Tierversuche an der Uni Düsseldorf
Ein ganz normaler Mittwochmorgen, kurz vor halb neun. Ich laufe über den Campus der Heinrich-Heine-Universität (HHU) in Düsseldorf. Ich gehe an einem großen Gebäude vorbei. Hier riecht es schon mal komisch. Streng. Nach Tieren? Irgendwie nach Mist. Oder vielleicht sogar nach Kadaver? An dem Nachbargebäude hängt ein großes Schild mit „Anatomie“.
Ein Hund bellt. Mein erster Gedanke: „Irgendwo tobt hier gerade ein Hund über eine Wiese, freut sich seines Lebens und bellt.“ Im nächsten Moment wird mir klar: „Wo soll denn hier ein Hund bellen und spielen?“ Als ich genauer hinhöre, merke ich, dass das Bellen aus dem großen Gebäude neben mir kommt. Von oben. Das ist der Punkt, an dem ich anfange zu recherchieren. Was ist das für ein Gebäude? Was passiert da drin?
Auf der offiziellen Homepage der Uni gibt es keinen Eintrag dazu, was in Gebäude 22.22 steckt. Auf Umwegen finde ich heraus, dass es sich um die Tierversuchsanstalt handelt, denn sie taucht in einem Text zur Facharztausbildung auf. Je länger ich suche, desto mehr hab ich das Gefühl: das hat System. Die Universität will nicht informieren. Ich stoße auf einen Zeitungsartikel zum Thema Tierversuche. Die Überschrift: „Nachfragen nicht erwünscht“. In anderen Zeitungsartikeln, in der Unizeitung „Campus Delicti“, einem Blog und anderen Quellen wird immer wieder deutlich: Die Universitätsleitung äußert sich nicht zu der Tierversuchsanstalt.
Erster Eindruck: die Vertuschung hat System
Ich kontaktiere einen Sprecher der Studentenvertretung AstA. Seine Meinung: Der Umgang der Universität mit der Tierversuchsanstalt ist aus demokratischer Perspektive sehr fragwürdig. Die Tierversuchsanstalt wird schließlich auch mit Steuergeldern finanziert. Aber die Öffentlichkeit erfährt nichts. Stattdessen wird verschleiert und verheimlicht. Und das nicht nur metaphorisch: Die Fenster der Tierversuchsanstalt sind mit Stoffbahnen verhangen. Das ganze Gebäude ist mit Bauzaun umstellt. Sobald es dunkel wird, werden die Rollläden komplett heruntergelassen. Gähnende Leere zur Tierversuchsanstalt auf der unieigenen Homepage.
Ich suche weiter nach Informationen. Ich finde heraus, dass in dem Gebäude Affen, Katzen, Hunde, Schweine, Hamster, Gerbile, Meerschweinchen, Kaninchen, Ratten und Mäuse leben. Affen, Katzen, Hunde, Schweine, Ratten und Mäuse werden hier gezüchtet. Ich versuche, etwas über die Versuche, die dort stattfinden, heraus zu bekommen. Dabei stoße ich auf Versuche mit Zahnimplantaten an Hunden. Beagle und Foxhounds. Die Versuche begannen 2007 und werden bis heute fortgesetzt. Nachzulesen bei PubMed. Den Tieren werden fast alle Zähne gezogen, Löcher in die Kiefer gebohrt und schließlich Implantate eingesetzt. Alle Tiere werden getötet und untersucht. Eine Schweizer Firma, die Straumann AG, lässt hier forschen. Die Forscher selbst zweifeln daran, dass die Ergebnisse der Versuche auf den Menschen übertragbar sind. Hundekiefer und Menschenkiefer sind zu unterschiedlich – sagen die Forscher. Es finden noch andere Versuche an den Hundekiefern statt – teilweise werden schwere Entzündungen verursacht.
Der Nutzen von Tierversuchen bleibt fraglich
Ich frage mich, warum diese Versuche überhaupt durchgeführt werden - wenn Hunde- und Menschenkiefer so verschieden sind. Rede ich mit anderen über dieses Thema, kommt ganz oft das Argument: „Wir brauchen Tierversuche, damit Kindern geholfen werden kann.“ Verschiedene Krankheitsfälle von Kindern werden aufgeführt: Kinder mit einem Gehirntumor; Kinder, die im Sterben liegen; Kinder mit Augenerkrankungen.
Bei den Versuchen, die ich gefunden habe, ging es nicht um selbstlose Hilfe der Forscher für Kinder. Bei genauerem Hinsehen geht es ums liebe Geld. Taucht ein neues Implantat oft genug in den Fachzeitschriften auf, verwenden es die Zahnärzte eher – auch wenn andere nicht schlechter wären. Der Umsatz des Unternehmens steigt. Einer meiner Professoren führt als Forschungsgrund an: „Wir wollen Krankheiten bekämpfen.“ Gleichwertig daneben steht: „Forschung aus purer Neugier.“
"Kontrolleure sind zahnlose Tiger"
Ist es in Ordnung, Tieren aus purer Neugier Leid zuzufügen? So ganz selbstlos ist die ganze Pharmaforschung wohl doch nicht... Manche Versuche mögen sinnvoll sein. Bei anderen geht es ums Geld oder um andere Dinge. Seit ich das entdeckt habe, zieht das „Wir helfen kleinen Kindern und retten sie vor dem Tod“ – Argument nicht mehr. Ich finde: Da muss GENAUER hingeschaut werden. Da die Macht der Forscher über Leben und Leid der Tiere oft missbraucht wird.
Meine nächste Frage ist also: Wer kontrolliert das Ganze? Meine Recherche führt zum Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Zitat eines befreundeten Zahnmediziners, der selber Implantatversuche durchgeführt hat: „Diese Kommission ist ein Zahnloser Tiger, du bekommst jeden Versuch durch.“
Die verschiedenen Tierschutzkommissionen bestehen zu zwei Dritteln aus Forschern und zu einem Drittel aus Tierschützern. Die Forscher haben immer die Mehrheit. Eine Bekannte war einige Jahre in einer Tierschutzkommission. „Die Kommission weist höchstens darauf hin, wie ein Versuch angepasst werden muss, damit er durchgeführt werden kann. Durch kommt er letztlich immer.“ Aha. Ich schreibe an die tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen, Undine Kurth. Ihre Meinung: „Das derzeitige Tierschutzgesetz ist in der Tat nicht geeignet, sinnlose Tierversuche zu unterbinden.“
Forschungsrecht geht über Tierschutz???
Unser Tierschutzgesetz schockiert mich: Auch ohne Betäubung dürfen Tieren schwere Schmerzen zugefügt werden, hier ein Beispiel: §9, Absatz 4: „ ... An einem nicht betäubten Wirbeltier darf nur einmal ein erheblich schmerzhafter Eingriff oder eine erheblich schmerzhafte Behandlung durchgeführt werden, es sei denn, dass der Zweck des Tierversuchs anders nicht erreicht werden kann. Bei einem nicht betäubten Wirbeltier dürfen keine Mittel angewandt werden, durch die die Äußerung von Schmerzen verhindert oder eingeschränkt wird.“
Ich frage mich, wie kann das sein, wo doch Tierschutz ein Staatsziel ist? Ich stoße auf das Grundrecht der Forschung. Für Forschung und Lehre dürfen Tiere verbraucht werden. Und sie werden verbraucht. Auch in Düsseldorf. Auch für fragwürdige Zwecke.
Maja B., Studentin an der HHU Düsseldorf.
Autor:The M aus Düsseldorf |
60 Kommentare
Wieso reden hier eigentlich so viele von Kosmetik, wo es zum Glück immer weniger Tierversuche gibt, wenn auch noch zu viele? Hier geht es doch um die Uni Düsseldorf, und das ist eine ganz andere Liga. Hier geht es darum, dass zukünftige Ärzte und Zahnärzte, die dann den Job doch nie oder unter ganz anderen Bedingungen ausüben, an Tieren "üben", Doktorarbeiten über "Wirksamkeiten" schreiben (oder eben von anderen abschreiben) und dafür eine bestimmte Anzahl an Versuchen vorweisen müssen, völlig sinnlos also, um Biologen, die für denselben Zweck dasselbe tun, um dann doch arbeitslos zu sein, sogar um Psychologen, die Drogentests bei den Tieren durchführen (oder so tun als ob, denn das Zeug kann man ja besser verkaufen und die Tiere können ja nicht verraten, dass sie nur so getötet wurden)... hier geht es um alles, was total sinnlos und unanständig ist, und was trotzdem keiner wissen will. Wer sagt eigentlich, dass Tierversuche Fortschritt bringen? Die meisten Fortschritte muss man erst in chemischen Labors oder in der Physik entwickeln, ohne Menschen, ohne Tiere, rein durch Beobachtung und Schlussfolgerung. Die Tierversuche dienen dann dem Ausprobieren und Üben der neuen Verfahren, sonst nichts. Und da taugen sie nicht mal.
sehr richtig frau reske, und darüber gibt es keine ehrliche, wissenschaftliche auseinandersetzung...
Es ist erschreckend, wie oft doch immer wieder bestimmte Handlungsweisen, mit angeblichen Wohltaten für die Menschheit begründet werden. Letztendlich steckt hinter jeder sogenannten "Wohltat" einzig und allein eine Gewinnerzielungsabsicht. Würden die Versuche mit Tieren, der Pharma- und Kosmetikindustrie keine vielversprechenden Gewinne abwerfen, so würde es auch keine Tierversuche geben.
Ganz außer Acht gelassen wird dabei die Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe. Tiere zählen für die meisten nicht viel, was man schon daran sieht, dass der Gesetzgeber Tiere als Sache einstuft! Dabei können sich Tiere nicht wehren und wir haben für sie, genau wie für die gesamte Schöpfung eine Mitverantwortung. Dabei habe ich bereits vor ein paar Jahren gelesen, dass Tierversuche nahezu überflüssig sind, weil heutzutage alles mittels Computer-Programmen schon bestens nachgestellt werden kann.
Tierversuche jeder Art sollten verboten werden. Und Menschen, die die Tiere bei lebendigem Leib - ohne Narkose - quälen und ihnen unsagbare Schmerzen zufügen, wünsche ich, dass sie in einem anderen Leben als Laborversuchstiere zur Welt kommen. Es macht mich unsagbar traurig.