Insolvenzrecht: Verantwortung darf nicht abgeschrieben werden!
Der vom Bundesjustizministerium erarbeitete Entwurf für ein "Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte" liegt heute dem Bundeskabinett zur Beschlussfassung vor. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt (18.07.2012) warnt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), davor, die Verantwortungskultur und damit die Unternehmenskultur in Deutschland durch das neue Insolvenzrecht negativ zu verändern.
Schnell reich werden, andere dafür zahlen zu lassen und selbst nicht zur Verantwortung gezogen werden zu können: Nach diesem Masterplan arbeiteten diejenigen Investmentbanker, die die Finanzkrise 2008 mit ausgelöst haben. Zahllose Menschen verloren ihre Ersparnisse oder gar ihr Vermögen, auch weil sie nur zu gerne auf das Versprechen hoher Renditen hereinfielen. Weltweit hatte sich eine ganze Reihe von Banken an diesem Spiel beteiligt. Diese verloren beim großen Zocken Milliarden, die sie gar nicht hatten. Um die Spareinlagen zu sichern, musste der Staat Milliardenbeträge garantieren.
2010 erreichte das verantwortungslose Handeln eine neue Ebene. Niemand in Euroland hatte vor allem Griechenland, aber auch Italien, Spanien, Portugal oder Irland genau auf die Finger geschaut. Während in armen Euro-Ländern wie Slowenien, Slowakei und den baltischen Staaten bis heute gewissenhaft mit dem Cent gerechnet wird, wurde anderswo großzügig aufgerundet – man war von den vorherigen heimischen Währungen ja große Zahlen gewohnt. Als der Wohlstand auf Pump nicht mehr finanzierbar war, rief man die Euro-Partner zu Hilfe. Sparanforderungen, dem Ruf nach notwendigen Reformen und nach better governance folgt man viel zu zögerlich.
Die Menschen machen es Banken und Staaten gerne nach. Sie kaufen auf Pump ein, nutzen Dienstleistungen ohne an die spätere Bezahlung zu denken, lassen Handwerker auf der Rechnung sitzen. 100.000 Privatinsolvenzen listet Creditreform allein 2011 auf. Unter den Geschädigten sind viele kleine Unternehmen, die einen Forderungsausfall nicht so einfach "abschreiben" können.
Fassungslos erleben ehrliche Mittelständler derzeit, wie die Verlagerung der Verantwortung auf andere, in Wirtschaft und Politik um sich greift. Für unsere überwiegend familiengeführten Betriebe ist geschäftliches Handeln nach wie vor mit der Übernahme von Verantwortung verbunden. Dazu gehört die Eigenverantwortung genauso wie die gegenüber Geschäftspartnern, Arbeitnehmern und Auszubildenden. Das ist der Kern ihres Verständnisses von unternehmerischer Tätigkeit. Und das gilt ihnen als Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft.
Das Handwerk hat daher der Politik applaudiert, als sie versprach, Schuldentreiberei und Zockertum einzudämmen. Wir brauchen tatsächlich ein neues Bewusstsein dafür, dass es nicht mehr geht ohne ein Mehr an Transparenz, Verantwortung und Haftung – auch für eigenes Fehlverhalten.
Das gilt insbesondere in einer global agierenden Wirtschaft und Gesellschaft.
Und deshalb passt es überhaupt nicht, wenn Privatschuldner künftig durch unseriöses Wirtschaften andere – weitgehend ungestraft - in den Sog der eigenen Insolvenz mit hineinziehen können. Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung soll ein neues Insolvenzrecht Privatpersonen – also Verbrauchern und Einzelunternehmern - bereits nach drei Jahren einen Schuldenschnitt von 75 Prozent ermöglichen. Voraussetzung ist, dass innerhalb dieser Frist die Verfahrenskosten und 25 Prozent der Schulden zurückgezahlt werden. Es steht außer Frage, dass auch Schuldner die Chance zum Neuanfang erhalten müssen. Deshalb ist der Gedanke einer Restschuldbefreiung im Sinne einer "zweiten Chance" richtig. Doch bei einem Schuldenschnitt von 75 Prozent kann nicht von einem "Rest" gesprochen werden – hier soll die Hauptsumme erlassen werden. Ein sachgerechter Interessenausgleich sieht anders aus!
Während der Verursacher nach drei Jahren schon wieder seine riskanten oder unseriösen Methoden anwenden kann, leidet der ehrliche Handwerksbetrieb vielleicht noch unter dem Forderungsausfall, weil beispielsweise Geld für Investitionen fehlt.
Ein solches Signal wird ohne Frage die Verantwortungskultur und damit die Unternehmenskultur in Deutschland verändern. Denn hier wird ein völlig verqueres Leitbild vorgegeben. Das können wir unseren Handwerksunternehmern, ja dem gesamten nachhaltig wirtschaftenden Mittelstand nicht vermitteln.
Das muss das Bundeskabinett bedenken, wenn es in diesen Tagen den Gesetzentwurf zum Insolvenzrecht billigen will. Die Frage ist: Wenn ein solches Umfeld geschaffen wird - warum soll ein Unternehmer dann noch das Prinzip der Eigenverantwortung ernst nehmen? 2008, nach dem Zusammenbruch von Lehmann, wurde in Deutschland in vielen Reden das Bild vom ehrbaren Kaufmann bemüht, der Verträge per Handschlag abschließt. Die Erinnerung daran scheint schon wieder verblasst.
Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH)
Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://maler-düsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de
Autor:Heiner Pistorius aus Düsseldorf |
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