„Rückschlag für die Energiewende droht“
Im Interview mit der SuperIllu fordert Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), die Bundesländer auf, Schluss mit der „Frontalopposition“ gegen die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung zu machen. Für Kentzler ist das ein „Konjunkturprogramm für Ost und West“, dass angesichts der Wachstumsrisiken Aufträge und Arbeitsplätze sichert.
Herr Kentzler, die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung im Umfang von 1,5 Milliarden Euro steht auf der Kippe. Erwarten Sie im Vermittlungsausschuss noch einen Kompromiss?
Kentzler: Ja. Sonst droht ein schwerer Rückschlag für die Energiewende. Baden-Württemberg hat einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der Bund und Länder wieder zurück an den Verhandlungstisch holen sollte. Es muss Schluss mit der Frontalopposition der Länder sein. Alle haben sich doch gemeinsam auf die Energiewende verständigt. Und die energetische Gebäudesanierung ist ein Schlüssel für mehr Energieeffizienz und Klimaschutz.
Ist das nicht übertrieben?
Kentzler: Nein. Die Bundesregierung will schon bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent mindern und den Primärenergieverbrauch bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2008 senken. Das kann nur über die energetische Gebäudesanierung gelingen. Dafür braucht es aber Anreize, um auch private Investoren mitzunehmen.
Warum?
Kentzler: Wenn die Deutschen Steuern sparen und damit ein Schnäppchen machen können, sind sie leichter für Investitionen zu gewinnen. Wenn sich die Sanierungsrate für Gebäude um ein auf zwei Prozent erhöhen soll, sind die angekündigten Abschreibungsmöglichkeiten der richtige Weg. Der Streit über die Kosten ist kontraproduktiv und schadet auch noch der Wirtschaft.
Ist das aber nicht ein Konjunkturprogramm West? Ostdeutschland ist doch weitgehend durchsaniert.
Kentzler: Das stimmt so nicht. Viele Gebäude sind bereits Anfang der 90er Jahre saniert worden. Das ist schon wieder 20 Jahre her und fordert sicherlich Nachjustierungen. Und die steuerliche Förderung ist maßgeschneidert für den privaten Wohnungsbau. Den enormen Nachbesserungsbedarf in Ostdeutschland müssen wir mit Blick auf die ehrgeizigen deutschen Klimaschutzziele unbedingt angehen. Übrigens ist die Förderung der Gebäudesanierung gut angelegtes Geld. Das würde die nachlassende Konjunktur in Deutschland beleben und Arbeitsplätze sichern.
Die Auftragsbücher des Handwerks sind aber auch in Ostdeutschland voll. Ist nicht der Fachkräftemangel das Problem Nummer 1 für viele Handwerksbetriebe?
Kentzler: Kennen Sie einen erfolgreichen Handwerksbetrieb, der nicht weiter wachsen will? Fehlende Fachkräfte sind da ein Bremse. Und zwischen Ostsee und Erzgebirge fehlen uns im Jahr über 100.000 Schulabgänger, im Vergleich zu 2000. Folglich fehlen uns auch Auszubildende. Damit droht in einigen Jahren ernsthafter Fachkräftemangel.
Wo sehen Sie Lösungen?
Kentzler: Die Betriebe sind einfallsreich, werben, machen sich attraktiv für den Nachwuchs und schauen in die Nachbarländer. Doch das wird nicht reichen. Vielleicht brauchen wir einen "Swing-back": Die Kinder derjenigen, die vor 20 Jahren den Osten verlassen haben, sollten eine Rückkehr in Erwägung ziehen – mittlerweile gibt es dort in ausreichender Zahl Ausbildungsplätze und Arbeit.
Muss das Handwerk noch mehr ausbilden?
Kentzler: Klar - wir haben die Konkurrenz mit anderen Wirtschaftszweigen angenommen. Unsere Imagekampagne wird verstärkt auf Jugendliche ausgerichtet. Und wir schauen überall genauer hin. Schwache Schüler erhalten Angebote, sich an die Ausbildungsreife heranzuarbeiten. Wir werben mit wachsendem Erfolg um junge Migranten, deren Familien mit der deutschen Ausbildungskultur oft nicht viel anfangen können.
Das Handwerk könnte in den traditionellen männlichen Gewerken doch verstärkt brachliegende Arbeitskräfte-Potenziale bei den Frauen heben?
Kentzler: Das geschieht. Immer mehr Mädchen lernen Kfz-Mechatronikerin oder Elektronikerin. Im Rahmen der Imagekampagne präsentieren sich auf www.handwerk.de eine junge Berliner Metzgermeisterin und eine Steinmetzin im Film – beide sind begeistert in ihren Berufen, die als Männerdomäne gelten.
Ist die Rente mit 67 auch ein Ausweg?
Kentzler: Unsere Betriebe qualifizieren jetzt auch verstärkt ältere Mitarbeiter. Auf ihr Know-how und ihre Mitarbeit kann oft nicht verzichtet werden. Zumal dank vieler Hilfsmittel die Mitarbeiter auch in körperlich fordernden Berufen länger fit bleiben.
Interview: Thilo Boss für SuperIllu
Quelle: ZDH
Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://maler-düsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de
Autor:Heiner Pistorius aus Düsseldorf |
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