NRW-Landtagsabgeordnete kassierten mehr als 2,4 Millionen Euro an Nebeneinkünften
Nordrhein-Westfalens Landtagsabgeordnete haben seit Anfang 2015 mindestens 2,4 Millionen Euro nebenher verdient. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de an diesem Mittwoch unter Berufung auf die Selbstauskünfte, die die Parlamentarier auf der Internetseite des Landtags gemacht haben.
Einige Volksvertreter verfügen über zum Teil beträchtliche Einkünfte aus der Wirtschaft. Zwei Beispiele:
-Der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Römer erhielt als Aufsichtsratsmitglied vom Chemiekonzern Rütgers Germany GmbH seit Anfang 2015 insgesamt 50.694 Euro.
-Der CDU-Abgeordnete Gregor Golland kassierte für seine Teilzeittätigkeit als Kaufmännischer Angestellter von der RWE-Tochter RWE Group Business Services GmbH für das Jahr 2015 zwischen 90.000 und 120.000 Euro.
"Bei einigen Abgeordneten stellt sich außerdem die Frage, ob die Nebenjobs nicht in Wirklichkeit die Haupttätigkeit darstellen", so der abgeordnetenwatch.de-Sprecher Roman Ebener. Der CDU-Politiker Hendrik Wüst etwa gibt auf der Internetseite des Landtags drei bezahlte Geschäftsführerposten an, für die er allein im Jahr 2015 zwischen 100.000 und 170.000 Euro erhielt (Angaben für 2016 fehlen bislang). Der FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Bombis ist nach eigenen Angaben sogar Geschäftsführer in fünf Unternehmen, in drei Fällen wird die Tätigkeit vergütet (Gesamteinkünfte für 2015: zwischen 90.000 und 150.000 Euro).
Laut abgeordnetenwatch.de haben fünf Landtagsabgeordnete seit Anfang 2015 Einkünfte von mindestens 100.000 Euro erhalten:
-Norbert Römer (SPD, u.a. Aufsichtsratstätigkeiten bei der Rütgers Germany GmbH und der RAG AG): insges. 151.661 Euro
-Martin Börschel (SPD, u.a. als Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse KölnBonn und als Aufsichtsratsmitglied der RheinEnergie AG): insges. 145.479 Euro
-Christian Lindner (FDP, für Vortragstätigkeiten): insges. 143.309 Euro
-Gregor Golland (CDU, u.a. Kaufmännischer Angestellter bei der RWE GBS GmbH): insges. mindestens 125.585 Euro
-Hendrik Wüst (CDU, u.a. Geschäftsführer der Pressefunk Beteiligungsgesellschaft mbH): insges. mindestens 100.000 Euro
"Derartige Nebeneinkünfte bringen sämtliche Politikerinnen und Politiker als Abkassierer in Verruf”, so abgeordnetenwatch.de-Sprecher Ebener. “Dabei verfügen die allermeisten Abgeordneten im NRW-Landtag über keinerlei Zusatzeinkünfte.” 89 der 237 Landtagsabgeordneten (37,5 Prozent) haben bei Landtagspräsidentin Carina Gödecke meldepflichtige Einkünfte angegeben.
Am höchsten sind die Nebeneinkünfte bei den Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion (zusammen mindestens 910.000 Euro). Es folgen SPD (mind. 799.000 Euro), FDP (545.000 Euro), Grüne (160.000 Euro) und Piraten (970 Euro). Die beiden fraktionslosen Parlamentarier meldeten keine Einkünfte.
Kritik übt abgeordnetenwatch.de an den teilweise intransparenten Offenlegungspflichten für die nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten. Diese seien vorbildlich, wenn es um die Höhe der Nebeneinkünfte aus Vortragstätigkeiten oder Aufsichts- und Verwaltungsratsposten geht. Denn anders als im Bundestag müssen die Landespolitiker diese Zusatzverdienste Euro und Cent genau angeben, während es auf Bundesebene grundsätzlich nur grobe Gehaltsstufen gibt. Dringenden Korrekturbedarf aber gibt es laut abgeordnetenwatch.de in folgenden Punkten:
Nebeneinkünfte von mehreren Hunderttausend Euro im Dunkeln
Im NRW-Landtag bleiben Nebeneinkünfte von mehreren Hunderttausend Euro im Dunkeln. Der Grund: Ihre Einkünfte aus unternehmerischen Tätigkeiten oder freien Berufen müssen Abgeordnete nicht vollständig offenlegen, sondern nur in einem groben Stufensystem. Nach abgeordnetenwatch.de-Berechnungen haben die Landtagsabgeordneten seit 2015 insgesamt zwischen 2.416.538 und 3.152.488 Euro an Nebeneinkünften gemeldet. Die Grauzone beträgt demzufolge rund 700.000 Euro.
Beträchtliche Nebeneinkünfte bleiben viel zu lange im Dunkeln. Einige Abgeordnete haben laut abgeordnetenwatch.de erst in den vergangenen Tagen öffentlich gemacht, was sie im Jahr 2015 nebenbei verdient haben. In einigen Fällen ging es um hohe fünfstellige Beträge. Die Volksvertreter nutzen dabei eine Sonderregelung im Steuerrecht, die es ihnen erlaubt, durch das Hinzuziehen eines Steuerberaters ihre Angaben erst spät zu veröffentlichen. „Diese Transparenzlücke ist weder nachvollziehbar noch hinnehmbar“, so abgeordnetenwatch.de-Sprecher Ebener. Denn offenlegen müssen die Parlamentarier nicht etwa ihre steuerpflichtigen Einkünfte, sondern die Bruttozuflüsse, die auf ihrem Konto eingehen. Im Bundestag müssen alle Nebeneinkünfte innerhalb von drei Monaten nach Zufluss veröffentlicht werden.
Veröffentlichungspflichten ohne Schlupflöcher
Anders als die Parlamentarier im Bundestag müssen die Landtagsabgeordneten nicht mitteilen, zu welchem Thema sie einen bezahlten Vortrag gehalten haben. So bleibt etwa im Fall von FDP-Fraktionschef Christian Lindner offen, worum es bei den vier Veranstaltungen ging, für die er im April 2016 Vortragshonorare von insgesamt 19.500 Euro meldete. Lindner war u.a. bei der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle und dem Lebensmittelkonzern REWE aufgetreten. „Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht zu erfahren, aus welchem Anlass ihre Abgeordnete Geld von einem Unternehmen bekommen“, so Ebener.
„Im NRW-Landtag muss es endlich Veröffentlichungspflichten ohne Transparenzschlupflöcher geben,“ fordert der abgeordnetenwatch.de-Sprecher.
Eine Liste mit den Nebeneinkünften aller Landtagsabgeordneten und weitere Hintergründe finden Sie hier im abgeordnetenwatch.de-Rechercheblog
Autor:Carsten Klink aus Dortmund-Ost |
8 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.