1. Mai 2016 des DGB Düsseldorf am Rheinufer

Raus zum 1. Mai in Düsseldorf am Rhein anno 2016

Seit Jahren findet die Maifeier des DGB in Düsseldorf am Rheinufer statt und dem angrenzenden „Johannes-Rau-Platz“. Jahrzehnte zuvor war diese Feier im Hofgarten angesiedelt unter Bäumen, entlang der Reitallee. Links und rechts waren die Stände all derer, die politisch und gesellschaftlich etwas anzubieten haben und zwischendurch die leckeren Fressbuden der Kurden, Türken, Afrikaner, Tunesier, Griechen und so weiter und so fort. Am Kuba-stand konnte man Mujito trinken und am Verdi-Stand konnte man Kuchen mit Kaffee genießen oder Altbier. Es war am Ende der Reitallee früher mal eine Bühne, auf der diverse Gruppen auftraten – u.a. auch Songgruppe „Lampenfieber“ im Jahre 1982 mit mir – hahaha – lange her. Nachdem diese Bühne abgebaut war, tanzten dort immerhin über Jahre die Kurden ihre herzbewegenden Kreistänze. Das ist alles lange vorbei.

Seit drei Jahren ist diese Veranstaltung an den Rhein verlagert – unter einer Hochbrücke. Die Stände sind ungeordnet – man weiß nicht, wie und wo man sich orientieren sollte – alles durcheinander.

Der große Biergarten von Verdi liegt unter der Hochbrücke, die nicht nur Autolärm beschert, sondern auch einen schrecklichen Widerhall der schrecklichsten Bühnenmusik aller Zeiten. Sitzen Sie mal dort im kalten Schatten, umtost von Autolärm im Echo eines stundenlangen Rap auf der Bühne, dem niemand lauscht. Es ist einfach nur schrecklich.

Eine seelenlose Ortschaft für Menschen, die mit viel Seele und Herzblut ihre wichtige Sache darstellen. Gemütliches Beisammensein unter Bäumen war gestern – heute ist die Flucht vor dem Lärm angesagt.

Das Kaffeehaus KIT „Kunst im Tunnel“ erfreut sich umso mehr der vielen Besucher – und deshalb wird man dort auch kaum bedient, sollte man überhaupt mal einen Platz dort finden.

Genug der Kritik: Mein Gespunst und ich waren heute dort, wie immer seit Jahrzehnten und trachteten nach Gemütlichkeit, Fresschen, Bekannten, Sitzgelegenheiten und Prospekten von wichtigen Ständen und dem Feeling des 1. Mai überhaupt.

Manches ist anders geworden. Einige sind nicht mehr zu sehen – schauen von oben herab, wie der 1. Mai zelebriert wird und zwinkern uns vielleicht zu. Andere wiederum kommen an Gehhilfen angebraust oder werden im Rollstuhl geschoben. Andere wiederum haben sich verjüngt, sind alleine oder haben andere Partner, als noch ein Jahr zuvor.

Der 1. Mai in der Stadt, in der du lebst, seit Jahren, ist immer wieder so was wie ein Zeitmesser. „Wann bin ich dran ? Wann komme ich mit dem Rollator hier an ? Wann sehe ich mir die ganze Veranstaltung von oben an ?“ Bei letzterem möchte ich bleiben. Es war heute so kalt, so ein entsetzlich kalter Wind wehte über dem ganzen – darüber vermochte auch die Sonne nicht hinweg zu trösten....

Sarah Wagenknecht pilgerte durch die Reihen, bewacht von drei Securityleuten – das muß wohl so sein, ist sie doch die Einzige, die politisch klug alles auf einen gesunden Nenner bringt, wenn man mal abends die Talkshows der drei TV-Moderatorinnen Will, Illner, Maischberger, anklickt. Die Sarah Wagenknecht kann zu allem etwas Gescheites sagen – und das macht sie gefährlich und gefährdet sie natürlich auch. Vor einigen Jahren war sie noch im Hofgarten zu sehen – ohne Security. Heute war sie zu sehen mit DREI Security-Männern, von denen einer ihr noch den Schirm trug.

Da war ein Stand, wo geschreiben stand auf großen Tafeln, das ein Kind im Mittelmeer ertrank, ein Opfer der Flucht. Ein Mann sang dazu hinter dem Stand über Mikrophon ein Lied – ein Klagelied. Ich verstand den Inhalt nicht – aber es war eine Anklage gegen unmenschliche Fluchtbedingungen, eine Anklage gegen den Krieg.

Das hatten wir vor Jahren im Hofgarten noch nicht. Die Kurden tanzten seinerzeit schon ihre Tänze und klagten ihre Verfolgung an. Aber damals schien alles noch so weit weg. Was dieser Mann heute sang, war nicht mehr weit weg – es war mitten unter uns.

Zeiten haben sich geändert. Die Feier des 1. Mai findet statt in einer seelenlosen Kulisse, wo ein Mann an einem Stand den Tod eines Kindes beweint, das auf der Flucht ertrunken ist. Sarah Wagenknecht ist bewacht von drei Security-Männern. Da hat sich was geändert. 1. Mai-Feier im Zeichen von Kriegen und Flucht.

Und dennoch möchte ich das Positive dieser Feier hervor heben. Es ist die Gelassenheit und die Freundlichkeit der vielen ausländischen Mitbürger, die schon lange in Düsseldorf angesiedelt sind, und die immer wieder Freude macht, zu erleben – gerade am 1. Mai.

Die stehen freundlich und aufmerksam hinter ihren Ständen, bieten ihr Essen, ihre Prospekte an, unaufdringlich, freundlich – immer mit einem einladenden Lächeln. Sie laden ein zu Veranstaltungen, wo es was zu diskutieren gibt oder zu tanzen oder zu essen – es sind Leute, wie ich sie mir im Grunde genommen an meiner Seite wünsche. Unkoventionell, freundlich, einladend ! So wie ich es auch aus Urlauben in deren Ländern kenne.

Das unterscheidet sie von den deutschen Landsmännern vielleicht, das sie einen so lassen, wie man ist. Es sind die MigrantInnen, die schon seit Jahren in Deutschland leben und die mit ihrer Kultur unser Land bereichern, es etwas lockerer machen.

Ein älterer deutscher Herr hatte einen Stand aufgebaut zu dem Thema „chemotrails“ - das ist so eine Theorie, wonach die Illuminati am Himmel Chemotrails von Fliegern aussenden, um uns zu zerstören. Dieser Mann schrie laut und hysterisch „Ich bin kein Nazi“, weil er von jungen deutschen Besuchern des Festes angegangen wurde. Man habe ihn schon mal bei den Republikanern gesehen vor Jahren und er sei ein Nazi. Der alte Mann schrie, er sei kein Nazi und die jungen Leute versuchten, ihn fertig zu machen – er sei nun mal ein Nazi. Es war einfach nur schrecklich. Am Ende verflog sich das alles – aber zurück blieb ein übler Nachgeschmack. Deutsche treffen auf Deutsche und es geht holter-di-polter, wenn man glaubt, jemand ticke in eine andere Richtung.

Dagegen schienen mir die ausländischen Mitbürger mit ihren Ständen friedlich und freundlich.

Es hat mir im Grunde genommen nicht gefallen – die Sarah mit ihren drei Security, der schreiende harmlose alte Mann, der Krach unter der Brücke, die unverständlichen Rapsongs auf der Bühne, die Alten am Rollator, die verstorbenen Kämpfer von einst. Die dämlichen Fragen, warum ich nicht bei der Demo in Hannover dabei war gegen TTIP.

Bin ich im nächsten Jahr noch dabei ? Und wenn ja, wie ? Rollator, Gehhilfe ? Und wenn nein, ist es nicht viel schöner, es vom Himmel aus zu betrachten in dem Wissen „nun lasse die mal machen – ich habe es hinter mir ?“

Es ist alles so profan. Es ändert sich doch nichts. 1. Mai-Feiern – die Fronten verhärten sich. Dialoge unmöglich. Gutmenschen gegen Schlechtmenschen. Und zwischendrin ein paar freundliche Griechen mit abgefülltem Festlandwein und ein paar längst integrierte Araberinnen ohne Kopftuch mit bestem Essen, an die man sich am Ende des Tages gerne erinnert, weil sie nicht ganz so deppert sind.

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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