Kampf um die Armut

Buchcover "Kampf um die Armut" Westendverlag Frankfurt ISBN 978-3-86489-114-4 | Foto: Westendverlag
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„Von echten Nöten und neoliberalen Mythen“ Experten mahnen Armutsbekämpfung und gerechte Verteilungspolitik an und erklären: „Warum Armut in Deutschland geleugnet und verschämt über den Reichtum im Land geschwiegen wird.

Ulrich Schneider (Hg.) gibt in Ergänzung des jährlichen Armutsberichtes des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes dieses fundierte Sachbuch heraus. Er hat vier ausgewiesen Expertene gefunden, die die Armut und deren Zusammenhänge und Auswirkungen aus ihrer Sicht näher definieren. Damit soll wissenschaftlich der aggressiven Leugnung von Armut im Land, auch in der renommierten Tagespresse, begegnet werden.

Gerade angesichts der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen, die in Deutschland Hilfe suchen, ist die Bundesregierung mehr als je zuvor seit der Wiedervereinigung zu einer offensiven Sozialpolitik aufgerufen. Ohne ein engagiertes staatliches Gegensteuern besteht die große Gefahr, dass die steigenden Flüchtlingszahlen zu einer noch tieferen Spaltung der bundesdeutschen Gesellschaft, als bereits gegeben, führen.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass wieder einmal die Armen mit den Armen teilen müssen, weil sich die Bundesregierung zu einer echten solidarischen Umverteilungspolitik, erinnert sei an die "schwarze Null", nicht bereitfindet“, warnt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen und Herausgeber des am 16.11.15 im Westend Verlages erschienenen Buches. Der entscheidende Hebelpunkt ist die Neujustierung des Armutsbegriffs.

So kritisieren die Autoren, dass Arbeitsministerin Nahles bereits davon spreche, dass Hilfen künftig auf "wirklich" Bedürftige (Verelendete) zu konzentrieren seien und nicht jeder arm sei, nur weil er zu wenig Geld habe. „Vordergründig geht es um Definitionen und wissenschaftliche Methoden – tatsächlich aber um knallharte Interessenpolitik“, so Schneider.

Die Autoren, die erstmals in dieser Form gemeinsam an die Öffentlichkeit treten, setzen sich in dem Buch aus politischer, ökonomischer und ethischer Perspektive mit der aktuellen Debatte um den Armutsbegriff auseinander.

„In einem wohlhabenden Land wie der Bundesrepublik wird Armut häufig relativiert, verharmlost und beschönigt, um die bestehende Ungleichverteilung von Einkommen, Vermögen und Lebenschancen zu rechtfertigen. Wer umgekehrt nach mehr sozialer Gerechtigkeit strebt, muss sich gegen die Verdrängung des Begriffs "Armut" aus dem öffentlichen Diskurs ebenso zur Wehr setzen wie gegen seine Verengung auf Not und Elend, um nicht von vornherein chancenlos zu sein“, so Armutsforscher Christoph Butterwegge.

Das Buch ist auch gedacht als politische Aktion gegen einen neoliberalen Mainstream. „Über die Armut in einem reichen Land wird lamentiert und die Armen werden verdächtigt. Doch wachsende Armut und exklusiver Reichtum entstehen, weil die Märkte regieren und der Sozialstaat fahrlässig demoliert wird“, so Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach SJ.

Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Stefan Sell unterstreicht, dass auch volkswirtschaftliche Motive für eine Umverteilung sprechen: „Armut und zunehmende Ungleichheit sind auch aus ökonomischer Sicht schädlich für die Menschen und die Gesellschaft. Verbesserungen bei den Ärmsten und gerade auch bei den Niedrigeinkommensbeziehern wirken sich volkswirtschaftlich und erst recht gesellschaftlich enorm positiv aus. Am Ende profitieren alle.“

Die Zahl der von Armut und Ausgrenzung Betroffenen in Deutschland sei in den letzten Jahren insbesondere in Folge gravierender Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt kontinuierlich gestiegen. Dazu komme, dass Armutsphasen heute überwiegend langfristig seien, wie sich unter anderem an der Situation der Tafeln nachzeichnen lasse, so Rudolf Martens, Leiter der Paritätischen Forschungsstelle: „Armut trotz Arbeit ist die Kehrseite des deutschen Beschäftigungswunders.“

Armes Deutschland
Es ist ein erbitterter Kampf ausgebrochen in Deutschland. Vordergründig geht es um Definitionen und wissenschaftliche Methoden – tatsächlich aber um knallharte Interessenpolitik. Es ist die Armut in unserem Land, um die so verbissen gestritten wird. Je größer sie wird, umso hartnäckiger das Leugnen derer, die ihren Reichtum oder ihre Macht bedroht sehen und umso härter ihre Schläge gegen alle, die sich mit der sozialen Spaltung in Deutschland nicht abfinden wollen. Einige der prominentesten und renommiertesten Kritiker dieses neuen neoliberalen Mainstreams vereint dieser Band mit brillanten Analysen, entlarvenden Erzählungen und engagierten Plädoyers gegen Ausgrenzung und für eine Gesellschaft, die keinen zurücklässt.

Wer die bereits bestehende Armut, das Elend verharmlost oder gar verneint, spielt bewusst mit dem noch scheinbar bestehenden sozialen Frieden. Es bleibt zu hoffen, dass eine breite offene Diskussion mit dem Buch angestoßen werden kann.

Die Buchvorstellung vor über 40 Zuhörern mit allen Autoren war am 18.11.2015 um 12 Uhr in der Alten Feuerwache in Köln.

Das Buch mit 208 Seiten in Klappenbroschur und als E-Book ist erschienen im Westendverlag unter ISBN 978-3-86489-114-4

Autor:

Siegfried Räbiger aus Oberhausen

Webseite von Siegfried Räbiger
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