Premiere von "Mann O Mann": Moderner Fünfkampf der Abendunterhaltung
Der Schlussapplaus war angemessen: Etliche Vorhänge gab es zum Ende der Premiere von Mann O Mann, der neuen Produktion am Capitol-Theater, für ein Ensemble, das das man spielfreudiger schwer vorstellen kann.
„Es ist großartig und sehr schön inszeniert. Die Kollegen auf der Bühne machen das toll!“ begeistern sich die Schauspieler Mareike und Sam Eisenstein. Oliver Fleischer entdeckt Parallelen: „Man erwischt sich in den verschiedensten Rollen immer wieder selber.“ Mr. Hobbythek Jean Pütz amüsiert sich über die vielen „wahren Begebenheiten“ und Michael Wendler freut sich, dass seine Frau aus der Midlife-Crisis-Revue etwas mit nach Hause nehmen kann: „Sie versucht sich in die Welt der Männer zu denken und versteht mich jetzt besser. Es ist sehr amüsant, ich habe schon oft gelacht – öfter als meine Frau.“
Nun gibt es Stücke, deren Handlung auf einen Bierdeckel passt. In diesem Fall würde ein Reiskorn ausreichen. Aber was kümmert eine klapperdürre Story um vier Männer auf Dauerrast am Jakobsweg, wenn das Ensemble auf dem Weg zur Goldmedaille in der Disziplin „Moderner Fünfkampf der Abendunterhaltung“ Rekorde in sämtlichen Disziplinen bricht?
Wir befinden uns im Nirgendwo entlang einer stark frequentierten Pilgerroute. In der Einöde prallen vier Mannsbilder aufeinander. Jeder dieser Typen spürt auf seine Weise einer persönlichen Sinnkrise hinterher: Stur und kauzig, viril und selbstverliebt. Fürsorglich-streng kommentiert eine weibliche Off-Stimme hier und da allzu männliches Gebahren.
Dabei können natürlich keine fein skizzierten Charakterstudien herauskommen. Hier handelt es sich schließlich um Revue-Theater. Dass es herausragend gutes Revue-Theater wird, dem man zotige Witzchen, Pointen aus der Feinrippunterhose und mäßig inspirierte Texte auf einen bunten Reigen bekannter Weisen verzeiht, liegt an einer erstklassig groovenden Band und einem Ensemble, das atemlos, aber niemals japsend, tanzt, turnt, spielt, singt und Schnäpschen kippt.
In knackig arrangierten Songs wie „Alpha Tier“ auf die Melodie von „Bolle“ oder „Aua“, gesungen auf die Noten der nordirischen Nationalhymne lassen Max Gertsch, Stephan Schill, Stefan Gossler und Janko Danailow stimmliche und darstellerische Extraklasse aufblitzen. Zum Primus inter Pares avanciert Gossler, der als türkischer Obstverkäufer seinen Gute-Laune-Hit „Gününü Gün Et“ (genieße den Tag) mit der selben naiven Virtuosität zelebriert wie Klaus Havenstein den King Louis im Dschungelbuch.
Sich den Spaß am Leben nicht verderben lassen trotz bügelnder Ehefrau oder nervender Urologen, mit dieser Botschaft entlässt „Mann O Mann“ sein Publikum mit wundgeklatschten Händen.
Die musikalischen Masterminds Carsten Gerlitz und Jan Christof Scheibe unternehmen ganz zum Schluss noch den kühnen Versuch, Gloria Gaynors größten Hit als Liebeserklärung an alle Frauen in eine abweichende Bedeutungssphäre zu überführen.
Sorry, aber „I Will Survive“ wird so schnell keine Hetero-Hymne.
Mann O Mann, die Revue über die Midlife Crisis, läuft noch bis 20. Juli im Capitol. Vorstellungen: Dienstag bis Samstag, jeweils um 20 Uhr. Karten gibt es hier.
Autor:Henrik Stan aus Düsseldorf |
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