Experte zum Kommunalwahlkampf: "Man sollte soziale Medien als Dialogmedien begreifen“

Dozent, Blogger und Politikberater: Martin Fuchs.
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Worauf sollten Parteien achten, wenn sie im Internet Kommunalwahlkampf betreiben? Martin Fuchs arbeitete als Politik- und Strategieberater in Berlin und Brüssel und ist heute Lehrbeauftragter für Public Affairs in Passau. Außerdem berät er politische Akteure und öffentliche Institutionen in digitaler Kommunikation. Im Gespräch verrät er uns, was man in sozialen Medien und Communities wie dem Lokalkompass bedenken und beachten sollte.

Herr Fuchs, kann man heutzutage noch Wahlkampf betreiben, ohne dafür auch das Internet zu nutzen?

Ich glaube, das wäre ein wenig an der Realität vorbei. Die Nutzung des Internets durchdringt mittlerweile so ziemlich alle Bereiche der Gesellschaft, ist für die meisten Menschen ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens geworden. Selbst Senioren nutzen zunehmend auch soziale Medien wie Facebook oder schreiben ihre eigenen Blog-Beiträge. Politische Akteure, die diese Entwicklungen ignorieren, verpassen meiner Meinung nach viele interessante Chancen und Möglichkeiten für den Wahlkampf und die Wählerbindung.

Politiker, die selbst nicht im Internet aktiv sind, sollten sich zumindest bewusst sein, dass andere Menschen dort über sie sprechen – im Guten wie im Schlechten. Es gibt aber durchaus Politiker, die auch im Jahr 2014 noch einen Wahlkampf ohne Internet führen und gewinnen können. Langjährig aktive und in der Kommune bekannte Lokalpolitiker können sich noch auf die aufgebauten "analogen" Netzwerke verlassen.

Können unsere Kommunalpolitiker einen Social Media-Wahlkampf wie US-Präsident Barack Obama betreiben? Gerade für kleinere Parteien wäre das doch viel erschwinglicher.

Das kann man nicht wirklich vergleichen. Der US-Wahlkampf ist traditionell stärker auf Personen und Emotionen ausgerichtet, und Amerikaner diskutieren Politik online heftiger. Außerdem waren bei Obama nicht nur die sozialen Medien entscheidend, sondern auch ein starkes Fundraising, prominente Unterstützer und Millionen Wahlhelfer.

Reine Online-Kampagnen kosten zwar weniger als Plakate, TV- und Kinospots. Aber wenn man soziale Medien professionell nutzen will, kostet das Zeit und Personal, und wer seine Sichtbarkeit und Reichweite messbar erhöhen will, sollte hier ebenfalls ein wenig Geld in die Hand nehmen.

Ist es denn für politische Akteure überhaupt sinnvoll, sich im Internet in allen Portalen anzumelden und dort mit Mitteilungen über Partei und Kandidaten um sich zu schmeißen?

Wer seine Online-Aktivitäten auswertet, wird schnell merken, dass nicht alle Maßnahmen denselben gewünschten Erfolg erzielen. Am besten entwickelt man eine Strategie: Was sind meine Kernthemen im Wahlkampf? Welche Zielgruppen will ich vor allem erreichen? Hierbei ist wiederum eine ausführliche Analyse hilfreich: über welche (lokal)politischen Themen reden die Menschen online? Auf welchen Kanälen passiert für meine Belange am meisten, und wer sind dort jeweils die Meinungsführer und Multiplikatoren? Wer all solche Fragen beantworten kann, muss nicht nach dem „Gießkannen-Prinzip“ vorgehen, sondern geht sehr viel gezielter in den Wahlkampf.

Apropos gezielt: Ab wann ist es ratsam, die Kommunikation an dafür ausgebildete Profis abzugeben?

Das kann man pauschal nicht sagen. Oft empfiehlt sich, fürs Erste die Aufgaben innerhalb der eigenen Organisation zu verteilen. Manche Parteimitglieder haben vielleicht einen besseren Draht zum Internet und könnten berichten, welche Themen dort Gewicht haben. Andere sind besser in der inhaltlichen Themenplanung, der Konzeption einer Dramaturgie oder der Terminorganisation. Grundsätzlich sollten Politiker jedenfalls keine Scheu vor den sozialen Medien haben und die Gelegenheit nutzen, dort mit ihren Wählern zu interagieren. Wer glaubhaft erkennen läßt, dass er diesen Austausch zu schätzen weiß, muss dazu auch gar nicht rund um die Uhr erreichbar sein.

Kurz auf den Punkt gebracht: worauf sollten kommunale Politiker und Parteien online unbedingt achten, welche Fehler sollten sie tunlichst vermeiden?

Auf jeden Fall sollten sie soziale Medien nicht einseitig nutzen wie einen E-Mail-Verteiler, sondern als Dialogmedien begreifen, die kontinuierliche Kommunikation und die entsprechende Geduld erfordern. Man sollte Diskussionen beobachten, die Leute ernst nehmen, sich inspirieren lassen und auch den Mut haben dahin zu gehen, wo der politische Gegner sich aufhält. Also im Prinzip wie im realen Leben. Das Internet sollte ein selbstverständlicher Teil des politischen Lebens sein.

Tipps zum Weiterlesen

=> wie nutzen Kommunalpolitiker das Internet? Dazu gab es im Raum Leipzig eine Studie
=> klassische Fehler in der politischen Onlinekommunikation: eine Analyse von Martin Fuchs
=> narrative Posts bringen mehr Reaktionen, so eine Studie der Macromedia-Hochschule
=> Das Statistik-Portal Statista.

Autor:

Stanley Vitte aus Düsseldorf

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