Neue Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf
SIZE MATTERS - Größe in der Fotografie
"SIZE MATTERS - Größe in der Fotografie" heißt die neue Ausstellung im Kunstpalast am Ehrenhof in Düsseldorf. Zum ersten Mal widmet sich eine Ausstellung der veränderbaren Größe der Fotografie und auch der damit oft unterschwellig einhergehenden Veränderung ihrer inhaltlichen Bedeutung. Zugleich ermöglicht die Schau einen Blick in die Geschichte der Fotografie, in ihre Entwicklung und Funktion, aber vor allem zeigt sie ihre Verwendung als kreatives Ausdrucksmittel in der Kunst.
Da stimmt was nicht... der grüne, angebissene Apfel erscheint im Vergleich zu dem dahinter stehenden Baum viel zu groß als dass er von diesem gefallen sein könnte. Das Foto aus der Serie "Dinge im Hintergrund" von Kathrin Sonntag verwirrt im Spiel mit Größenverhältnissen und ist somit das passende, geradezu provokative Plakatmotiv zur Ausstellung.
Der Gang durch die Ausstellung mit 160 Fotografien, davon 90 aus der eigenen Sammlung, zeigt, dass die Fotografie ein Medium ohne festes Format ist. "Während Maler*innen die Abmessungen der Leinwand festlegen, bevor sie den Pinsel ansetzen, ist die Fotografie im Moment ihrer Entstehung, wenn der Auslöser der Kamera gedrückt wird, ein Medium ohne feste Größe. Erst im Nachhinein entscheidet sich, ob ein Bild sich materialisieren wird und wenn ja, in welchen Dimensionen", sagt Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast. In der Ausstellung, kuratiert von Linda Conze (Leiterin Sammlung Fotografie), reicht die Spannweite vom kleinsten, wenige Zentimeter großen Silbergelatineabzug eines Marienkäfers bis zum XXL- Foto von Andreas Gursky, das am besten aus der Distanz heraus betrachtet werden kann, während man dem kleinen Käfer dicht auf die Flügel rücken muss, um ihn zu erkennen.
Klein oder Groß oder Wahre Größe
Die kleinen Bildformate waren und sind auch heute häufig Erinnerungsfotos, persönliche Andenken an geliebte Menschen. In einer Vitrine sind Broschen und Medaillons mit Miniaturfotos zu sehen. Heute tragen wir diese eher als Thumbnails, als Daumen große Bildchen in der Fotogalerie des Smartphones mit uns herum. Großformatige Fotografien hingegen eignen sich zu Werbezwecken im Außenraum, immer aus der Ferne schon gut sichtbar.
Abbildungen von Dingen oder Menschen in Echtgröße sind eher selten. Die kameralose Fotografie macht es möglich. Im Fotogramm werden Gegenstände direkt auf lichtsensibles Papier gesetzt. Im Moment der Belichtung werden die Umrisse 1:1 auf dem Papier abgebildet, wobei das Papiermaß allerdings dem, was abzubilden ist, größenmäßig entsprechen muss. Werden hingegen Mikroskope und Teleskope eingesetzt, kann die Fotografie schon seit Ende des 19. Jahrhunderts Dinge sichtbar machen, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. So gilt die Fotografie auch als Mittel der Entdeckung und der Enthüllung sowohl in der Medizin und Biologie als auch beim Blick ins All.
Blow-Up oder die Lust am Vergrößern
Dient einerseits die Fotografie zur Dokumentation der Realität, zum Beispiel bei der Architektur, die wiederum verkleinert in ein Bildformat gepresst wird, experimentieren Künstler*innen der Neuen Sachlichkeit schon in den 1920er Jahren mit Vergrößerungen von alltäglichen Dingen, um sie in ein neues Licht zu rücken und eingeübte Darstellungsgewohnheiten zu durchbrechen. Dieses Genre setzt sich bis in die Gegenwart fort. Dinge in extremen Nahaufnahmen werden ihrer ursprünglichen Funktionalität enthoben, dagegen zeigen sich bisher ungesehene, formale Eigenschaften, so wie bei den übergroßen Löffel-Fotos von Patrick Tosani oder dem Pflaster-Foto von Sebastian Riemer, das sich als vergrößerte Abdeckung einer Gegensprechanlage entpuppt. Überraschungen werden also gleich mitgeliefert. Für die größtmöglich dimensionierte Überraschung sorgen die zwei großen, silberglänzenden, organisch runden Skulpturen. Was haben die mit Fotografie zu tun? Simon Starling verwendete mikroskopierte Silberpartikel einer historischen Fotografie aus dem Jahr 1875 als Vorlage für diese Plastiken. In einem aufwendigen Verfahren überführte er die Partikel im Maßstab eins zu einer Million in Skulpturen. Ein geradezu überdimensioniertes Blow-Up mit glänzendem Resultat.
Andere Künstler*innen arbeiten ebenfalls mit Vergrößerungen. Gerade die digitale Fotografie bietet da eine vielseitige Spielart. Können einerseits Details per Zoom deutlicher gezeigt werden, kann bei zu starkem Zoom Unschärfe entstehen oder das Foto bis zur Auflösung in seine Bestandteile zerlegt werden. Die so entstandenen Pixel-Welten, wie beim Tintenstrahldruck von Jan Dibbets, haben eine ganz eigene Ästhetik. Rosa Menkman zoomt so weit in ein Foto hinein, dass Wiedergabefehler, sogenannte Artefakte entstehen. Was man auf ihrer Arbeit als Digitaldruck auf der Wandtapete erkennt, kann man selber regulieren, indem man sich der Wand nähert oder sich von ihr entfernt.
Nähe und Distanz sind spannende Faktoren, ebenso die Übertragung einer Fotografie auf ein anderes Material. So reduziert Leonard Elfert einen Fotoausschnitt auf 15 Graustufen und 21.060 Bildpunkten, die er per Kartoffeldruck auf Nesselstoff überträgt. Resultat ist ein riesiges Bildobjekt. Ob dieser nachhaltige, naturhafte Fototräger dauerhaft Bestand hat, wird sich zeigen.
Die Ausstellung endet in einem chaotisch anmutenden Überfluss an Bildern. Für die Rauminstallation "Since you were born, 2019 - ongoing" schöpft Evan Roth seit der Geburt seiner Tochter 2019 aus dem Cache seines Internetbrowsers. Der wilde Mix aus angeklickten Seiten aus Recherche und Werbung, Urlaubfotos und medialem Datenüberfluss aus sozialen Medien füllt Wände und Boden. Das Ende ist noch nicht abzusehen, denn Evan Roth wird die Inhalte seiner Caches nicht löschen, sondern weiterhin in die Welt kleben.
Foto-Aktion zum Mitmachen
Zum Schluss der Ausstellung noch der Aufruf, sich an der Ausstellung zu beteiligen. Besucher*innen sollen selber mit Maßstäben in Fotos experimentieren. Mit etwas Glück werden die eingesandten Fotos gezeigt. Die kreativsten Einsendungen werden mit Eintrittsgutscheinen und mit dem Katalog zur Ausstellung belohnt.
Der Katalog ist übrigens kein gewöhnlicher Ausstellungskatalog. Denn die Exponate werden nicht auf die Buchseiten passend skaliert, sondern 1:1 im Katalog abgebildet. Da das größenmäßig nicht machbar ist, werden Ausschnitte abgedruckt, die die Künstler*innen zuvor bestimmt haben. Aber keine Sorge, damit kein Rätselraten beginnt, werden die Exponate im letzten Teil wie gewohnt vorgestellt. Ebenso finden sich im Katalog weiterführende Textbeiträge.
Laufzeit: 1. Februar bis 20. Mai 2024
Der im Distanz Verlag erschienene Katalog ist im Museumsshop erhältlich
Infos zum Besuch, zum Rahmenprogramm und zur Mitmach-Aktion unter www.kunstpalast.de
Die Fotos entstanden während der Vorbesichtigung der Ausstellung.
Viel Freude beim Anschauen!
Autor:Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg |
10 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.