AfD will niedrige Lohnerhöhungen

Die Löhne in Deutschland steigen wieder stärker, längst nicht stark genug, aber immerhin. Das finden inzwischen alle Ökonomen gut, sogar die Deutsche Bundesbank. Weil sie in großer Sorge vor der Deflation ist. Alle Ökonomen? Nein, einer meckert: Bernd Lucke, Chef der Alternative für Deutschland (AfD). Der „Ökonom“ fordert weiterhin nur schwache Lohnsteigerungen.

Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat kürzlich Lohnerhöhungen in Höhe von drei Prozent in Deutschland gutgeheißen. Denn dies entspräche dem „verteilungsneutralen Spielraum“. Was heißt das? Dieser Spielraum ergibt sich aus dem Wachstum der Arbeitsproduktivität – ca. ein Prozent – plus Zielinflationsrate der Euro-Zentralbank – knapp zwei Prozent—. Steigt der Lohn gemäß dieser Regel, findet keine Umverteilung des Einkommens zwischen Kapital und Arbeit statt.

Nun ist die Forderung Weidmanns nicht besonders revolutionär. Denn erstens sollte sie eine Selbstverständlichkeit sein – ist sie allerdings nicht: Zwischen 2000 und 2013 betrug der verteilungsneutrale Spielraum 40 Prozent. Die Effektivlöhne je Beschäftigten stiegen jedoch nur um etwa 22 Prozent. Das bedeutet: Knapp 18 Prozent wanderten in die Taschen der Unternehmer – eine brutale Umverteilungspolitik zulasten der Beschäftigten. Notwendig wären Lohnerhöhungen von vier bis fünf Prozent über mehrere Jahre hinweg, um diesen Rückstand wieder aufzuholen.

Die Bundesbank ist das viel bescheidener. Sie fordert jetzt lediglich, dass die Umverteilung nicht noch weiter geht. Abgesehen davon entspricht ihr Vorschlag ohnehin nur dem, was die Unternehmen bereits mit den Gewerkschaften ausgehandelt haben.

Dennoch wettern die Unternehmer gegen die Bundesbank. Ihre Äußerungen zur Tarifpolitik seien „nicht hilfreich“, so der Arbeitgeberverband BDA. An ihrer Seite: Ökonom Lucke. Der AfD-Chef sei „sehr erstaunt, dass die Bundesbank neuerdings den Tarifparteien Ratschläge gibt. Dies ist weder mit ihrer Neutralität noch mit der Tarifautonomie vereinbar“, sagte er dem Handelsblatt Online.

Wieso „neuerdings Ratschläge“? Die Bundesbank äußert sich häufig zur Lohnentwicklung. Doch solange sie „Lohnmäßigung“ forderte und „Lohnmoderation“ lobte, hatte Lucke offensichtlich nichts dagegen. Abgesehen davon ist es logisch, dass Zentralbanker die Lohnentwicklung im Blick haben. Schließlich achten sie auf die Inflationsrate – und die wird durch die Löhne bzw. die Nachfrage beeinflusst.

Daher auch die jüngsten Ratschläge Weidmanns: Angesichts einer Inflationsrate von nur noch 0,8 Prozent in Deutschland und 0,4 Prozent in der Euro-Zone fürchtet er Deflation. Da kommt selbst Weidmann auf den Trichter, dass irgendwie die Lohnentwicklung zu schwach ist.

Ökonom Lucke sieht das ganz anders: Bei der Berechnung des verteilungsneutralen Spielraums dürfe man nicht die Zielinflationsrate von knapp zwei Prozent ansetzen, sondern die Inflation im Zeitraum, für den der Tarifvertrag geschlossen wird. Und hier sei Deutschland „weit von zwei Prozent Inflation entfernt“. Für 2014 betrage die Inflationsrate aktuell 1,1 Prozent und dies mit fallender Tendenz. „Damit“, so der AfD-Chef, „muss auch in Deutschland eher eine Deflation als eine Inflation von zwei Prozent befürchtet werden.“

Das ist verrückt: Während die Bundesbank stärker steigende Löhne gegen die Deflationsgefahr befürwortet, fordert Ökonom Lucke schwächer steigende Löhne gerade, weil Deflation droht. So sieht er aus, der wirtschaftspolitische Sachverstand der „Alternative“: Wenn die Inflation steigt, braucht es Lohnmäßigung und wenn Deflation droht auch. Jeden Sachverhalt macht sie zu einem Argument, um den Beschäftigten angemessene Entgelte zu verweigern. Die Politik, die seit 2000 den durschnittlichen Reallohn um 3,7 Prozent abgesenkt hat, soll fortgesetzt werden.

ausführliche Informationen zur Lohnentwicklung:
http://www.michael-schlecht-mdb.de/wp-content/uploads/2014/08/L%C3%B6hne-abgeh%C3%A4ngt-140808.pdf

Autor:

Lawrence Dlangamandla aus Düsseldorf

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