Ein Käfig voller Demokraten: Stadtspiegel-Leser zu Gast im Düsseldorfer Landtag
NRW-Innenminister Ralf Jäger steht unter Beschuss. Schon seit einer Viertelstunde steckt er ein, was CDU-Mann Peter Biesenbach ihm unter Beifall aus der CDU-Loge an den Kopf wirft. Genau 19 Minuten und 34 Sekunden wird Biesenbach reden, damit bleiben ihm noch 26 Sekunden Munition für das Finale. Unterdessen sitzt Jäger auf seinem Platz im Plenarsaal des Düsseldorfer Landtags und unterzeichnet in knisternder Ruhe Papier um Papier.
Am Morgen des 16. März steht auf der Tagesordnung der 139. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen die Causa Wendt. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht sich durch seine diffusen Einkünfte und Tätigkeiten in Bedrängnis – wieder eine Affäre, die in die Zuständigkeit von Innenminister Jäger fällt. Entsprechend nimmt auch der oppositionelle Marc Lürbke von der FDP den Minister aufs Korn. "Komm endlich zur Sache!", rumpelt es aus der SPD-Fraktion. Einer der beiden Stenografen blickt kurz auf, erkennt seinen Pappenheimer, dokumentiert. Jede Plenarsitzung soll so detailliert wie möglich festgehalten werden, damit auch die Stimmung im Saal nicht verloren geht; rund 400 Silben pro Minute müssen die Schreiberlinge festhalten.
Die neutrale Präsidentin
Der Wortabtausch ist hart, die Sache spannend. Man könnte aus der Drucksache 16/14387, wie die Causa Wendt auf der Tagesordnung heißt, einen Werbefilm für das Parlament schneiden, die Rollen sind schon gut besetzt. Carina Gödecke kann über das Scharmützel im Plenarsaal nur lächeln; die Präsidentin des Landtags ist Härteres gewohnt. Nur einmal, als das Gepolter aus dem Rund des Saales lauter wird, läutet sie ihre Handglocke, Ruhe kehrt ein. Im einer Fragerunde mit 40 Leserinnen und Lesern des STADTSPIEGEL Bochum stellt sie sich den Fragen aus dem Publikum. Sie erklärt, dass sie sich als SPD-Abgeordnete aus Bochum gegen den Verdacht der Parteilichkeit wehren muss, verlangt doch das Amt der Präsidentin politische Neutralität. Dass eine gewisse Polemik aus dem Landtag nicht wegzudenken ist. Dass sie über eine 40-Stunden-Woche nur lächeln kann. Dass unter den Abgeordneten auch Handwerker und Bergleute sind, nicht nur Rechtsanwälte und Lehrer.
Bürgernah in Düsseldorf?
Dass die Landespolitik sich bürgernah zeigen will, transparent und integer, betont Gödecke immer wieder. Aber die Gäste aus Bochum fragen: Wie denn ein Abgeordneter den Kontakt zur Bevölkerung hält. Was man denn als Politiker noch nebenbei verdienen kann und wo man das nachlesen kann. Warum denn bei der Sitzung nicht alle Plätze besetzt waren. Warum man keine Fotos machen darf. Ihre Fragen zeigen, dass sie denen in Düsseldorf genau auf die Finger schauen wollen, sich nicht mit Floskeln zufrieden geben. Das weiß auch Carina Gödecke, die das wachsende Misstrauen gegenüber der Politik mit Sorge beobachtet. Es tun beide Seiten gut daran, sich gegenseitig zu besuchen und miteinander zu sprechen.
Autor:Jens Steinmann aus Herne |
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