Abenteuer Atomkraft: „Radioaktivität hat mich schon immer fasziniert“

Gerrit Schmitz vor einem leerstehenden Gebäude der Geisterstadt Prypjat bei Tschernobyl.
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  • Gerrit Schmitz vor einem leerstehenden Gebäude der Geisterstadt Prypjat bei Tschernobyl.
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Während andere Leute an Urlaub denken, möchte Gerrit Schmitz bald nach Fukushima reisen. Der 21jährige Düsseldorfer hat es sich zum Hobby gemacht, Atomkraft, radioaktive Strahlung sowie die entsprechenden Gefahren zu erforschen und mit seiner Kamera zu dokumentieren.

Letztes Jahr flog er dafür mehrmals nach Tschernobyl und hat dort beeindruckende Bilder aufgenommen. Im Gespräch berichtet der junge Dokumentarfilmer von seinen bisherigen Erfahrungen und erklärt auch den Ursprung und den Antrieb für seine wagemutigen Touren.

Gerrit, hauptberuflich arbeitest Du als Mechatroniker beim Flughafen Düsseldorf. Wie kamst Du dazu, Filme zu produzieren?

Das ging schon während der Schulzeit los. Bei einer Schülersprachreise in England habe ich mit einer 8mm-Kamera meinen ersten Reisefilm gedreht. Seit dem bin ich begeistert davon, mit bewegten Bilder bestimmte Dinge und Ereignisse zu dokumentieren und meine Filme mit anderen zu teilen. Weil ich für meine Videos viel unterwegs bin, zum Beispiel für Flashmobs, heißt mein Youtube-Kanal mittlerweile OnTourwithGerrit. Dass diese Tour mittlerweile solche Aufmerksamkeit erzeugt, überrascht und freut mich.

Mich überrascht das gar nicht so sehr: Ich kannte bisher niemanden, der freiwillig nach Tschernobyl geht.

Atomkraft und Radioaktivität haben mich schon immer fasziniert. TV-Dokumentationen dazu habe ich verschlungen. Als dann im März 2011 das Reaktorunglück in Fukushima geschah, kam ich auf die Idee zu erforschen, wie es mittlerweile um Tschernobyl steht. Während der Recherche fand ich schnell ein paar Gleichgesinnte, und als im Frühjahr 2012 die Einreise ins Sperrgebiet wieder möglich war, hatten wir den Flug nach Kiew schnell gebucht. Vor Ort halfen uns bestimmte Agenturen, die gegen Bezahlung die Zugangsgenehmigungen besorgten und uns einen Reisebegleiter stellten. Als wir dann mit dem Bus durch Sperrzone eins und zwei fuhren - der Geigerzähler sprang von gelb auf rot - da dachte ich plötzlich nur noch eins: wow, da is’er – der Sarkophag von Tschernobyl!

Das klingt spannend. Aber auch ein bisschen nach organisiertem Urlaub für Schaulustige. Wie würdest Du reagieren, wenn man Dich als Katastrophen-Tourist bezeichnet?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Es gab tatsächlich ein paar Leute, die vor dem Reaktor mit der Wodka-Flasche für lustige Fotos posierten. Aber zu dieser Art Tourist habe ich mich nie gezählt. Ich hatte dort ein echtes fachliches Interesse. Radioaktivität kann man nicht schmecken oder fühlen. Man kann sie nur auf dem Geigerzähler sehen. Bei meinen Filmprojekten ging es mir schon immer darum, die Bilder und Botschaften der großen Medien nicht einfach so zu glauben, sondern selbst hinter die Kulissen zu gucken und ein unverfälschtes Bild festzuhalten. Diese Filme will ich den Menschen zeigen.

Hattest Du wegen der Strahlung keine Angst um Deine Gesundheit?

Zu den Gesundheitsgefahren hatte ich mich natürlich im Vorhinein erkundigt. In einem stark kontaminierten Keller ist die Strahlung um das 10.000-fache erhöht (für Kenner: ca. 1100 mcSv/h). Dem setzt man sich wenn überhaupt nur für sehr kurze Zeit aus. In jedem Flugzeug dagegen ist die Strahlung um das 20- bis 30-fache erhöht. Dem setzt man sich sehr viel länger und häufiger aus. Welche dieser beiden Belastungen dem Körper langfristig mehr schadet, ist in der Wissenschaft laut meinen Recherchen bisher noch gar nicht endgültig geklärt.

Manche Gefahren könnte man auch komplett vermeiden. Sollten wir uns von der Atomkraft verabschieden?

Auf die Schnelle ist das gar nicht möglich. Solche Kernkraftwerke kann man nicht von jetzt auf gleich abschalten und abreißen, alleine weil die Transformatoren abkühlen und die Atomabfälle entsorgt werden müssen. Aber wer sich wie ich intensiv mit den Folgeschäden der Kraftwerksunfälle beschäftigt, der ist auf jeden Fall für einen konsequent organisierten Übergang in die erneuerbaren Energien im Laufe der nächsten Jahrzehnte. Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima waren weit weg. Die Atomkraftwerke der Franzosen stehen direkt hinter der deutschen Grenze.

Zum Weiterlesen

=>weitere Videos aus Tschernobyl und Prypjat
=>weitere Kurzfilme unter OnTourwithGerrit
=>Kontakt zu Gerrit Schmitz, etwa für Vorträge, unter www.chernobyl-zone.de

Autor:

Stanley Vitte aus Düsseldorf

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