Quadriennale: Die Welt als Bühne
Was war das Besondere der Düsseldorfer Kunst in der Zeit von 1960 bis Ende 1980? Was ist davon geblieben, wirkt heute noch und ist weltweit sichtbar? Antworten darauf gibt die Quadriennale-Ausstellung "Auswertung der Flugdaten".
Ein Sommertag in den späten 60er Jahren, vielleicht ein bisschen später. An den Arbeitsplätzen erwirtschaften Väter die nächste Rate für den Volkswagen und träumen bereits vom Audi. Zuhause polieren Mütter die neue Essecke und posieren heimlich im Minirock vor dem Spiegel im Schlafzimmer. Ihre Kinder verbringen die Freizeit im Freibad und kosten den Geschmack der in der Luft liegenden neuen Freiheit: mit lässigen Posen auf streng ausgerichteten Bänken und akkurat geschnittenem Rasen; mit vorsichtigen Berührungen unter den strengen Augen des Bademeisters; mit Badetüchern, die als gedämpft gelb-orange Tupfer Farbe in das beige-bräunliche Einerlei der Wirtschaftswunderjahre bringen. Das war spannend. Erregend. Geordnet grenz-überschreitend.
So war das. So war das auch in Ratingen. Das kann man heute noch sehen. Denn damals ist auch Andreas Gursky mit seiner Kamera dort gewesen und hat sich das Geschehen genau angeguckt. Irgendwo von ganz weit oben. Irgendwann hat Gursky, der damals Fotografie studierte, dann auf den Auslöser gedrückt. Vielleicht hat er später im Labor noch das ein odere Detail an der Aufnahme verändert. Und plötzlich war die ganze Geschichte in einem einzigen Bild zu sehen.
Damit hatte Gursky die Grenzen der zeitgenössischen Fotografie erstmals überschritten. „Er war einer der ersten die sich trauten, eine latente Geschichte zu erzählen“, beschreibt Julian Heynen das Besondere am Stil des Düsseldorfer Fotografen, der heute zu den weltberühmten Vertretern seines Faches zählt. Julian Heynen ist künstlerischer Leiter der Kunstsammlung. Für die Quadriennale hat er unter anderem die Austellung „Auswertung der Flugdaten“ konzipiert. Die beinhaltet unter anderem Werke von zehn Künstlern, die aus dem Umfeld der Düsseldorfer Akademie kommen und heute weltbekannt sind. Die Arbeiten stammen alle aus den 80er Jahren - und haben damals erstmalig gezeigt, wie die Künstler auf ihre Weise Ordnung in das Chaos brachten, dass die „Neue Unübersichtlichkeit“ in der Malerei ausgelöst hatte.
Denn während in Berlin und anderswo die sogenannten „Jungen Wilden“, zu denen auch der ehemalige Akademie-Direktor Markus Lüpertz zählte, in großformatigen Bildern mit grellen, kräftigen Farben das umsetzten, was ihnen ihr Bauchgefühl vorgab, waren die Düsseldorfer Foto-Adepten von der „Neuen Sachlichkeit“ geprägt, die die Arbeiten und die Lehre des Ehepaares Bernd und Hilla Becher kennzeichnete.
„Die hiesigen Fotografen haben damals genau auf die Maler geguckt, wollten aber nicht ihre Fehler wiederholen“, zeigt Heynen den Unterschied zwischen den Bildermachern auf. Das bedeutet bei Gursky: nicht Kommentieren, sondern Interpretieren; keine Antworten geben, sondern Fragen stellen. Heynen drückt es so aus: „Für Gursky ist die Welt eine Bühne und er betrachtet die Dinge von möglichst weit oben.“
Die „Auswertung der Flugdaten“ im K 21 im Ständehaus zeigt zirka 65 Skulpturen, Installationen und Fotografien von 17 Künstlern, darunter Andreas Gursky, Thomas Ruff, Thomas Struth und Jeff Koons. Mehr Informationen gibt es unter www.quadriennale-duesseldorf.de
Autor:Martin Dubois aus Essen-Süd |
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