Ungewöhnliche Mittagspause auf dem Weihnachtsmarkt in der Düsseldorfer Altstadt
Weihnachtsmärkte verführen nicht nur zum Schlemmen, sie können auch Erinnerungen wecken an vergangene schöne Zeiten.
Es ist ein freundlicher sonniger Tag mit einem azurblauen Himmel. Über dem Rhein fliegen krächzend die Möwen und kündigen Holland-Wetter an. So nenne ich das windige Wetter, das mir direkt von der Küste rheinaufwärts zu wehen scheint. Ein Duft von Waffeln, Zimt und allen sonstigen Düften des Orients liegt über den bunten Buden, die hier in Düsseldorf von Mitte November bis Weihnachten einer besonderen Bestimmung entgehen schauen. Glück sollen sie den Menschen bringen in dieser dunklen Jahreszeit. Inmitten bunter Farben sollen die Menschen für einen Moment ihre Alltagssorgen und ihren Winterblues vergessen, sollen sich laben an Glühwein, Kinderpunsch und ungesunder Nahrung, die hinreissend schmeckt – seien es die fetten Reibekuchen, die kalorienhaltigen Pofferties, natürlich mit Zucker, Zimt UND ! Butter. Wenn schon, denn schon !
Eine wundersame Begegnung findet statt.
Der Weihnachtsmarkt am Burgplatz hat mein Interesse geweckt. Was ist los um das Riesenrad herum ? Ich betrete den Platz und kollidiere als erstes mit einem Engel. Ein Herr reiferen Jahrgangs läuft dort herum im weißen langen Hemd, langen lockigen Haaren, zwei Flügeln auf dem Rücken und einer kleinen goldenen Krone auf dem Kopf. „Sie sind aber schön !“, entfährt es mir spontan und der Herr lacht, bevor er Platz nimmt auf einem kleinen Sockel, um fortan stocksteif dort zu stehen. Ein steifer Engel, der nicht fliegen kann...
Wenn das Rad sich dreht...
Das Riesenrad dreht und dreht sich und meine Gedanken fliegen nach oben, drehen sich mit und sind oben in der obersten Kabine angelangt. Dort sehe ich mich im Geiste sitzen – bei einem fulminanten Frühstück, das ich vor der Eröffnung des Weihnachtsmarktes auf Bestellung hin eingenommen hatte mit drei Freunden. Ja, auf dem Riesenrad haben wir gefrühstückt – das war wie in einem fahrenden Baumhaus.
Und dann sitze ich im Riesenrad des Tivoli-Park in Kopenhagen mit meinem damaligen Lebensabschnittsgefährten. Die Schiffsreise über die kalte Nordsee von Travemünde nach Kopenhagen taucht in meiner Erinnerung auf und ich sehe uns im verregneten Kopenhagen lustwandeln im gelben Ostfriesennerz und jede Menge Hot Dogs verzehren. Wir nahmen damals an, es sei die Nationalspeise der Dänen, weil sie an fast jeder Ecke angeboten wurden.
Ich bekomme Lust auf Hot Dogs ! Aber doch nicht auf dem Weihnachtsmarkt !
Unter der roten Weihnachtsmütze sind alle Menschen gleich...
Vor dem Flammkuchenstand treffe ich auf eine Gruppe Holländer mit Nikolausmützen auf dem Kopf. Sie sind fröhlich, tragen eine kleine Glühweinfahne vor sich her und singen während des Wartens auf die Flammkuchen „What shall we do with the drunken Sailor...“. So viel gute Laune in der Mittagspause ist fast so unerträglich, wie Schlagsahne auf Reibekuchen und ich ziehe weiter zum Rathausvorplatz.
Hier bahne ich mir meinen Weg durch eine Gruppe Engländer, die ebenfalls mit lustigen Gesichtern und roten Weihnachtsmützen in ihre Glühweinbecher schauen.
Stelle dir vor es ist Weihnachtsmarkt und vom Rathaus aus wird die Revolution ausgerufen !
Vor dem Rathaus wird Handwerkskunst verkauft und hier steht auch der legendäre Weißwein-Glühwein-Stand, zu dem offensichtlich jeder, der in dieser Stadt auf Weihnachtsmärkten bummelt, mindestens einmal in der Saison hingeht. Am hellen Tag stehen dort schon Trauben von glühweindurstigen Besuchern an und ihre Augen funkeln in Vorfreude auf das heiße Getränk mit den leuchtenden Glühbirnchen an der Tannendekoration um die Wette.
Was würde bloß geschehen, wenn genau in diesem Moment jemand vom Balkon des Rathauses eine Revolution ausrufen würde ? Lachen Sie nicht ! Das ist alles schon da gewesen. In den neunziger Jahren wurde das Leben Heinrich Heines in Düsseldorf von vielen Schauspielern über Stunden an vier verschiedenen Orten aufgeführt. Und dazu gehörte auch das Ausrufen der französischen Revolution von eben diesem Rathaus mit dem unwiderstehlichen weißen Glühwein. Aber roten Glühwein, der einer Revolution Rechnung tragen würde, gibt es dort auch - neben vielen anderen Getränken, die bei den Gästen eine vorweihnachtliche Stimmung erzeugen sollen.
Mam, Mam, schnapp dich de Pann, mir wolle Rievkoche han !
Bei der Frage nach einem lukullischen Eßgenuß, siegen letztlich die Reibekuchen. Stumm an den heißen Küchlein kauend stehe ich mit anderen Reibekuchengenießern an einem kleinen Tisch und wir schmatzen und schnurren und fühlen uns wohl. Die Wangen röten sich, die Pappteller leeren sich und ein Gespräch über Zeiten, wo Reibekuchen in der Küche gebacken wurden, während die Gäste um den Küchentisch saßen und diese frisch aus der Pfanne serviert bekamen, entwickelte sich. Beim vielen Erzählen über die Reibekuchen der Oma und der Mutter stellt sich erneut Hunger ein, und – nein ich glaube es nicht – ich ordere tatsächlich nach den drei Reibekuchen noch einen weiteren einzelnen Reibekuchen, sozusagen als Nachschlag und verweile in Gedanken noch lange in unserer damaligen Wohnküche, wo in der schmiedeeisernen Pfanne auf dem Kohleherd die Reibekuchen brutzelten. Schön, so ein Weihnachtsmarkt, er schenkt auch gleichzeitig kleine Reisen in die Vergangenheit.
Sind Weihnachtsmärkte Kunst ?
Ich stelle mir in der Stadt der Kunst die Frage, ob auch Weihnachtsmärkte „Kunst“ sind ? Die Antwort liegt hier, wie immer, in den Augen des Betrachters.
Mit meinem dritten Auge versuchte ich ein wenig, die Kunst der Farbe „rot“ einzufangen und wünsche ein vergnügliches Betrachten der Fotos.
Vielleicht können die Leser die Frage, ob Weihnachtsmärkte "Kunst" sind, ja beantworten ?
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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