Inferno im Düsseldorfer Zooviertel

Es ist Pfingstmontag und mein Nachbar und ich sind auf dem Weg zu „Leo“ auf der Moltkestrasse – von der Achenbachstrasse gegen 19 Uhr kein Problem, den Weg zu Fuß zu gehen. Ein Weg, der mal gerade 20 Minuten währt bei dem langsamen Schritt, den ich mir angewöhnt habe.

Bei „Leo“ ist es sonnig, hell und wir freuen uns, im Schatten Platz zu finden und unsere Freundinnen zu erwarten. An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen, das eine unserer Freundinnen vor kurzem in Neuseeland die Weltmeisterschaft im Tischtennis gewonnen hat in ihrer Altersklasse 70plus. Ein Grund, zu feiern also !

Wir sitzen gemütlich und sehen, wie der Himmel zu platzen scheint. Er wird so gelblich, so unglaublich farblos gelblich und die Luft ist zum Schneiden. Nach ungefähr einer Stunde, so gegen 20.00 Uhr geht es los. Es kommen erste kleine Lüftchen, die wir allesamt geniessen.

Noch eine halbe Stunde später wird der Himmel an einer Seite dunkel und ist an der anderen Seite noch taghell und erste Tröpfchen fallen. Wir sitzen immer noch gelassen vor „Leo'“, als plötzlich doch ein leichter Regen einsetzt. Wir flüchten nach drinnen und stellen so etwas fest, wie einen Sturm, der das Ganze begleitet. Mein Nachbar erinnert sich, das wir alle Fenster weit offen haben und das diese bei Sturm evtl. zerbrechen könnten. Also entscheiden wir uns, ein Taxi zu nehmen. Das Taxi ist fünf Minuten später da.

Kurz vor 21.00 Uhr fährt das Taxi über die Franklinbrücke und biegt ein in die Rethelstrasse. Mittlerweile ist der Himmel innerhalb weniger Minuten rabenschwarz geworden und ein Wolkenbruch ergießt sich über die Stadt. In der Rethelstraße muss das Taxi ausweichen den vielen Ästen und Zweigen, die die Strasse säumen. Der Fahrer kann plötzlich nicht mehr weiter geradeaus fahren, weil die ganze Straße vor uns mit umgefallenen Bäumen gesäumt ist. Er biegt nach links ein in die Herderstrasse.

Plötzlich knallt es unendlich laut über uns. Ein Baum-ast ist auf das Dach des Taxi gestürzt. Alle Lichter im Auto verlöschen. Der Regen ist mittlerweile verwandelt in eine Sintflut, draußen tobt der Sturm und Blitz und Donner wechseln sich am Himmel ab. „Bleiben Sie sitzen“ - ruft der Taxifahrer. „Sie dürfen jetzt nicht aussteigen !“ Er kurvt rückwärts über Äste und Zweige zurück in die Herderstrasse und wir fahren über abgerissene Bäume unter herabhängenden Elektrokabeln Richtung Lindemannstrasse. Es ist ein Blindflug. Die Strasse liegt vor uns wie ein Dschungel – alles voller Bäume. Der Regen setzt die Scheibenwischer lahm und über uns blitzt und donnert es. Ist das jetzt der Weltuntergang ? Ich habe Angst, fange an zu zittern.

Der weltbeste Taxifahrer kann nur noch über die Bahngleise Richtung Lindemannstrasse navigieren, weil die gesamte Herderstraße von umgestürzten Bäumen gesäumt ist.

An der Paulusstrasse müssen wir rechts abbiegen, weil die Lindemannstrasse wegen einer umgekippten Straßenlaterne unpassierbar ist. Sie liegt dort inmitten umgestürzter Bäume.

Der kurze Weg zur Achenbachstrasse/Ecke Schillerstrasse ist unendlich lang. Bäume liegen auf der Strasse und verzweifelte Autofahrer versuchen, darüber hinweg zu fahren, was ihnen nicht gelingt. Der Verkehr kommt zum Erliegen, während es draussen donnert und blitzt.

Wir steigen aus, weil wir in der Trinkhalle am Schillernplatz Licht sehen. Über riesige Baumäste steigen wir im strömenden Wolkenbruch halb blind Richtung Büdchen, wo der freundliche Büdcheninhaber uns schon die Tür offen hält.
Wir sollten uns unter die Zwischentür mit den tragenden Betonteilen stellen, meinte er. Er erwartete, das der große Baum vor seinem Büdchen herabfällt und seine Existenz vernichtet. Wir stehen gemeinsam unter dem tragenden Betonteil in der Zwischentür und erleben voller Angst die Gewalt der Natur.

Es hört langsam auf zu regnen – aber es blitzt und donnert immer noch. Wir wollen nach Hause und begeben uns zu Fuss über die Achenbachstrasse in Richtung unserer Wohnungen. Welch ein Chaos, welch eine Veränderung nehmen wir wahr auf dem Weg nach Hause.

Die ganze Strasse und der Bürgersteig liegen nicht nur voller Äste und Zweige – nein ganze Bäume liegen dort umgekippt und das Wasser steht auf der Strasse bis zu unseren Waden. Der Himmel donnert und blitzt und wir fürchten, auf dem kurzen Weg nach Hause, vom Blitz getroffen zu werden oder von einem herabfallenden Ast. Wir waten durch das tiefe Wasser, retten uns auf den Bürgersteig, der aber wiederum unpassierbar ist, weil dort umgekippte Mülltonnen und Baumkronen liegen, waten wieder durch die Achenbachstrasse und halten uns im Dunkel dieser schrecklichen Nacht an den Händen, damit wir nicht hinfallen.

Es beruhigt mich, als ich die ersten Menschen dort sehe, die fotografieren, das Inferno betrachten und irgendwie weicht die unendliche Angst dem beruhigenden Gefühl, das wir doch noch nach Hause kommen. Zu Hause angekommen, war die Angst wegen der offenen Fenster berechtigt. Im Wohnzimmer war der Boden völlig durchnässt, Kristallvasen standen auf Kipp auf der Fensterbank und die Gardine hatte sich völlig durchnässt verwuselt über die Rollos.

Und ich dachte – mein Gott, wie harmlos ist das doch alles gegen die Zerstörung, von Waffen ausgelöst. Wie wäre es, wenn ich abends nach Hause komme nach einem Bombenalarm und die Achenbachstrasse hätte nicht nur umgekippte Bäume, sondern rauchende Trümmer von zerbombten Häusern würden ebenso den Weg säumen, begleitet von erwachsenen Menschen und kleinen Kindern, die vor Schmerzen schreien, weil das Inferno sie verletzt hätte.

Mann-o-mann-o-mann, habe ich den ganzen Abend nur gesagt – verdammte Hacke, was hatten wir ein Glück, das wir heimgekommen sind, ohne das ein Ast uns erschlug oder ein Blitz.

Mann-o-mann-o-mann, sage ich jetzt und auch noch morgen – lasse niemals jemanden anderen, als die Natur im Zooviertel zuschlagen. Mann-o-mann-o-mann, lasse es niemals zu einem Krieg kommen, .lieber Gott, lasse die Mächtigen dieser Welt besonnen handeln. Dieser kleine Naturkrieg heute abend im Zooviertel hat mir echt gereicht. Da hat die Natur zugeschlagen, wie noch nie – und will uns vielleicht auch was sagen ?

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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