Premiere im Bahntestzentrum Wildenrath
Im Bahntestzentrum in Wegberg-Wildenrath (PCW) prüft Siemens Schienenfahrzeuge auf Herz und Nieren, bevor sie zur Auslieferung kommen. Nach Schließung des ehemals britischen Militärflughafens hatte Siemens das Gelände erworben und im Jahr 1997 das Prüfcenter eröffnet. Am 21. April stellte Siemens vor internationalen Medienvertretern zwei Großprojekte vor: Die Straßenbahn für den Wüstenstaat Katar und den Desiro für die Thameslink-Linie in London.
Einzigartige Testbedingungen
Seit 1. Oktober 2014 leitet Oliver Hagemann das Prüf- und Validationscenter. Der 47-Jährige sprach während der Pressekonferenz vor mehr als 50 Fachjournalisten aus ganz Europa von "einer mutigen und klugen Entscheidung von Siemens, nach Wegberg-Wildenrath zu kommen". Wildenrath sei "der schönste Siemens-Standort in NRW" mit einzigartigen Testmöglichkeiten, so Hagemann.
Das Prüfcenter in Wildenrath ist die weltweit modernste Zulassungsstelle für Züge. Nahezu alle Fahrzeuge in Normal- und Meterspur werden hier eisenbahntypischen Prüfungen unterzogen. Hier wird erprobt, ob die Fahrzeuge fit sind für ihren täglichen Einsatz in und zwischen den Städten. Spezielle Testgleise bieten vielfältige Prüfmöglichkeiten wie Kurven- und Steigungsfahrten, Dichtigkeitstests, Lärmmessungen und Beregnung. Ob elektrisch oder mit Diesel angetrieben, das Prüfcenter ist für alle Bahnsysteme gerüstet. 28 Kilometer stehen auf dem 44 Hektar großen Gelände für Testzwecke zur Verfügung. Die Oberleitung kann auf alle gängigen europäischen Gleichstrom- und Wechselstromspannungen umgeschaltet werden. Bogen-. Kuppen- und Senkenfahrten lassen sich auch im Stand simulieren. Auf dem Dreh-Kipp-Tisch in der Halle werden Normal- und Meterspurfahrzeuge getestet. Die Stromzuführung kann dabei auch über eine Stromschiene erfolgen. Alle drei Minuten kann auf dem äußeren Testring ein Grenzübertritt simuliert werden. Dies ermöglicht einen realistischen Bahnverkehr quer durch Europa mit Mehrsystem-Loks und -Triebzügen.
"Batterie-Straßenbahn" für Katar
Bei einer Testfahrt auf dem 2,4 Kilometer langen inneren Testring mit einer für Katar bestimmten Straßenbahn konnten sich die Fachjournalisten selbst ein Bild von den einzigartigen Testmöglichkeiten machen. Der Zug vom Typ Avenio war mit zahlreichen Testinstrumenten und Sensoren ausgestattet. Das besondere an der Tram ist der oberleitungslose Betrieb. Die Straßenbahn soll auf dem Universitätscampus in Doha auf einer zwölf Kilometer langen Strecke fahren. Durch ein neuartiges Energiespeichersystem ist es möglich, die Kondensatoren und Batterien des Fahrzeugs an den Haltestellen und den Endstellen in wenigen Sekunden aufzuladen. Dabei müssen die Klimabedingungen in Katar mit Tagestemperaturen von über 50 Grad Celsius, hoher Luftfeuchtigkeit, extremer Staubbelastung und Starkregen berücksichtigt werden. Wie sich die Journalisten selbst überzeugen konnten, läuft der Ladevorgang völlig reibungslos ab und bleibt für die Fahrgäste unbemerkt.
19 Fahrzeuge wird Siemens nach Katar liefern. "Im Juni 2015 soll das erste Fahrzeug in Doha eintreffen", erklärte Siemens-Sprecher Georg Lohmann. Die restlichen 18 Fahrzeuge werden bis Februar 2016 fertiggestellt. Die Batterie-Tram könnte unter anderem auch für eine projektierte oberleitungslose Strecke durch den Englischen Garten in München interessant sein könnte, sagte Hagemann.
Desiro-Züge für London
Die zweite Testfahrt führte über den rund 6 Kilometer langen äußeren Testring, der für Geschwindigkeiten bis 160 km/h ausgelegt ist. Dort stand der Desiro City Thameslink abfahrbereit. 1140 Wagen für 115 Züge hat das Department für Transport London vor fast zwei Jahren bestellt. Im August soll der erste Zug auf der Insel abgeliefert werden. Für Juni 2018 ist die Auslieferung des letzten Exemplars des 1,8-Milliarden-Euro-Auftrags vorgesehen. Siemens übernimmt für Thameslink auch die Instandhaltung des Fuhrparks. Dazu errichtet Siemens in London zwei neue Depots.
In Wildenrath werden derzeit auch der Eurostar für den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal sowie der Cityjet für die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) getestet. Neben Siemens nutzen auch andere Firmen das Prüfcenter. Alle fünf Jahre findet in Wildenrath ein Tag der offenen Tür statt. Der letzte war im Jahr 2012.
Autor:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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