„Die Energiewende kann nur mit dem Handwerk gelingen“
Die Betriebe des Handwerks sind gut aufgestellt, um die Anforderungen im Bereich Energieeffizienz und Erneuerbare Energien zu bewältigen, versichert ZDH-Präsident Otto Kentzler im Interview mit dem Badischen Tagblatt (17. Januar 2012). Kritik übt Kentzler daran, dass das Gesetz zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung "weiter im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat schmort".
Herr Kentzler, hinter dem Handwerk in Deutschland liegt ein sehr erfolgreiches Jahr 2011. Wie fällt ihre Bilanz aus?
Kentzler: Kurz und knapp: Gut gelaufen. Unter dem Strich hat das Handwerk - quer durch alle Branchen - im vergangenen Jahr ein Plus von mehr als fünf Prozent erwirtschaftet. Wobei der gute Binnenmarkt und die gewachsene private Nachfrage nach Handwerkerleistungen insgesamt eine wichtige Rolle gespielt haben. Der Bau- und Ausbaubereich hat u.a. von den Konjunkturpaketen der Bundesregierung profitiert und ist bis heute gut ausgelastet. Viele Städte und Gemeinden haben die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel in Gänze abgerufen. Entscheidend war, dass die Bundesregierung letztlich zustimmte, einmal genehmigte Maßnahmen auch nach Auslaufen der Konjunkturpakete noch fertig stellen zu können. Es braucht bekanntlich eine ganze Zeit, bis die Maßnahmen ins Laufen kommen; die kommunalen Mühlen von Beschluss über Ausschreibung bis zur Vergabe von Aufträgen mahlen langsam.
Mit fünf Prozent Wachstum war 2011 ein Jahr mit Rekord-Charakter für das Handwerk. Der Blick geht aber schon auf 2012. Dort lässt sich ein Wachstum in einer solchen Dimension wohl nicht wiederholen. Welche konjunkturellen Erwartungen haben Sie?
Kentzler: Wir sind optimistisch, weil viele unserer Handwerksbetriebe einen hohen Auftragsbestand mit ins neue Jahr genommen haben. Wir gehen zurzeit von 1,5 Prozent Wachstum aus. Zumal der Binnenmarkt nach wie vor funktioniert. Das stimmt uns zuversichtlich.
Aber nicht alle Branchen können derzeit von einer guten Auftragslage berichten. Es gibt auch Problembereiche.
Kentzler: Ja, unsere Gesundheitshandwerke tun sich angesichts der neuen gesetzlichen Regeln schwer. Andere Probleme werden von der Politik heraufbeschworen. Dauerthema ist die Energiewende, vor allem der Bereich der energetischen Gebäudesanierung. Viele Hausbesitzer zögern, weil die geplanten steuerlichen Anreize für die energetische Sanierung im Bundesrat gestoppt wurden und das Gesetz noch immer im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat schmort. Wobei ich die zögerliche Haltung der Länder nicht verstehen kann. Dort muss mehr wirtschaftlich gedacht werden und nicht nur haushalterisch. Zumal es hier um kleine Summen geht im Vergleich zu dem, was im Zuge der EU-Finanzkrise an finanziellen Hilfen bereit gestellt wird. Tatsächlich haben Investitionen in die Energieeffizienz nicht nur positive Folgen für das Klima, sondern auch für die Wirtschaft: Jeder Euro an Fördermitteln bringt acht bis neun Euro zusätzliche private Investitionen, hat die (Förderbank) KfW festgestellt. Dass heißt, der Staat verdient letztlich mehr als er hineinsteckt.
Die Energiewende kann nur gelingen mit dem Handwerk, und da steht für uns die Energieeffizienz an erster Stelle. Das können wir, und dazu sind wir auch gut aufgestellt in unseren Betrieben dank exzellenter Ausbildung und Qualifizierung.
Eine wichtige Frage für die Handwerksbetriebe bleibt auch 2012 die Finanzierung, Stichwort Kreditklemme. Befürchtet das Handwerk als Kreditnehmer durch die drohenden strengeren Eigenkapitalanforderungen an die Banken konkrete Auswirkungen?
Kentzler: Zunächst einmal hat das Handwerk Verständnis dafür, dass die Eigenkapitalhinterlegung der Banken gestärkt werden soll. Das darf aber nicht dazu führen, dass sich gerade bei den kleineren oder mittleren Unternehmen die Kosten für die Kredite verteuern. Deswegen ist es unser Ziel, dass durch die Bankenregulierung Basel III keine Nachteile für das Handwerk entstehen, sondern der Status quo erhalten bleibt.
Die Probleme, die hinter der Eigenkapitalfrage stecken, haben schließlich nicht wir verursacht und auch nicht unsere Haupt-Kreditgeber, die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken. Deshalb ist es unser Recht als Kunde, also als Kreditnehmer, dass wir auf eine drohende Schieflage hinweisen. Bislang ist die sogenannte Kreditklemme für das Handwerk überhaupt kein Thema, auch wenn für kleine Betriebe die Kreditversorgung oft schwieriger und teurer geworden ist. Jetzt geht es aber ums Ganze: Es wäre ein Treppenwitz, wenn Basel III zu einer systematischen Belastung für die Mittelstandsfinanzierung führen würde.
Herr Kentzler, das Jahr 2012 bringt den Einstieg in die Rente mit 67. Das hat nicht nur für Arbeitnehmer Konsequenzen, sondern auch für Arbeitgeber. Wie hat sich das Handwerk darauf vorbereitet?
Kentzler: Eigentlich muss unser Thema heißen: Arbeit bis 67. Und das ist für uns eine große Herausforderung. Die Wirtschaft muss Arbeitsplätze in der Übergangsphase so gestalten, dass auch Ältere zurechtkommen. Da sind wir dabei. Ich persönlich glaube, dass Arbeiten bis 67 auch in Handwerksberufen möglich geworden ist. Die Arbeitsmethodik und die Hilfsmittel haben sich derart verbessert, dass die physische Belastung längst nicht mehr so stark ist, wie ich das vor 40 Jahren kennen gelernt habe. Hinzu kommt, dass wir in unseren Betrieben bereits viel für die gesundheitliche Vorsorge der Mitarbeiter tun. Und wir sorgen für die notwendige Qualifizierung der älteren Mitarbeiter. Das bringt uns alles dem Ziel näher: Arbeit bis 67. Denn grundsätzlich gilt: Wir müssen uns auf den demografischen Wandel einstellen - und dazu zählt, länger zu arbeiten.
Abschließend noch eine Frage, die nicht nur dem Handwerk unter den Nägeln brennt: Wie begegnen Sie dem akuten Fachkräftemangel beziehungsweise der unzureichende Ausbildungssituation?
Kentzler: Keine Frage, wir haben schon einen Wettbewerb um guten Nachwuchs und um die besten Köpfe. Das Handwerk hat in den vergangenen Jahren seine Bemühungen im Land verstärkt, Jugendliche für das Handwerk zu begeistern. Wir dringen mit Erfolg auf frühzeitige Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen, wir sprechen gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund und ihre Familien an, wir klären mit einer breit angelegten Imagekampagne über unsere über 130 Ausbildungsberufe auf. Ich sehe aber durchaus auch eine Möglichkeit, im Ausland nach Auszubildenden zu schauen. Durch die Krise sind Länder wie Spanien oder Portugal, die eine hohe Arbeitslosigkeit und wenig Perspektiven für Jugendliche haben, in den Fokus gerückt. Ganz aktuell sind wir mit der spanischen Botschaft im Gespräch, wie Jugendlichen aus Spanien der Weg zu Ausbildung und Arbeit im deutschen Handwerk geebnet werden kann.
Interview: Jürgen Volz
Quelle: ZDH
Zu Handwerksthemen finden Sie ebenfalls Beiträge unter http://malerillu.de. , dem Online Magazin der Maler- und Lackierer-Innung Düsseldorf sowie unter http://malerdüsseldorf.de und http://energie-und-fassade.de
Autor:Heiner Pistorius aus Düsseldorf |
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