Die seltene SoFi kommt...
Sie wäre mir weiter gar nicht mal aufgefallen in dem ganzen Alltagststrubel, wenn nicht ein Freund mich gefragt hätte, wo ich denn am Freitag die Sonnenfinsternis mir anschauen würde.
Ja, wie beim letzten mal im Jahre 1999, in Düsseldorf – wo sonst, dachte ich. Dann kam das Gespräch auf die unabdingbare Spezialbrille, ohne die man keineswegs einen Blick auf den Himmel werfen dürfe – auch nicht kurz, wenn er bewölkt sei.
In Düsseldorf waren in allen Brillenläden alle Sonnenfinsternis-Schutzbrillen ausverkauft. Im Internet ebenso. Durch Zufall kam ich bei meinen Recherchen auf die Sternwarte in Erkrath. Die bot für das große Ereignis Vorträge, Fernrohre und Brillen an. Welche Freude: gemeinsames Schauen des Naturereignisses in der Sternwarte !
Heute morgen in aller Herrgottsfrühe wurde ich schon wach und fing an, mich auf dieses denkwürdige Ereignis vorzubereiten. Es sollte für mich eine partielle Teilverabschiedung werden von dieser Erde. Denn in 66 Jahren, wenn die nächste SoFi über Deutschland zu sehen sein wird, schaue ich sie mir bereits aus ganz anderen Dimensionen an, als noch heute. Da die zweimalige 6 zur Zeit auch in meinem Lebensalter eine große Rolle spielt, war es erst recht ein Grund für mich, dieses feierliche Ritual zu zelebrieren. Ohne Sekt – aber mit Schutzbrille.
Ohne Navigationsgerät hätten wir die Sternwarte niemals gefunden. In einen einsamen Feldweg auf den Höhen von Erkrath galt es, hineinzufahren. Und da standen sie schon auf den Feldwegen, die ersten Besucherautos derer, die auch nicht alleine zu Hause schauen wollten. Fast wie beim Fußball.
Die Sternwarte ist ein interessantes Gebäude mit einem großen Teleskop, riesigen Sternen-Fernrohren. Eines davon ist über 100 Jahre alt. Im Vortragssaal wurde die partielle Sonnenfinsternis erklärt. In mehreren Räumen standen Monitore, auf denen man die Sonnenfinsternis aus den Sternwarten von Saarbrücken, Frankfurt und Madrid betrachten konnte. Dort war der Himmel sonnenklar und man konnte sehen, wie der Mond seine Arbeit verrichtete.
Vor der Erkrather Sternwarte hingegen hielt sich SoFi hinter den Wolken bedeckt. Wie eine Stripteasetänzerin gab sie wenige kurze Male den Blick frei auf den halb verhüllten Körper. Das war aber dann jedesmal schön und wurde bejubelt mit einem lauten vielstimmigen „Aaaaah“.
Die Presse war dort mit Kamera und Mikrophon und wollte von mir wissen, ob dies meine erste SoFi sei ? „Nein, aber die letzte“, sagte ich vielsagend lächelnd und freute mich, das der Reporter mir das nicht glauben wollte.
Dann kamen die Schulklassen an mit den kleinen Kiddies. Es war allzu süß, als die Kleinen ihre Brillen auspackten und sehnsüchtig damit in die dunklen Wolken starrten, um SoFi zu sehen. „Ich hab' gar nix gesehen !“, stampfte ein kleines Mädchen wütend mit dem Fuß auf den Boden und wollte die Brille wieder ausziehen. Das ließ die Lehrerin jedoch nicht zu und damit Ruhe herrschte, ging die sonnenhungrige kleine Schar nach innen und schaute die Sofi aus Saarbrücken, Frankfurt und Madrid an – ohne Brille.
Und dann war sie plötzlich da – diese eisige Kälte, die in uns hineinkroch. Kälte, die man nur spüren kann, wenn am hellen Tag keine Sonne scheint. Sie scheint ja sonst immer – auch wenn sie bedeckt ist. Aber wenn der Mond, der bleiche Gesell, seinen Schatten auf sie legt, das ist etwas ganz anderes. Das ist eine Kälte, die geht bis ins Herz. Ich mußte weinen in diesem Moment, spürte die Grausamkeit der Natur und genoß den stillen Flug der Geier über uns, die letztlich nur darauf warten, uns zu fressen.
Danach schmeckte ein Kaffee in einer warmen Backstube in Erkrath besonders gut und im Herzen habe ich das Bild von einem kleinen Jungen, dem ein paar Milchzähne fehlten. Er wurde von einem Reporter gefragt, was er denn von der Sonnenfinsternis wisse. „Die Sonne wird dann ganz kalt“, wisperte er durch seine kleinen Zähne, die schon fast aufeinander klapperten vor Kälte. Und in dem Moment zeigte der himmliche Vorhang plötzlich noch einmal kurz ein Erbarmen und gab den Blick auf SoFi frei für einen Moment - partiell bedeckt - wie es sich für eine Dame geziemet.
Niemand hatte in diesem Moment eine Brille an – so schnell kann man da auch gar nicht durchschauen – und alle wagten mit bloßem Auge einen kurzen Blick auf die Schönheit am Himmel. Eine Schönheit, die sich dergestalt über unserer Heimat erst wieder in 66 Jahren zeigt. Ganz schön alt wird sie dann schon sein, die SoFi.
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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