungen in Ausbildungsberufen nicht mehr geprüft, ob es für eine Stelle einen inländischen Arbeitssuchenden gibt, womit auf die sogenannte Vorrangprüfung verzichtet wird.
Die selektive Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die angekündigten Erleichterungen für Bulgaren und Rumänen reichen deutlich weiter als für die acht in 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten, die bis April 2011 von einer deutlich restriktiveren Haltung betroffen waren. Ob die Bundesregierung sich mit dieser Entscheidung allmählich von der restriktiven Position zur Arbeitnehmerfreizügigkeit trennt, wird sich bald zeigen. Im Juli 2013 soll Kroatien als 28. Mitglied der EU beitreten. Die Bundesregierung muss dann wieder entscheiden, ob sie die vertraglich vorgesehenen Übergangsregelungen für Kroatien geltend macht oder darauf verzichtet.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Mitgliedstaaten wird hauptsächlich aus ökonomischen Gründen eingeschränkt, unter anderem da eine massenhafte Zuwanderung und damit verbundene negative Lohneffekte für inländische Arbeitskräfte, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine Wohlfahrtsmigration befürchtet werden. Allerdings ist die befürchtete massenhafte Zuwanderung ausgeblieben, wie die nur moderat gestiegenen Migrationsströme aus den EU8-Staaten nach der Öffnung des Arbeitsmarkts ab dem 1. Mai 2011 zeigen. Die meisten empirischen Untersuchungen deuten darauf hin, dass die negativen Arbeitsmarkteffekte für inländische Arbeitskräfte lediglich moderat ausfallen. In Bezug auf die fiskalischen Effekte der Zuwanderung kommen die bisherigen Studien zu keinem einheitlichen Ergebnis.
Gerade aus ökonomischer Sicht kann die teilweise Liberalisierung der Arbeitskräftemobilität für Bulgarien und Rumänien dem deutschen Arbeitsmarkt zugutekommen. Angesichts der demografischen Entwicklung Deutschlands, die von einem Sterbeüberschuss und einer Alterung der Bevölkerung geprägt ist, werden zukünftig immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, was unter anderem mit mehr Neuzuwanderung bewältigt werden kann. Dabei macht es prinzipiell keinen Unterschied für den Arbeitsmarkt, ob Zuwanderer aus einem EU- oder Nicht-EU-Land kommen. Wichtig ist, dass ihre Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgefragt werden.
Nach einer Erhebung des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) für 2009–2010 wird von einem Mangel an Arbeitskräften nicht nur im hoch qualifizierten Sektor wie zum Beispiel bei den MINT-Berufen, sondern auch in Bereichen mit einer mittleren Qualifikation ausgegangen, unter anderem in Hotels und Gaststätten, bei sozialen Berufen und in der Alten- und Krankenpflege. Sofern Beschäftigungen in solchen Sektoren aufgenommen werden, kann die Öffnung des Arbeitsmarktes bestehende Engpässe mindern.
Außerdem würden durch die teilweise Liberalisierung der Arbeitnehmerfreizügigkeit die Anreize vermindert, die Niederlassungsfreiheit für Selbstständige zur Arbeit in Deutschland zu nutzen. Nach einer Veröffentlichung des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn wurden 2009 mehr als 17 000 Existenzgründungen von Einzelunternehmen aus Bulgarien und Rumänien registriert: ca. 9 500 von bulgarischen und ca. 7 900 von rumänischen Staatsbürgern. Im Jahr 2010 ist die Zahl weiter gestiegen und es wurden jeweils etwa 14 100 bulgarische und etwa 12 400 rumänische Einzelunternehmen gegründet. Ein Teil dieser Gründungen erfolgt mangels Alternative. Als ein Zeichen dafür kann zum einen die hohe Zahl der Unternehmensliquidationen interpretiert werden – auf zwei Neugründungen kommt eine Liquidation.
In einer Umfrage des HWWI unter Migranten in Berlin wurde deutlich, dass Selbstständigkeit als Mittel zur Umgehung der eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit instrumentalisiert wird und ein Teil der Selbstständigen sich in einer Grauzone zwischen Legalität und Illegalität bewegt, wenn ihre Arbeit in Wirklichkeit in den Betrieb eines Arbeitgebers integriert ist. Vielleicht kann ein Teil der nur scheinbar selbstständigen Beschäftigungen durch die ab Januar geltenden Liberalisierungen in abhängige Beschäftigung umgewandelt werden. Eine Umwandlung von selbstständigen Tätigkeiten in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen wurde bereits für die EU8-Mitgliedstaaten festgestellt, so nach einem aktuellen IAB-Bericht, der die Zuwanderung nach der Öffnung des Arbeitsmarktes im Mai dieses Jahr untersucht.
Obwohl die Lockerung der Übergangsregelungen insgesamt positive Wirkungen erwarten lässt, geht sie nicht weit genug.
Erstens wird weiter eine negative Botschaft an potenzielle Zuwanderer gesendet.
Die Erleichterungen sind zwar sehr weitreichend und gelten im Prinzip für alle Tätigkeiten in akademischen Berufen, für betriebliche Berufsausbildungen sowie für Saisonbeschäftigungen. Allerdings bleibt eine gewisse Steuerung durch staatliche Institutionen bestehen, indem es zum Beispiel bei der Arbeitserlaubnispflicht für Ausbildungsberufe und der Vermittlungspflicht für Saisonbeschäftigungen bleibt. Damit ändert sich erst einmal nichts an der negativen Botschaft, dass Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien weiterhin als Risiko wahrgenommen werden.
In der Zeit eines Wettbewerbs um qualifizierte Zuwanderer könnte das, trotz der eingeführten Erleichterungen, dem Ruf des Standorts Deutschland schaden und potenzielle Zuwanderer zu anderen offeneren EU-Mitgliedstaaten umlenken. Dies gilt umso mehr, als die Ankündigung der Bundesregierung vom 7. Dezember 2011 bisher auf ein geringes Medienecho gestoßen ist – sowohl in Deutschland als auch in Bulgarien und Rumänien. Es wird erst allmählich deutlich werden, welche Möglichkeiten die neuen Regelungen beinhalten.
Zweitens bleibt es bei Anreizen für Umgehung der Einschränkungen und Schwarzarbeit.
Die Arbeitserlaubnispflicht für die Aufnahme einer beruflich qualifizierten Beschäftigung bleibt bestehen, während sie für die Aufnahme einer Berufsausbildung entfällt. Dadurch können Anreize geschaffen werden, Zuwanderer in ein Ausbildungsverhältnis aufzunehmen, obwohl sie in der Tat in einem Arbeitsverhältnis bei einem Betrieb stehen.
Darüber hinaus wird der niedrig qualifizierte Sektor, der insbesondere von Schwarzarbeit betroffen ist, von den angekündigten Erleichterungen – mit der Ausnahme der Saisonbeschäftigungen – nicht erreicht. Nur die vollkommene Öffnung des Arbeitsmarkts für Unqualifizierte würde die Anreize für undokumentierte Beschäftigung und Schwarzarbeit schwächen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die partielle Öffnung des Arbeitsmarktes für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer ein Schritt in die richtige Richtung darstellt, der aber nicht weit genug geht. Jetzt ist es wichtig, die Erleichterungen für bulgarische und rumänische Arbeitswillige möglichst unbürokratisch umzusetzen und breit bekannt zu machen, damit die positiven Effekte sich entfalten können. Für künftige EU-Erweiterungen – als nächstes wird Kroatien Mitglied – sollte rascher die vollständige Freizügigkeit eingeführt werden, um Verzerrungen durch Übergangsregelungen zu verringern.
Quelle. HWWI
Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://malerdüsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de
Autor:Heiner Pistorius aus Düsseldorf |
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