Soll man als 50plus-Mensch noch an einem Ostermarsch für Frieden und Abrüstung teilnehmen ?

Heute, am Ostersamstag, fand in Düsseldorf eine Kundgebung statt zum jährlichen Ostermarsch. Ostermärsche stehen in einer alten Tradition der Friedensbewegung, ein Zeichen zu setzen für „Frieden schaffen ohne Waffen“. In den achtziger Jahren zogen noch lange Ostermärsche zum Raketenstützpunkt Arsbeck, u.a. und die Schar der Marschierer war so lang, das man rückblickend um Kurven gehend nie ein Ende sehen konnte. In den Dörfern, die wir passierten, spielten Musikanten mit Protestliedern auf zum Ostermarsch und für das leibliche Wohl war stets und überall gesorgt.

Heute sind die Ostermarschierer nicht mehr so viele an der Zahl – leider. Frieden schaffen ohne Waffen tut nämlich mehr Not denn je. In der buntem Schar, die sich heute vor dem Rathaus zur Abschlußkundgebung versammelte, konnte ich viele Menschen wiedererkennen, die schon in den achtziger Jahren bei den langen Märschen mit dabei waren. Das ist dreißig Jahre her und in dreißig Jahren ändern sich die Menschen. Aus ranken schlanken Schönheiten von damals, gewandet in bunte Hippygewänder sind Damen und Herren herangereift mit seriöser Kleidung und praktischem Kurzhaarschnitt. Aber immer noch schön sind sie anzuschauen in ihrer Hoffnung, das die Welt sich nochmal zum Guten wende.

Es waren die älteren Ostermarschierer eindeutig in der Überzahl am heutigen Tag vor dem Rathaus. Beim anschließenden Kaffee im „Bistro Schwan“ am Burgplatz waren die jüngeren Gäste eindeutig in der Überzahl. Sie saßen dort und schauten auf ihre Smart-phones – gleich, ob sie alleine zu zweit oder in einer Gruppe dort saßen. Sie schauten alle intensiv auf ihre Smart-phones und scrollten darauf herum. Vielleicht beobachteten sie ja auf den kleinen Bildschirmchen, wie sich ihre Großeltern ostermarschierend durch die Kälte schoben. Vielleicht aber auch nicht. Ich konnte es nicht erkennen, was sie dort alles betrachteten.

Ich ließ mich von meinem Gesellschafter mit meinem Smartphone fotografieren, um zu schauen, ob ich auch so alt aussehe, wie die GenossInnen von damals. Bei der Betrachtung meines Fotos kam ich ins sinnieren. Soll ich mich noch politisch und gesellschaftlich engagieren in eisiger Kälte da draußen, während inside die Jugend sich wärmt und leckere Salate genießt ? Wäre es nicht besser zu sagen „Jetzt sollen die Jungen mal ran !“ ? Ich weiß es nicht, bin ratlos. Befürchtungen treten in mir auf, das in einigen Jahren die ehemaligen OstermarschiererInnen von damals mit dem Rollator vor dem Rathaus aus den Bringdienstautos der Altenheime aussteigen und via Smartphone fotografiert werden als die letzten Fossilien einer längst vergangenen Zeit.

Ach, es macht mir nichts – entscheide ich mich. Hauptsache, die Fotos werden geil. Ich werde versuchen, dann einen Einfluß darauf zu nehmen, das wir uns schrill und bunt kleiden, auf das wir der Nachwelt interessante Fotos hinterlassen von den letzten Anhängern einer aussterbenden Zunft, die noch den unmöglichen Wunsch nach Frieden auf der Welt im Herzen trug.

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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