Zehn in Bürstadt
„Schreib darüber. Die warten drauf.“
Ach, Doris. Was ist an dieser Sache schreibenswert? Ich bin weder Erster geworden, noch habe ich einen Rekord aufgestellt. Ja, wäre ich ein Sportler vom Kaliber „Eddy the Eagle“, der sich seine letzten Plätze bei den Olympischen Spielen in Calgary medienwirksam vergolden ließ, schriebe ich bereits an einem Buch. Aber ich bin nicht Letzter geworden. Der Applaus etliche Meter hinter mir galt jemandem, dessen Name die Ergebnisliste unter dem meinen ziert. Vielleicht sind doch noch etliche Läufer hinter mir ins Ziel gekommen. Vielleicht bin ich unkultiger Fünft- oder Sechstletzter. Erst recht kein Grund, darüber zu schreiben.
„Darauf kommt es nicht an. Überlege mal, was diese Leistung für Dich bedeutet!“
Ich überlege. Dabei muss ich gar nicht überlegen. Knapp über eine Stunde Laufzeit auf der Zehn-Kilometer-Distanz haben den gleichen Stellenwert wie 37 Minuten, die ich einige Jahre vorher rennen konnte. Dieser Platz unter den letzten Läufern, die es tapfer ins Ziel geschafft haben, ist ebenso wichtig wie jeder meiner 33 Marathons. Sportliche Leistung bemisst sich nicht alleine nach Zahlen. Obwohl Zahlen viel aussagen: siebeneinhalb Jahre körperliche Bewegungslosigkeit, zwanzig Kilo angefressenes Übergewicht, einhundert Kilo, die meinen Körper erdwärts drängen lassen. Nicht in Zahlen zu messen, die Jahre schwerer Krisen, die mich mehr als das körperliche Gewicht drückten.
Gut, Doris. Ich schreibe ein paar Zeilen über diesen Lauf, über meine Rückkehr ins Sportlerleben. Und weil „die“ drauf warten.
Peter - die 50 habe ich leider nicht locker geknackt. Braucht noch ein wenig, die notwendigeTempohärte zu trainieren. Es ist schon ein seltsames Gefühl, nach Ende jeder der vier Runden die Uhr um exakt fünfzehn lange Minuten vorgerückt zu sehen. Das heißt, nach Ende der ersten drei Runden. Nach Runde vier standen etwas über 61 Minuten für den Mann mit der Startnummer 824 zu Buche.
Femke - ich habe deine Aufforderung „Quäl dich, du Sau“ beherzigt. Ich musste mich dafür nicht einmal besonders anstellen. Während der ersten Runde habe ich nach Luft geschnappt, ab Runde zwei machte mir die brüllende Sonne zu schaffen. Runden drei und vier waren äußerst, ähämm, anstrengend. Aber ich will und darf nicht meckern. Dieser Stadtlauf im Zentrum des hessischen Bürstadt hat durch seinen verwinkelten Kurs und die entspannte Atmosphäre ein besonderes Flair. Und wo anders applaudiert neben dem herzlichen Publikum mit Jasmin I. eine leibhaftige Sonnenbotschafterin den Läufern? Nicht zu vergessen die Kinder, die uns eifrig mit Wasser versorgt haben.
Annette - falls du deine Einladung zur Düsseldorfer Marathonstaffel noch einmal überdenken magst: Da tust du Recht dran. Meine Art zu laufen ist eine bessere Schleichwerbung für schwarze Trikots.
Was bleibt nach solch einer Rückkehr ins Leben? Die Erinnerung an einen Kloß im Hals und beinahe geflossene Tränchen zwei Minuten vor dem Start. Freude, diese persönliche Strapaze ohne Probleme überstanden zu haben. Hoffnung auf eine bessere Laufzeit beim Staßenlauf im niederrheinischen Oedt in einer Woche. Und ein verklärtes Grinsen im Gesicht, wenn vom 17. März 2013 die Rede ist. Dann wird der 39. Königsforst-Marathon gestartet.
Ob ich das meiner Doris verraten soll?
Autor:Roger Sponheimer aus Düsseldorf |
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