"Percossa" im Apollo: Knüppel aus dem Frack

Bei so viel Urgewalt geht schon mal ein Instrument kaputt: Niels van Hoorn beklagt den bedauerlichen Zustand seiner Gitarre. Eric Robillard, Janwillem van der Poll und René Spierings (hinten v.l.) dreschen leiber auf den Korpus ein, statt die Saiten anzuschlagen. Foto: Lucienne van der Mijle
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Schlagzeuger und Torhüter haben etwas gemeinsam: Sie stehen bzw. sitzen hinten, und beiden Berufsgruppen wird eine Neigung zu höherem Blödsinn nachgesagt. Man denke nur an Keith Moon (The Who) und Klaus Thomforde (FC St. Pauli).

Vielleicht löst sich das Problem auf der Position 1 der Elftal, wenn Bondscoach Louis van Gaal diese vier Hochleistungssportler mit nach Brasilien nimmt. Sie sind fit, reaktionsschnell, beweisen Übersicht und Leidenschaft in jeder austrainierten Muskelfaser.

Nicht nur fürs deutsche Publikum wäre es freilich angenehmer, Niels van Hoorn, Eric Robillard, Janwillem van der Poll und René Spierings bleiben bei ihren Leisten, also Drumsticks, und setzten die Erfolgsgeschichte Percossa genauso mitreißend und urkomisch fort wie derzeit im Apollo-Theater.

Ihre aktuelle Produktion „Baff“ hinterlässt ein sprachlos staunendes Publikum, das nach zwei Stunden atemberaubender Musik-Akrobatik mit geröteten Händen zum Abschied winkt. Baff macht die wieselflinke, perfekt choreographierte, technisch wie musikalisch gleichermaßen brillante Reise durch die Welt der Schlaginstrumente. In Lateinamerika wird anders getrommelt als in China. Und zum Instrumentarium gehört längst nicht nur, was mit Fell bespannt oder aus Hartholzstäben zusammengesteckt wird. Die vier fliegenden Holländer (im Stroboskop-Gewitter scheinen sie wirklich zu schweben) dreschen ihren harten Beat auch auf Gitarren, mit Plastikprügeln auf den Schädel des Kollegen oder in New-Age-Manier auf seichtem Wasser. Meist mit bloßer Hand, gern auch in Boxer-Manier sowie allerlei handelsüblichen Schlagzeugstöcken. Dabei zerlegen sie ihre ursprünglich elegante Abendgarderobe en passant aber mit der Präzision einer Damaszenerklinge.

Nicht sich selbst, aber ihrem rasch willenlos folgenden Publikum, gönnt das Quartett kurze Atempausen. Bei der Serenade für zwei verliebte Handtücher oder einem clownesken „Ave Maria“ für singende Gläser und Pfandflaschen, leuchtet ein, dass Apollo-Papa Bernhard Paul gar nicht anders konnte, als sich unsterblich in diese Formation zu verknallen.

Viele dürften Pauls Beispiel gefolgt, obwohl oder weil ihnen diese Show durchaus in den Knochen stecken bleibt. Interaktiv nennt sich das Ganze nämlich, denn das etwas sperrige Sitzmöbel entpuppt sich als Instrument. Und niemand gönne sich Schwachheiten, wenn die Herren Profimusiker von oben zum Mittrommeln auffordern! Der Anblick von Sitznachbarn, die unbeholfen immer komplizierteren Taktfolgen folgen wollen (aber nicht recht mitkommen) wird zum Hochamt der Schadenfreude und empfiehlt „Baff“ als Ziel für den nächsten Betriebsausflug.

Louis van Gaal wird sich für die Torwartposition allerdings jemand anderen suchen müssen.

Percossa gastieren noch bis einschließlich 28. Juli in Düsseldorf. Ob's noch Karten gibt, erfährt man hier.

Autor:

Henrik Stan aus Düsseldorf

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