Atommüll
Anti-Atom-Initiativen fordern mehr Einsatz von Grünen im Jülicher Castor-Streit

Foto: Lars Hoff

Protest vor Jülicher Grünen-Parteibüro beim Besuch von Neubaur und Nouripour

  • Geplante Castor-Transporte quer durch NRW unnötig und gefährlich
  • Grüne Atomaufsicht bleibt hinter ihren Möglichkeiten
  • Neubau in Jülich wäre sicherer

Ins Fahrerhaus eines Castor-Transports einsteigen mussten am heutigen Dienstag (5.3.) NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Grünen-Chef Omid Nouripour in Jülich. Atomkraftgegner*innen hatten den Eingang ins Grünen-Parteibüro in Jülich mit der Atomtransport-Attrappe zugestellt – Protest gegen die größte Castor-Lawine aller Zeiten, die mit Billigung der grünen Bundesumweltministerin demnächst durch NRW rollen könnte.

Mit Hochdruck bereitet die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN) 152 Castor-Transporte von hochradioaktivem Atommüll aus dem Zwischenlager Jülich ins Zwischenlager Ahaus vor. Es ist ein Paradebeispiel für den planlosen Umgang mit dem deutschen Atommüll: Das Lager in Ahaus ist eines der unsichersten in ganz Deutschland, seine Genehmigung erlischt schon in wenigen Jahren. In einem heutigen Sicherheitsanforderungen entsprechenden Neubau in Jülich wäre der strahlende Müll viel besser aufgehoben.

Die schwarz-grüne NRW-Landesregierung erklärte im Sommer 2022 ihre Absicht, in Jülich den Bau einer neuen Lagerhalle voranzutreiben. Unternommen hat sie in dieser Hinsicht jedoch bisher zu wenig. Stattdessen gibt die JEN Richtung und Tempo vor. „Die JEN will den Atommüll bloß so schnell wie möglich loswerden“, erklärt Marita Boslar vom Aktionsbündnis „Stop Westcastor“. „Nur so lässt sich erklären, warum sie sich seit Jahren nicht ernsthaft darum bemüht, den genehmigungslosen Zustand beim bestehenden Jülicher Lager zu beenden. Angemahnte Unterlagen reicht die JEN nicht oder erst nach jahrelanger Verzögerung ein. Den Bau eines neuen Lagers in Jülich hat sie von Anfang an boykottiert – trotz aller Beteuerungen, diese Option gleichberechtigt zu verfolgen. Dabei würde der Neubau 152 sinnlose Castor-Transporte vermeiden – und könnte heute längst stehen.“

„Dass die Grünen die Transporte nicht verhindern, obwohl sie in Berlin und Düsseldorf in entscheidenden Positionen sitzen und in NRW sogar ihren Koalitionspartner CDU hinter sich wissen, ist ein Schlag ins Gesicht aller Atomkraftgegner*innen“, gibt Helge Bauer von der bundesweiten Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt seiner Enttäuschung Ausdruck. „Den Worten müssen endlich Taten folgen! Hätte Mona Neubaur Rückhalt aus der Bundespartei, könnte sie als Chefin der NRW-Atomaufsicht die längst hinfällige Räumungsanordnung zurückziehen und der dreisten Verzögerungstaktik der JEN Einhalt gebieten. Das wäre ihre Aufgabe. Stattdessen lässt sie sich auf der Nase herumtanzen. Abgebrannte Brennelemente durch die Gegend zu karren, zeugt nicht von einem verantwortungsbewussten Umgang mit Atommüll. Gefährliche Atomtransporte werden nicht plötzlich sicher, weil eine grüne Regierung sie genehmigt.“

Ähnlich ernüchtert ist Peter Bastian vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen: „Der Genehmigungsprozess für das bestehende Lager ist weit fortgeschritten. Es fehlen nur noch Unterlagen zur IT-Sicherheit – sicher eine lösbare Aufgabe. Die Frage der Erdbebensicherheit, die 2013 dazu führte, dass das Lager seine Genehmigung verlor, ist längst erledigt. Mona Neubaur darf sich von der JEN nicht vorführen lassen wie ihre Vorgänger. Stattdessen sollte sie Fristen für fehlende Unterlagen setzen und der JEN klare Vorgaben zum Umgang mit dem Atommüll machen.“

„Mit den Transporten würde man ein großes Risiko eingehen“, meint auch Hartmut Liebermann von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“. „Hinzu kommt, dass die Betriebsgenehmigung für das Ahauser Lager bereits in 12 Jahren ausläuft und die Stadt gegen die Einlagerung der Castor-Behälter aus Jülich klagt. Nicht zuletzt müssen die Brennelementkugeln aus Jülich vor der ‚Endlagerung‘ noch vorbereitend behandelt werden. Dafür ist und bleibt die JEN zuständig – und da diese sogenannte Konditionierung in Ahaus aus technischen und rechtlichen Gründen nicht möglich ist, könnte das Lager dort nur eine Zwischenstation sein. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, müsste der Müll nochmals an einen anderen Ort transportiert werden, möglicherweise sogar zurück nach Jülich.“

Kerstin Ciesla vom BUND NRW mahnt ein umfassendes Konzept für die Dauer-Zwischenlagerung an: „Bis ein tiefengeologisches Lager in Betrieb geht, wird es noch Jahrzehnte dauern. Weder die Castor-Behälter noch die bestehenden Zwischenlager sind für derart lange Zeiträume konzipiert. Die geplanten Transporte zeigen, dass die Bundesregierung noch immer kein Konzept für die Langzeit-Zwischenlagerung des Mülls hat. Ein jahrzehntelanges Hin- und Herschieben von einer Behelfslösung zur nächsten ist verantwortungslos angesichts des Risikos, das von dem hochgefährlichen Atommüll ausgeht.“

Autor:

Marita Boslar aus Düsseldorf

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