Entscheidung für Rente mit 67 muss Bestand haben
Als "abenteuerlich" bezeichnet ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke, Pläne, die Rente mit 67 wieder zurückzunehmen. "Die demografische Entwicklung macht eine längere Lebensarbeitszeit unverzichtbar", sagt er im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (14. Januar 2012). Die Wirtschaft unterstützt "Arbeit bis 67" und steht im Wort, "akzeptable Beschäftigung für Ältere anzubieten", so Schwannecke.
Energiewende absurd: Weil nach der Abschaltung alter Atommeiler im winterlichen Deutschland der Strom knapp wird, muss Netzbetreiber Tennent auf österreichische Reserven zurückgreifen - und die stammen aus einer echten CO2-Schleuder. Regt Sie das auf?
Schwannecke: Der Zukauf von Strom aus ölbefeuerten Kraftwerken kann niemanden glücklich machen. Aber dies beschreibt die vertrackte Situation, in der wir stecken, und die Herausforderung, die zu bewältigen ist: Die Politik muss die beschlossene Energiewende beschleunigen. Aber leider passiert nicht das, was Deutschland dabei entscheidend voranbringen würde: die steuerliche Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Seit Monaten streiten Bund und Länder, die Zeit wird vertändelt mit finanziellen Pokerspielchen. Dabei sind Anreize zur Energieeinsparung ein wesentlicher Baustein, damit die Energiewende gelingt. Gleiches gilt für die Energieberatung. Absolut unverständlich ist auch der Verzicht auf den Sachverstand der handwerklichen Energieberater beim Aufbau der bundesweiten Expertenliste. Sie gelten als befangen, nur weil sie in einem Handwerksbetrieb arbeiten. Für andere Experten gilt das merkwürdigerweise nicht.
Auch der Ausbau des Stromnetzes geht nur sehr schleppend voran...
Schwannecke: ... denn die Bundesregierung zeigt nicht den nötigen Biss. Das Handwerk steht bereit als offizieller Ausrüster der Energiewende. Aber die angebotenen Leistungen werden kaum abgerufen. Es fehlt in Bund und Ländern offenbar an Konzentration und Entschlossenheit. Das muss sich ändern.
Befürchten Sie Blackouts in Deutschland und in der Folge wirtschaftliche Schäden?
Schwannecke: Beides ist nicht auszuschließen. Es ist kein gutes Zeichen, dass wir es offenkundig nicht schaffen, den in Windanlagen produzierten Strom im Land zu verteilen, weil die Trassen fehlen. Die Wirtschaft erwartet hier mehr Schub. Denn sie ist auf zuverlässige Stromzufuhr angewiesen. Bislang sind wegen der milden Witterung Stromausfälle ausgeblieben. Wenn es knackig kalt wird, kann das anders aussehen. Spannungsschwankungen gibt es ja bereits.
Welche Perspektiven rechnet sich das Handwerk für 2012 aus?
Schwannecke: Wir erwarten nach einem sehr guten Jahr 2011 im nächsten Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent, vielleicht auch etwas mehr. Das Handwerk, aber auch die gesamte deutsche Wirtschaft sind weit von einer Rezession entfernt. Und ich warne dringend davor, Panik zu erzeugen. Denn mit dem Begriff Rezession verbindet doch jedermann massive Abstürze. Dieses Gerede mancher Volkswirte ist verantwortungslos und muss aufhören.
Die Bundesagentur für Arbeit betreibt eine Anwerbekampagne junger Spanier. Läuft es ohne Zuzug aus dem Ausland nicht?
Schwannecke: Ganz klar gibt es Handlungsbedarf. 11.000 Lehrstellen sind 2011 im Handwerk offen geblieben. Auch wir stehen in Kontakt mit spanischen Offiziellen und wollen jungen Spaniern in Deutschland eine Chance geben. Das ist für uns gut. Und es ist gut im Sinne europäischer Nachbarschaftshilfe. In Spanien ist fast jeder zweite Jugendliche ohne Job. Dabei sind viele hoch motiviert und bemühen sich um deutsche Sprachkenntnisse. Jetzt prüfen wir Details – zusätzliche Qualifizierung, Unterkunft in Internaten usw.
Die SPD läuft Sturm gegen die Rente mit 67 – und bekommt Unterstützung der CSU.
Schwannecke: ....denn sie wissen nicht, was sie tun. Es ist schon ein starkes Stück, die Entscheidung für die Rente mit 67 wieder zurücknehmen zu wollen. Das ist auch abenteuerlich, weil die demografische Entwicklung eine längere Lebensarbeitszeit unverzichtbar macht. Anders sind unsere Systeme nicht mehr zu finanzieren. Wir können ja bereits eine deutliche Steigerung der Beschäftigung Älterer und ein Ansteigen des tatsächlichen Renteneintrittsalters feststellen. Das würde sich wieder umkehren, wenn wir erneut Anreize zum früheren Renteneintritt setzten.
Der Dachdecker, der mit Mitte 60 nicht mehr auf das Gerüst geschickt werden kann, ist ein vielzitiertes Beispiel für die Unmenschlichkeit der Rente mit 67....
Schwannecke: Richtig ist: Wir haben Berufe, in denen die körperlichen Grenzen eher erreicht werden. Für jene, die nicht mehr können, müssen wir gemeinsam Lösungen finden. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Botschaft, dass alle länger arbeiten müssen. Und wenn die Wirtschaft "Arbeit bis 67" unterstützt, muss sie Älteren akzeptable Beschäftigung anbieten. Das ist ein Stück Glaubwürdigkeit. Das Handwerk stellt sich hier seiner Verantwortung. Was dabei hilft: Die Rente mit 67 wird sukzessive bis 2029 eingeführt - in den kommenden 17 Jahren wird es viele technische Neuerungen geben, die älteren Arbeitnehmern den Berufsalltag erleichtern. Auch stärkere Gesundheitsvorsorge wird eine deutlich größere Rolle spielen.
Interview: Beate Tenfelde
Quelle: ZDH
Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://malerdüsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de
Autor:Heiner Pistorius aus Düsseldorf |
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