Bildungsurlaub für Arbeitnehmer, Mitverantwortung
Hängen im Schacht
Das heutige Dilemma der Parteien, Gewerkschaften und Gesellschaft
Die fehlende, notwendige Zusammenarbeit im Betrieb und in der Gesellschaft wird beklagt. Die Mitbestimmung wird als Hinderungsgrund für die Wirtschaftlichkeit angeprangert und nicht mehr als Ausgleichs- und Verbesserungsmotor anerkannt. Die Montanmitbestimmung ist ausgelaufen.
Wer früher eine Lehre begann oder eine andere Ausbildung, erhielt am ersten Arbeitstag die notwendige Einweisung im Betrieb. Die Personalabteilung übergab einen sogenannten Laufzettel, der die notwendigen Stationen im Betrieb enthielt. Die Vorstellungsrunde musste abgearbeitet werden.
Wer auf der Tour zum Personal- oder Betriebsrat kam, wurde gleich empfangen mit den Worten: „Wir sind alle in der Gewerkschaft.“ Der Eintritt in die Gewerkschaft erfolgte damit automatisch, wie auch die Abbuchung des monatlichen Beitrages. Der Vertrauensmann des Betriebs(-teiles) wurde in Kenntnis gesetzt und sprach den Neuen vor Ort an. So wurde man gleich in die Betriebsfamilie aufgenommen.
Wer nicht bereits in der Familie mit der Partei in Berührung gekommen ist, wurde spätestens jetzt politisch informiert. Entweder trat man in die SPD oder in die CDA, seltener in die DKP ein. Oft gab es im Betrieb Vertrauensleute der Partei. Beiträge wurden dann von Kassierern am Wohnort persönlich eingenommen. So bestand im Betrieb und im Wohnort in der Nachbarschaft der Bezug zur Gesellschaft. Die sozialen Fittiche funktionierten.
Diese soziale Kontrolle bildet den Grundstock zur eigenen Bildung.
Die Möglichkeit des Arbeiten-Nehmer-Weiterbildungsgesetzes wurde in Betrieben der betrieblichen Mitbestimmung hochgeachtet. Spätesten nach Bestehen der Lehre war eine Bildungswoche in einer der Gewerkschaftsschulen oder parteinahen Stiftungen angesagt. Im geschützten Rahmen wurden das Zuhören, Diskutieren und Debattieren geübt. Diese Möglichkeiten gab und gibt es auch in den Landesbehörden. Hier war überwiegend die komba gewerkschaft als Fachgewerkschaft für Beamte und Beschäftigte der Kommunen, ihrer privatisierten Dienstleistungsunternehmen und der entsprechend im Landesdienst, eine Nachfolgeorganisation des Reichsbund der Kommunalbeamten und -angestellten vertreten, selten die Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) heute Ver.di unter dem Dach der DGB-Gewerkschaft. Wer aus einem Arbeiterhaushalt, mit einem entsprechenden Bewusstsein für Gerechtigkeit, kam, der entschied sich eher für eine der DGB-Gewerkschaften.
EXEMPLARISCHES LERNEN
Oskar Negt hat mit seinem 1968 mit seiner Schrift „Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen“ in den 70iger Jahren das Konzept zur gewerkschaftlichen Bildungsarbeit gelegt. Arbeitnehmer wurden nicht mehr frontal durch einen Referenten beschult, nein sie waren Teil des Lernens. Die Moderatoren übernahmen die Erfahrungen der Teilnehmer und arbeitet so den inhaltlichen Stoff. Diese Methode befähigte zum selbstständigen Denken und Erarbeiten von Lösungen im Betrieb als Betriebs- oder Personalrat. Dieses Denken machte jedoch in den Betrieben nicht halt. Das neu entstandene Selbstbewusstsein setzte sich in den Gremien der Parteien und Gewerkschaft fort.
Bereits in den 90er Jahren zeigt sich der Trend, dass die gewerkschaftlichen und parteinahen Schulungsstätten wieder mehr Wert auf Referenten legten. Eindeutige Ursachen werden sich nicht nachweisen lassen. Vielleicht ist aber durch den Bruch in der Weiterbildung auch teilweise Mitgliederschwund bei Parteien und Gewerkschaften zu erklären. Der Mitgliederschwund bewirkte auch den Abbau von Schulungsstätten.
Wird die vormalige Arbeiterpartei SPD betrachtet, ist der Trend eindeutig. Die Friedrich-Ebert-Stiftung als älteste parteinahe Stiftung erhält, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Hans-Seidelstiftung u.a. Bundeszuschüsse in Abhängigkeit von den Stimmen zur Bundestagswahl. Durch den Niedergang der SPD fließen die Bundesmittel nicht mehr so wie früher.
Sparen ist angesagt
Warum noch wöchentliche allgemeine politische Weiterbildung, sie ist nicht produktiv und wird von der heutigen Jugend nicht mehr nachgefragt. Es gibt nicht mehr die Lehrlingswerkstätten in den Betrieben. Die Unternehmen fordern allgemein gut gebildete nach Möglichkeit studierte Mitarbeiter, die sich für eine gut bezahlte Stelle, die Freizeit und nicht noch nebenbei für die Politik interessieren.
Die Politik ist für die Parteien und deren gewählte Gremienvertreter.
Was fürs Unternehmen gilt, gilt auch für die Parteien. Warum die Arbeit auf viele Schultern verteilen, nein Optimierung ist angesagt. Kritisches Hinterfragen ist nur zeitraubend und hinderlich. Die Pfründe der ehemaligen Volkspartei werden immer kleiner, der Kampf wird größer. Die Parteikarriere will gut geplant sein.
Diese Politik kann an der ehemaligen Parteischule in Bad Münstereifel aufgezeigt werden. Hier wurden die Grundlagen der spanischen und portugiesischen Sozialistischen Parteien ausgearbeitet und vorbereitet. Die Schule war der Rückzugsort von Willi Brand. Gegen breite Proteste in Form von Unterschriftenlisten und Petitionen der noch bildungshungrigen Mitglieder aus wirtschaftlichen Gründen verkauft.
Ist Bildung noch erstrebenswert oder nur eine Phrase?
In der Regel haben Arbeitnehmer*innen Anspruch auf 5 Tage Bildungsurlaub pro Jahr beziehungsweise 10 Tage in 2 Jahren. Der Weg zur Beantragung.
Bildungsurlaub in Bayern und Sachsen,
in beiden Bundesländer, in denen es keinen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub für Arbeitnehmer gibt.
Überall tönt es vom lebenslangen Lernen.
Parteien verhalten sich wie die Unternehmen, leicht ist es von anderen etwas einzufordern. Wir brauchen auch analoge Auseinandersetzung, wir sind soziale Wesen. Demokratie lebt vom sozialen Miteinander. Egoisten und Ja-Sager bringen uns nicht weiter.
Autor:Siegfried Räbiger aus Oberhausen | |
Webseite von Siegfried Räbiger |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.